Mit „tosendem Applaus” wurde Bischof Müller heute bei einem spontanen Besuch Domspatzengymnasium begrüßt – heißt es auf der Internetseite des Bistums Regensburg. „Lasst Euch nicht entzweien”, lautet der Aufruf des Bischofs an die Domspatzen. Anlass des Besuchs sei der Bericht des Spiegel gewesen, in dem ein ehemaliger Domspatz von Vergewaltigungen in den 90er Jahren berichtete. „Der Diözese wie auch dem damaligen Internatsleiter Dr. Herbert Winterholler waren diese Vorkommnisse bislang unbekannt”, lässt das Bistum nun verlauten. Was dagegen Leute auf der Straße vom Umgang der Kirche mit dem Missbrauchsskandal halten – unser Reporter Jonas Jelinsky hat einige Stimmen eingefangen.
Joesfin Urban (47) hat eine klare Meinung, wie man den sexuellen Missbrauch von Kindern bei der katholischen Kirche in Zukunft verhindern kann: „Ohne Zölibat würde so etwas nicht geben! Das muss gelockert werden, wie bei der evangelischen Kirche.“ Die eingerichtete Opferhilfe hält sie für gut und nützlich. Allerdings sei nicht nur die Kirche ein Ort, wo Pädophile ihre Opfer suchen. „Ich bin zweifache Mutter. Früher habe ich immer darauf geschaut, wenn die Kinder am Spielplatz waren, oder bei Großveranstaltungen. Da gehen doch diese Kranken auch hin.“
Maria Johanna (73) ist aktive Christin. Bei dem Gedanken an die missbrauchten Kinder, kommen ihr die Tränen. „Man muss den Opfern helfen, aber das Problem ist nicht nur ein kirchliches, dass gibt es vor allem in Familien, z.B. der ‘nette Onkel’.“ Sie sieht viele Kirchenangestellte zu Unrecht beschuldigt. „Der Papst hat sich entschuldigt. Man sollte nicht die vielen Bischöfe, die jahrelang ihren Dienst, bis ins hohe Alter, hervorragend machen in den Schmutz ziehen.“
Siglinde Rath (67) ist Rentnerin. „Dass das verschwiegen wird, ist ein Skandal. Da redet die Kirche immer von Glauben und von Gott und dann so etwas.“ Sie möchte nun Taten und nicht nur leere Worte sehen. „Georg Ratzinger weiß bestimmt mehr, als er zugeben möchte. Da wird viel vertuscht.“
Rolf Lorenz (49) kommt aus Ingolstadt und ist in Regensburg zu Besuch. Von den Missbrauchsfällen hat er allerdings schon erfahren. Was er von der Äußerung von Bischof Müller hält, Deutschland habe andere Probleme, als Missbrauchsfälle, die 40 bis 50 Jahre zurückliegen? „Der tut sich natürlich leicht“, sagt er. „Es kann aber nicht sein, dass so etwas verjährt“. Dass der Papst und die katholische Kirche noch keine Stellungnahme zu Georgs Ratzinger Rolle genommen haben, wundert ihn nicht.
Dr. Othmar Zitzmann (89) sieht den moralischen Verfall in der Gesellschaft als Hauptursache allen Übels. „Früher gab’s das auch und dass das zugedeckt wurde ist natürlich falsch, nur kommt das jetzt durch den moralischen Verfall immer mehr nach oben.“. Den Papst sieht er momentan in einer schwierigen Situation. „Der jetzige Papst ist sehr konservativ, genau wie die katholische Kirche im Allgemeinen. Aber er muss die Aufweichung des Zölibats in die Wege leiten, auch wenn das allein nicht reichen wird.“ Bei aller Abscheu gegenüber den begangenen Verbrechen, warnt er aber vor einer Dämonisierung der Täter. „Der Mensch muss human sein.“
Tanja Bousandal (38) hat selbst zwei Kinder und kommt aus Sulzbach-Rosenberg. „Die Vergangenheit muss aufgearbeitet werden“, betont sie. „Die Täter dürfen nicht in Schutz genommen werden.“ Sie hat so ihre Bedenken, dass wirklich alle Eltern mitkriegen, was ihren Kindern widerfährt. „Wenn meinem Kind so etwas passiert, würde ich es vielleicht auch nicht merken. Wenn die dann noch in einem Internat sind, dann kann ich ja nicht mal mehr mit ihnen reden.“
Olga S. (28) ist Studentin für Maschinenbau in Berlin und gerade mit ihrer Freundin in Regensburg unterwegs. „So ein Verbrechen kann nicht einfach verjähren. Im Moment wird versucht, alles unter den Teppich zu kehren.“ Die Opferhilfe des Bistums hält für den falschen Weg. „Man muss die Betroffenen zum Reden bewegen. Da muss auch der Staat helfen, z.B. wie mit der Notseelsorge. Das Thema wird sich aber in den nächsten Wochen ein bisschen abschwächen.“
Michael Ahles (21) geht gerade mit seiner Freundin shoppen. „Der Vorwurf der Verharmlosung an Bischof Müller ist gerechtfertigt. Das kann vielleicht rechtlich, aber nicht moralisch verjähren.“ Bei der derzeitigen Berichterstattung, weiß er aber nicht, was richtig und was falsch ist. „Vielleicht hat der Bruder von Ratzinger etwas mitbekommen, vielleicht ist es aber nur hochgepuscht worden.“ Schwierig sieht er auch, wie man in Zukunft so etwas verhindern kann. „Religion wird heutzutage gerne kritisiert. Das ist dann ein gefundenes Fressen. Die Kirche ist nicht das Problem, Priester arbeiten eben häufig mit Kindern zusammen. Eine psychologische Prüfung der Menschen, die mit Kindern zusammenarbeiten könnte helfen.“