Zahlenfetischist versus Moralapostel

Kein gemeinsamer Nenner: Wolfgang Wiegard und Harald Klimenta. Fotos: Herbert Baumgärtner
„Deutschland steht gar nicht so schlecht da“
Wiegard versuchte in erster Linie durch Zahlen und Koeffizienten die Forderungen von „UmFAIRteilen“ als absurd darzustellen und zu verdeutlichen, dass Deutschland im Vergleich mit anderen Ländern gar nicht so schlecht da stehe. „Die Einkommen in Deutschland sind gleicher verteilt als in vielen anderen Industrienationen“, so Wiegard. Die Besteuerung von Einkommen sei mit einem Spitzensteuersatz von 47 Prozent in Deutschland ohnehin schon sehr hoch angesetzt. Und immerhin brächte das obere eine Prozent 25 Prozent des gesamten Einkommensteueraufkommens auf. Auf eine zentrale Forderung des Bündnisses, eine höhere Besteuerung von Kapital, ging Wiegard allerdings kaum ein.„Wertschätzung basiert auf Vermögen“
Gerade hier sieht aber Klimenta aber „das große Problem“. „Reiche lagern ihr Vermögen in Unternehmen und müssen somit kaum Steuern zahlen“. Er stellte weniger Zahlen als das Prinzip der sozialen Gerechtigkeit in den Mittelpunkt seiner Argumentation.
Besonders Mindestlöhne, eine Anpassung der Gehälter, Besteuerung von Kapital und Transaktionen zum Ausbau von Sozial- und Bildungsleistungen würden dem weiteren Auseinanderbröckeln der Gesellschaft entgegen wirken. In dieser Gesellschaft basiere Wertschätzung derzeit nicht mehr auf Leistung, sondern auf der Anhäufung von Vermögen. „Während die einen geächtet werden, weil sie keine Arbeit finden, werden die anderen verehrt, weil sie so viel Vermögen besitzen, dass sie nicht mehr arbeiten müssen.“ Dies fand zwar viel Zuspruch bei den Zuhörern, allerdings nicht bei Wiegard, der Klimenta im Verlauf des Abends mehrfach „Moralisierung“ vorhielt.
Ungeachtet dessen drehte sich auch ein Großteil der Fragen aus dem Publikum mehr um Soziale Gerechtigkeit denn um Zahlen. „Ungerechte Entlohnung“ bei gleicher Qualifikation, wie sie etwa vor allem bei Berufszweigen im sozialen Bereich an der Tagesordnung ist, Altersvorsorge und die damit verbunden die Angst vor Altersarmut waren Punkte, die die Zuhörer bewegten.
Wiegard hielt der Forderung nach höheren Löhnen ein Horrorszenario entgegen: eine Art Völkerwanderung, in deren Rahmen das Kapital ins Ausland verschwinden werde. Nicht höhere Steuern, sondern altbekannte Schlagworte wie „Bildung“ oder eine aktive Arbeitsmarktpolitik sind für den ehemaligen Wirtschaftsweisen Mittel, um soziale Ungerechtigkeit zu bekämpfen.
Manchmal musste man sich aber auch als unvoreingenommener Beobachter über die Ausführungen des Wirtschaftsweisen wundern: Etwa, wenn Wiegard die Armutsgrenze bei 4o (anstatt 60) Prozent des Durchschnittseinkommens definiert, den durchschnittlichen Verfügungsbetrag von Hartz IV-Empfängern bei 8.000 Euro jährlich ansetzt, und so auf eine Armutsquote von nur 4,2 Prozent kommt.
Ein bisschen Beifall für den „Buh-Mann“
Dass Wiegard nicht unbedingt damit gerechnet hatte, am Dienstag „Everybody’s Darling“ zu sein, hatte er bereits zu Beginn des Abends klar gemacht: Er werde hier wohl den „Buh-Mann“ geben, meintge er in seinem Eröffnungsstatement.
Und tatsächlich entsprach ein Großteil der Publikums-Reaktionen diesen Erwartungen. Im Gegenzug versuchte Wiegard Klimenta immer wieder als „Moralapostel“ darzustellen.
Immerhin einmal bekam aber auch der „Buh-Mann“ Applaus – nämlich als er forderte, zumindest Erbschaften zu besteuern. Das sei schließlich Geld, das sich niemand erarbeitet habe. Einen gemeinsamen Nenner fanden der Zahlenfetischist und der Moralapostel am Ende allerdings nicht.
Am morgigen Samstag findet auf dem Haidplatz zwischen 12 und 16 Uhr der Aktionstag „UmFAIRteilen“ statt.


