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Nachhaltigkeitswoche

Regionale Überlegungen für globale Ziele

Nachhaltigkeit fördern, gemeinsam der Klimakrise begegnen und weltweit für mehr Gerechtigkeit sorgen. Die Regensburger Nachhaltigkeitswoche, die diese Woche stattfindet, will sich wieder einmal drängenden Fragen stellen.

„Wir können die erste Generation sein, der es gelingt, die Armut zu beseitigen“, hatte Ban-Ki Moon, bis 2016 UN-Generalsekretär, vor einiger Zeit gesagt. „Ebenso wie wir die letzte sein könnten, die die Chance hat, unseren Planeten zu retten.“ Worte, die die Verantwortlichen der Regensburger Nachhaltigkeitswoche als Auftrag nehmen, regional die globalen Probleme zu diskutieren und vor allem auch nach möglichen Lösungen zu suchen.

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Mehr als 120 Veranstaltungen im gesamten Stadtgebiet finden im Rahmen der seit Montag laufenden Aktionswoche dieses Jahr wieder statt. Unter dem Motto „17 Ziele. Unsere Zukunft“ beschäftigen sich die einzelnen Vorträge und Workshops bereits zum vierten Mal mit den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (hier geht es zur Übersicht).

Große Ziele, ganz weit weg

Diese 17 sogenannten Sustainable Development Goals bilden den Rahmen der Agenda 2030 und sollen weltweit die Grundlage dafür schaffen, wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten. Die UN haben sich dabei große Ziele gesteckt.

So sollen bis 2030 Armut und Hunger weltweit beendet, allen Menschen ein gesundes Leben und hochwertige Bildung ermöglicht werden. Aber auch nachhaltiger Konsum und Produktion, Geschlechtergerechtigkeit sowie Frieden stehen auf der Agenda. Ziele, die momentan wieder weit weg erscheinen. Nicht zuletzt der Klimaschutz, fürchten viele, könne aufgrund der weltweiten Verwerfungen unter die Räder geraten.

Architects for Future

Dabei gibt es viel zu tun, wie auch die Diplomingenieurin Ulla Basqué findet. Diesen Freitag wird sie an der Uni Regensburg über die „Bauwende jetzt – Klimaresiliente Städte und CO₂-neutrale Gebäude“ referieren. Die Veranstaltung ist zugleich der offizielle Start einer Architects for Future-Regionalgruppe in Regensburg. Wie Basqué regensburg-digital erklärt, seien einige ihrer Mitstreiter bereits seit 2019 in Kontakt mit der Fridays for Future-Bewegung. 2020 dann wurde von Architekten bundesweit ein eigener Aktivenkreis gegründet, ähnlich wie die Scientists for Future.

Gemeinsam fordern die verschiedenen Teile der For Future-Bewegung die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens und die Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5°. „Wir richten uns sowohl an die Baubranche, als auch an die gesamte Gesellschaft, Wirtschaft und Politik“, erklärt Basqué das Anliegen der Architektengruppe. Man wolle „kooperativ auf allen Ebenen zukunftsfähige Lösungen erarbeiten und einen nachhaltigen Wandel in die Wege leiten“. Die Baubranche könne dabei eine wichtige Rolle einnehmen, ist die Ingenieurin überzeugt.

Flucht und Vertreibung

Das Thema Bauen sowie Fragen der Energieversorgung spielen während der Aktionswoche immer wieder eine Rolle. So geht es Donnerstag bei einem Vortrag um moderne Möglichkeiten der Wärmeversorgung und tags darauf um eine CO2-neutrale Gebäudeklimatisierung. Die Energie dafür könnten bald Mikroorganismen liefern. Jedenfalls wenn es nach dem Regensburger Unternehmen Microbify geht. Wie aus Archäen grünes Gas her- und damit die Energieversorgung sichergestellt werden kann, ist ebenfalls Thema eines Vortrages.

