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Lokalkolorit ohne Tiefgang

Soeben erschien mit „Herzstich“der erste Roman der jungen Regensburger Autorin Sonja Silberhorn. Er gehört zur immer beliebter werdenden Gattung der Heimatkrimis, auf die sich der Kölner Emons-Verlag spezialisiert hat. „Herzstich“ spielt und wurzelt in Regensburg. Dem Charme des Lokalkolorits kann man sich als Regensburger schwer entziehen – ein wichtiger Schauplatz ist zum Beispiel die Ostengasse, die Kommissarin Sarah Sonnenberg wohnt in der Altstadt und kennt sich mit Parkplatzproblemen bestens aus, da sie zur Dienststelle der Kriminalpolizei in der Bajuwarenstraße mit ihrem alten Golf namens Wenzel fährt. Die regionalen Bezüge werden jedoch nicht zu dick aufgetragen, so dass sich der Krimi zunächst gut und flüssig liest. Im weiteren Verlauf der Geschichte tritt jedoch die Ermittlung in der Serie von gewaltsamen Todesfällen von Männern in sexuell eindeutigen Positionen mehr und mehr zurück, zugunsten der sich anbahnenden Liebesgeschichte zwischen Sarah Sonnenberg und ihrem gutaussehenden, aber an gebrochenem Herzen leidenden Kollegen Raphael Jordan. Die Autorin wechselt im Dienste dieser keimenden Romanze verschiedentlich die Perspektive, wirft einen Blick auf das Innenleben des grünäugigen Polizisten und spricht die Leserin als Sarah Sonnenberg und Ich-Erzählerin sogar direkt an: „Hand aufs Herz, kennen Sie das auch?“. Die Ermittlung wird dagegen recht knapp abgehandelt, und insbesondere die Einschätzung der Motivlage der (vermeintlichen) Täterin entspringt direkt dem Handbuch des Hobby-Psychologen. Auch das Vorgehen der Hauptperson Sarah Sonnenberg wirkt sehr unprofessionell, sie läuft der Täterin ganz allein direkt in die Arme, wohl vor allem damit ihr Kollege sie retten und so zum Helden werden kann. Auch hier regiert die Provinz, diesmal aber nicht im positiven Sinne; dieser Roman bleibt hinter fortschrittlichen Frauen- und Gesellschaftsbildern weit zurück, die gerade über den Kriminalroman Eingang in die Literatur gefunden haben. Er bietet auch keinen ungewöhnlichen, spannenden Kriminalfall, sondern ist diesbezüglich sehr einfach gestrickt, sehr konventionell wirken auch Prolog und Epilog aus der Sicht der Täterin. Einzig die Beschreibung der Kriminalkommissare und ihr Umgang miteinander sowie das Privatleben der Ich-Erzählerin haben Unterhaltungswert als witziges, mit leichter Hand geschriebenes Lesefutter. Sonja Silberhorn: Herzstich. Emons Verlag Köln, 271 S., 10,90 €.
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Kommentare (9)

  • Daniel

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    Schön, hier eine echte Kritik und nicht nur die – in sonstigen Regensburger Medien so verbreitete – unreflektierte Lobhudelei zu lesen, die zuverlässig dann auftritt, sobald es sich um ein Produkt aus/für/über der/die Region handelt.

  • VonFernSeher

    |

    Auch hier regiert die Provinz, diesmal aber nicht im positiven Sinne; dieser Roman bleibt hinter fortschrittlichen Frauen- und Gesellschaftsbildern weit zurück, die gerade über den Kriminalroman Eingang in die Literatur gefunden haben.

    Warum genau ist jetzt eine rückständige Hauptfigur ein schlechtes Merkmal für den Roman? Ansonsten eine gute, lesenswerte Kritik.

  • Daniel

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    Na, es ist schon ein Unterschied, ob ein belletristischer Text anhand eines überholten Rollenbildern verhafteten Charakters eine reaktionäre Haltung problematisiert oder eine Erzählung einfach naiv und unkommentiert derart überholte Strukturen darstellt, sie für voll nimmt – also nicht ironisiert – und nicht über sie hinauskommt …

  • VonFernSeher

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    Es ist ein Roman, eine Erzählung, die anscheinend (ich habe es ja nicht selbst gelesen) sehr nah an den Charakteren ist. Warum muss dann ironisiert werden?

    Es mag ja sein, dass in diesem Roman diese Figur ein negatives Merkmal ist, aber dann möchte ich doch vom Kritiker wissen, wie und warum. Dafür ist er doch da.

  • Sonja Silberhorn

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    Da startet man doch so richtig wach in die neue Woche, wenn man am Montagvormittag mit dem Newsletter und zugleich dem Verriss des eigenen Romans begrüßt wird. ;)

    Zur Kritik am durch die Kommissarin vermittelten Frauenbild: Ob ein Frauenbild nun rückständig oder postfeministisch gelassen ist, darüber wird ja immer wieder mal gestritten. Aber wenn sie den Fall final in Eigenregie und ohne Zutun des männlichen Kollegen löst, spricht in meinen Augen nichts dagegen, sie wenigstens vom Kollegen retten zu lassen – andernfalls hätte es wohl Probleme mit dem dargestellten Männerbild gegeben … ;)

    Ansonsten aber – die Geschmäcker sind nun mal und völlig zu Recht verschieden – ohne Einwände + mit herzlichen Grüßen,

    Sonja Silberhorn (die, das nur zur Info, den Newsletter jetzt nicht abbestellt ;))

  • Barbara Junghans

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    @k Sonja Silberhorn

    Trösten Sie sich! Wenn Sie bei der Schreiberei bleiben wollen, dann müssen Sie sich ein dickes Fell zulegen, denn schlechte Kritiken werden Sie begleiten.

    Im Übrigen weist der letzte Absatz des Artikels darauf hin, dass manche Leute (und eben auch Kritiker) einen Text nur danach beurteilen, wie progressiv oder emanzipatorisch oder klassenkämpferisch er ist. Das kommt an. Damit können sich offenbar viele Leute identifizieren.

    Gruß von einer “Kollegin”.

  • wollwirker

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    Es soll ja Romane geben, deren Kritiken geistreicher und amüsanter zu lesen sind als das besprochene Buch selbst.
    Mein Gott, Themen, die nach literarischer Aufarbeitung schreien, gäbe es in Regensburg mehr als genug. Aber der Erfolg von “Tannöd” war einfach zu verlockend….

  • peter sturm

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    “dann müssen Sie sich ein dickes Fell zulegen,”

    man kann es auch ignoranz nennen.

  • Roland Hornung

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    Da kann ich Ihnen/ euch Beiden nur zustimmen !

    Wenn man eigenständig schreibt, bekommt man sicher von verschiedensten Seiten immer wieder
    mal ” Kritik “….

    Wenn man sein Fähnchen in den ( jeweiligen ) Wind hängt und drehen lässt , bekommt man
    Applaus.

    Solche Wörter wie ” fortschrittlich”, ” emanzipatorisch” usw….können natürlich auch – je nach
    Parteibuch – durchaus unterschiedliche Bedeutung haben :-)

    Bei Gelegenheit werde ich mal eine Art ” Wörterbuch ” / Übersetzungshilfe erstellen :-)

    Viele Grüße von Roland Hornung

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