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Konzert-Kritik

Kulturclash im Backstage

Impressionen von der großen Punkrock-Gaudi mit Against Me! + Roger Harvey + Caves in München.

Von Martin Smeets, heartcooksbrain

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Against Me!

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Das Münchner Backstage hatte sich dieses Mal etwas ganz Besonderes ausgedacht: Einen ausgewachsenen Kulturclash. Wer zu den schlampig gespielten Powerchords will, muss erst mal durch eine Schar Fußballfans, spielen doch Against Me!, Roger Harvey und Caves zeitgleich mit dem nicht nur in München wohl bekannten FC Bayern. Punkrock und so-called Königsklasse innerhalb weniger Quadratmeter, das Backstage macht’s möglich. Wie man das findet, können zum Glück alle für sich selber entscheiden, ein bisschen seltsam wird sich diese Location mit ihrer Bauwagenplatzromantik allerdings ohnehin immer anfühlen.

Seltsam ist dann auch der Kontrast nach Betreten der noch ziemlich leeren Halle, schließlich läuft da statt Sky Refused in voller Lautstärke. Orte, an denen man bis zu den ersten Tönen verweilen möchte sind also rar gesät. Dann aber geht es endlich los mit Caves, deren Merch das sattsam bekannte A.C.A.B. in “All Cats Are Beautiful” umdeutet. Die sich allerdings auch mit einem Sound herumschlagen müssen, der jeder Beschreibung spottet. Selbst wenn das Trio auf der Bühne sichtbar kompromisslos in die Vollen geht und sich eher wenig um ein differenziertes Klangbild schert: So darf das nicht klingen. Jeder Kellergig, bei dem “die Technik” schon mit acht Oettinger Export in der Birne ankommt, hört sich besser an. Verpasst haben dadurch aber auch wirklich nur diejenigen etwas, die auf völlig wüst durcheinander stolpernden Punkrock stehen:

Über schlechten Sound kann sich Roger Harvey im Anschluss nicht beklagen. Und über mangelnde Reaktion aus dem Publikum sowieso nicht, werden die Stücke doch ziemlich frenetisch aufgenommen. Böse Zungen würden behaupten, dass man mit einer Mischung aus Dave Hause, The Gaslight Anthem und ein bisschen Conor Oberst auch kaum verlieren kann. Doch das ist natürlich Mumpitz. Diese Songs muss man schließlich auch erst mal so schreiben. Sollte jemand den nächsten Punk-Singer/Songwriter suchen, den es groß zu machen gilt: Hier ist er. Dass sich Harvey und Band auch noch äußerst sympathisch gerieren und man ihnen die Freude über den Auftritt tatsächlich abkauft, ist dem Gesamteindruck alles andere als abträglich. Und man ist nach dem Set entsprechend gut aufgewärmt für das, was da noch kommen sollte.

Was da noch kommen sollte, war nämlich so vielleicht nicht unbedingt zu erwarten. Klar, dass Against Me! jetzt nicht unbedingt die langweiligste Liveband sind, dürfte allen geläufig sein. Mit welcher Vehemenz sich die Band um Laura Jane Grace allerdings durch ihre Songs spielt, überrascht dann aber doch. Knappe 90 Minuten voller Einsatz sind das, die nichts auslassen. Vom Aufmacher I Was A Teenage Anarchist über Pints Of Guiness Make You Strong bis zu Black Me Out, das das reguläre Set beschließt, wird hier mit einer beeindruckenden Verve gezockt. Schön sind auch die mehr oder weniger neu interpretierten Trash Unreal und How Low.

Richtiggehend grandios wird es dann, wenn die Band plötzlich das sonst eher selten gehörte Turn Those Clapping Hands Into Angry Balled Fists auspackt. Da stellt man plötzlich fest, wie viel Atmosphäre in so einen Punkrocker passt und wie viel Power diese Band auf der Bühne entwickelt. Beim Stichwort “Power” sei überdies Drummer Atom Willard erwähnt, der eine sichtliche Gaudi bei seiner Arbeit hat. Wie überhaupt die gesamte Band, die zwar außer einigen Dankesbekundungen kaum Worte verliert, aber trotzdem nie den geringsten Zweifel daran aufkommen lässt, wie viel Bock man auf die eigenen Songs hat. Am Ende hört man dann im Vorbeigehen von irgendwoher ein Ich hätte nicht gedacht, dass die SO gut sind.”. Das unterschreibt man blind. Against Me! sind wieder weg von breitbeinigen Rockern der Marke Bamboo Bones und können sich mittlerweile den Luxus erlauben, Sink Florida Sink erst ganz zum Schluss zu spielen. Und der FC Bayern gewinnt nebenan 6:1. Kurzum: Alle glücklich.

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