Auch das Thema Flucht und Vertreibung findet sich im Programm wieder. An der Universität findet aktuell eine Ausstellung über die Situation Geflüchteter in Europa und an den EU-Außengrenzen statt. Kommenden Sonntag zeigt die Regensburger Seenotrettungsorganisation Sea-Eye den Dokumentarfilm „Route 4“. Über 15 Monate lang begleitete ein Filmteam das Seenotrettungsschiff ALAN KURDI auf mehreren Missionen im zentralen Mittelmeer, der tödlichsten Fluchtroute der Welt. Sea-Eye Gründer Michael Buschheuer wird im Rahmen der Aktionswoche zudem einen Vortrag über „Humanitäre Krisen – Was tun?“ halten.

Gemeinwohlökonomie

Einen etwas umstrittenen Zeitgenossen haben die Veranstalter Mittwochabend in Person von Christian Felber geladen. Der Österreicher hat sich viele Jahre im globalisierungskritischen Netzwerk attac engagiert und vor rund zehn Jahren mit der sogenannten Gemeinwohlökonomie (GWÖ) den Versuch einer neuen Wirtschaftsform gestartet. In der Praxis werden dabei Unternehmen anhand eines Kriterienkatalogs bewertet und ihnen eine Gemeinwohl-Bilanz ausgestellt. Unter den bislang rund 2.000 Unternehmen, die eine solche Bilanz haben machen lassen, ist auch die Regensburger Tourismus GmbH vertreten.

Das Konzept der GWÖ und insbesondere Felbers formulierte Thesen erfahren aber auch immer wieder Kritik. Als „weltfremd“ und „Wegweiser in Armut und Chaos“ wurde das Modell, meist von Vertretern aus Industrie und Wirtschaft bezeichnet. Die Wirtschaftskammer Österreich kritisierte 2013, die GWÖ schränke Freiheitsrechte ein, sei zu bürokratisch und ineffizient. Vertreter der Gemeinwohlökonomie wollen wirtschaftliches Handeln anstatt an Wachstum, an Nachhaltigkeit und Solidarität orientieren. Mit diesem Gegenmodell zur kapitalistischen Marktwirtschaft sind Felber und Co bislang aber wenig erfolgreich.

Vernetzungsplattform und notwendiger Wiederkäuer

Die Aktionswoche bietet viele unterschiedliche Perspektiven auf die bestehenden Aufgaben, gibt zahlreichen Ideen zu deren Bewältigung eine Bühne und lädt auch zum Mitmachen ein (die Döpfer-Hochschulen rufen beispielsweise dazu auf, Rezepte für ein veganes Kochbuch von Regensburgern für Regensburger einzuschicken). Anders als im vergangenen Jahr sind es 2022 aber nicht die ganz großen Namen wie etwa ein Harald Lesch, die die Leute anziehen sollen. Das dürfte auch damit zusammenhängen, dass dieses mal wieder mehr auf Präsenzveranstaltungen gesetzt wird. Stattdessen befindet sich auf dem Neupfarrplatz noch bis Donnerstag das „17-Ziele-Dorf“ als Dauerinfostand, an dem auch verschiedene Angebote präsentiert werden.

Wirkliche Impulse dürfte die Aktionswoche unterdessen nicht setzen. Einige Punkte sind seit vielen Jahren Thema, wie etwa nachhaltiger Konsum. Dass sie wieder umfangreich im Programm enthalten sind, dürfte vielmehr aufzeigen, wie langsam bisher die gesellschaftlichen Veränderungen voranschreiten. Und so ist die Aktionswoche einerseits eine Vernetzungsplattform, die auch viele Unternehmen zur eigenen Präsentation nutzen, aber auch ein, notwendiger, gesellschaftlicher Wiederkäuer.

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Kommentare (11)

  • Madame

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    Es klingt ja bei diesen zukunftsplänen recht rosig in der domstadt. Es gibt ein aber und ein na ja. Die Überlegungen für die welt ein gemeinwohl zu entwickeln , ist momentan nicht möglich. Zuviel gewinnstreben und bla bla reden der oberen unseres Landes bringen nichts ein. Die themen flucht , vertreibung, seenotrettung, bauen energieeffizient sind gewiss nachhaltig zu verstehen. Bei allen fragen um die zukunft muss in regensburg noch viel donauwasser hinunterfliessen

  • Spartacus

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    Das Thema mit dem die gesamte Zukunft steht und fällt ist das der Klasse.
    Wenn man denkt man kann ohne die unteren 90% den Klimawandel vermindern, bzw. sie dafür bezahlen lassen, täuscht man sich.
    Sieht man ja jetzt bereits da fordert ein Grüner Minister das Individuum auf es soll gefälligst Energie einsparen anstatt die großen Unternehmen die in den letzten Jahrzehnten durch Diebstahl an den Angestellten Billionen erwirtschaftet haben, zu nötigen diesen Winter vielleicht mal die Produktion herunterzufahren um sicherzustellen dass niemand frieren oder hungern muss und die Löhne durch eben diese gestohlenen Billionen Gewinne auszugleichen.
    Was ein FDP Minister oder IFO Chef fordern ist an Unverschämtheit gar keinen ausführlichen Kommentar wert.
    Nachhaltig in einer endlichen Welt, die am Abgrund steht ist nur die radikale Abkehr von der Marktwirtschaft und die Vergesellschaftung der Gewinne anstatt der Verluste! Alles andere ist Kosmetik die die Lebensgrundlagen aller unwiederbringlich zerstört. Und man muss mal in aller Deutlichkeit sagen, wer SPD, FDP, Grüne oder Union wählt zerstört die Zukunft seiner Nachkommen und sorgt mit seiner Stimme schon heute dafür dass Millionen Menschen sterben.
    Es gibt keinen grünen Kapitalismus!

  • Madame

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    Kommentar gelöscht. Bitte wenigstens halbwegs verständliches deutsch verwenden.

  • Mr. T.

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    Spartacus, Habeck fordert das nicht “anstatt”. Er sagt nur, wie jeder einfach etwas Energie und damit Kosten sparen kann.
    Aber man legt ihm natürlich in den Mund, dass er das “fordert”.
    Viel schlimmer Lindner, der meint, man sollte einfach mehr arbeiten.

    Und wenn sollte man abseits von SPD, FDP, Grüne oder Union jetzt wählen? Gibt ja nicht mehr viel und vor denen graut mir aber richtig.

  • Spartacus

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    @Mr T.

    Stimme ihnen zu dass es keine wählbaren Parteien mehr gibt, deshalb werde ich einfach nicht mehr wählen. Nicht weil ich nicht möchte, sondern weil ich nicht mehr kann. Ich habe das Vertrauen, dass die Parlamente noch irgendwas nachhaltig zum besseren verändern werden, nachhaltig völlig verloren.

  • Mr. B.

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    Ja haben denn die Wähler und Wählerinnen von Rot und Grün mit ihrem “Gewissen” was Gutes getan? Wie naiv muss man sein!?

  • Gscheidhaferl

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    @Mr. T & Spartacus
    Eigentlich geht es hier ja um Kommunalpolitik. Und da gibt es doch noch ein paar Optionen, die niemand toll finden muss, die aber auch nicht grauselig sind (Ribsil, ÖDP,…).

    Und ansonsten ist – wie Sie wissen – jede Wahlenthaltung mitverantwortlich, wenn sich nicht wenigstens das kleinere Übel bei Wahlen durchsetzt. Sofern die völlig skrupellosen und anstandsbefreiten Figuren ans Ruder kommen, werden die uns sehr schmerzlich vor Augen führen, dass sich mit parlamentarischen Mehrheiten die Dinge durchaus noch sehr, sehr viel schlechter gestalten lassen.

  • Daniela

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    Man darf durchaus auf die Politik, sowohl kommunal, auf Landesebene bis hin zum Deutschen Bundestag schlecht zu sprechen sein, aber, wenn man ganz ehrlich zu sich selbst ist, würde man sich doch zuerst an der eigenen Nase packen. Und neben dem Effekt, dass man Strom, Wasser, sonstige Ressourcen spart, um dem Klimawandel selbst etwas entgegen zu setzen, ist der Wachstum im eigenen Sparschwein ja auch was.

  • Jürgen

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    David Bosshart (Philosoph) sagte: “Wir lernen entweder aus Vernunft oder aus Zwang!”
    Übersetzt heißt das soviel wie: “Das Zeitalter des “Weniger” kommt bestimmt, nur wann und wie viel weniger, hängt ganz von uns ab. Je später die Einsicht, desto mehr wird das “Weniger”, also das was uns bleibt zum (über)leben.”

    Ich bin gespannt wann das in den Köpfen ankommt.

  • Tanja

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    Meinen absoluten Respekt und Dank an alle, die zu diesem Programm einen Beitrag leisten! Ich hoffe, dass alle Veranstaltungen so gut angenommen werden wie die Eröffnung! Wahnsinn!

  • Gscheidhaferl

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    Noch ein paar Anmerkungen zur hier tendenziell etwas geschmähten ‘Gemeinwohlökonomie’: Ich denke hier muss unter anderem zwischen der prominenten Person (Felber) und der Idee an sich unterschieden werden. Es ist immer so eine Sache, wenn selbsternannte charismatische (?) ‘Weltretter’ sich für eine Sache ins Zeug legen. Das trägt häufig zu einer unsachgemäßen Polarisierung bei und schadet dem eigentlichen Anliegen. Vorbehalte gegenüber der Person und/oder ihrem Auftreten vermengen sich ungut mit der Bewertung der Idee.

    Gemeinwohlökonomie kann demgegenüber als eine Variante einer ganzen Familie von Konzepten betrachtet werden, denen es im Kern um etwas sehr Ähnliches geht. Sie alle eint das Unbehagen an der bisherigen Art der Wohlstandsmessung bzw. am Bruttoinlandsprodukt als einzigem Gradmesser für wirtschaftliche/gesellschaftliche Entwicklung. Und dieses Unbehagen verspüren nicht nur irgendwelche ‘bekifften öko-sozialen Spinner’, sondern sogar sehr renomierte und nobelpreisdekorierte Ökonomen. (Denen kann die österreichische Wirtschaftskammer aber nicht mit so falcher Kritik kommen, weshalb man dort dem Herrn Felber vielleicht sogar dankbar ist, dass er sich als Zielscheibe anbietet.)

    Eine der prominentesten Initiativen wurde in diesem Zusammenhang übrigens vom damaligen französischen Staatspräsidenten Sarkozy in Form der ‘Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission’ (https://de.wikipedia.org/wiki/Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission) auf den Weg gebracht. Dort stand der Begriff ‘Well being’ im Fordergrund, was nicht so furchtbar weit weg von ‘Gemeinwohl’ ist. Es geht darum, alternative Maßstäbe für gesellschaftliche Entwicklung zu etablieren und der Politik Zielvorstellungen an die Hand zu geben, die sich nicht in einem verkürzten und häufig wenig sachgemäßen Wachstumswahn erschöpfen, bzw. Wachstum (im Sinne von Weiterentwicklung) nicht nur auf den ökonomischen Bereich beschränkt sehen möchten und dabei eben ausdrücklich auch Nachhaltigkeitsfragen berücksichtigen. Hierzu liegen inzwischen eine Vielzahl an Ansätzen und Vorschlägen auf dem Tisch. Die Gemeinwohlökonomie ist einer davon. Nur deren Umsetzung wird nicht wirklich in Angriff genommen, obwohl sich z.B. die Konzepte des Wirtschaftsnobelpreisträgers Amartya Sen in entwicklungspolitischen Zusammenhängen durchaus bereits zu echten Fortschriftten geführt haben. Vielleicht ist aber auch genau das das Problem: Vielleicht steht es unserer Eitelkeit zu sehr entgegen oder überfordert unsere Vorstellungskraft, uns (als reiche Nationen) selbst Konzepten zu unterwerfen, denen im Zuge des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen sonst primär Schwellen- und Entwiclungsländer unterworfen werden?

    Aber vielleicht gelingt es ja im kommunalen Kontext, enstprechende Denkblokaden zu überwinden? Muss dann aber wirklich erntshaft (und nicht nur al Marketing-Gag) betrieben werden. Und es braucht entschlussfreudiges Personal an der Stadtspitze, das wirklich etwas verändern möchte… Na ja, vielleicht würde es schon genügen, wenn die Stadtspitze entsprechende initiativen nicht blockiert? Oder sich nicht immer ur daran orientiert, wie die verwaltung in der Vergangenheit bestimmte Dinge gehandhabt hat? Oh je, ich spür schon selbst meine Zuversicht schwinden…

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drin