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Beiträge mit Tag ‘Missbrauchsskandal’

Forschungsprojekt zu Missbrauch gescheitert

„Ein Vertrag mit der Kirche ist nichts wert“

Das Forschungsprojekt zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche ist gescheitert. Der von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragte Kriminologe erhebt schwere Vorwürfe gegen die Kirche. Offenbar wird dabei ein wesentliches Dilemma der Bischofskonferenz: Sie kann solche Forschungsaufträge nicht ernsthaft vergeben. Es steht jedem Bischof frei, sich zu verweigern. Und das Beispiel Regensburg macht deutlich: Hier wurde bislang nicht aufgeklärt, sondern Aufklärung verhindert. Ohne Rücksicht auf Verluste. Und ohne Konsequenzen.

"Jeder Bischof kann sich querstellen." Die Deutsche Bischofskonferenz (hier bei der Frühjahrstagung in Regensburg). Foto: Archiv/ Staudinger

“Jeder Bischof kann sich querstellen.” Die Deutsche Bischofskonferenz (hier bei der Frühjahrstagung in Regensburg). Foto: Archiv/ Staudinger

Aus und vorbei: Die vor eineinhalb Jahren groß angekündigte wissenschaftliche Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche ist vorerst gescheitert. Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat den entsprechenden Vertrag mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen am heutigen Mittwoch „aus wichtigem Grund und mit sofortiger Wirkung“ gekündigt. Man suche nun nach einem „neuen Vertragspartner“. Eine nähere Begründung wird nicht gegeben. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der DBK, spricht lediglich davon, dass das Vertrauensverhältnis mit Institutsleiter Dr. Christian Pfeiffer „zerrüttet“ sei. Das kann man wohl so ausdrücken. Pfeiffer sollte im Rahmen des bis 2014 laufenden Forschungsprojekts umfassende Aufarbeitung betreiben. In neun Bistümern sollten die Personalakten seit 1945, in den übrigen 18 seit dem Jahr 2000 ausgewertet werden. Doch es gab erhebliche Widerstände. Zunächst vom erzkonservativem „Netzwerk katholischer Priester“, das Ängste um den Datenschutz als Begründung vorschob. Gespräche, um diese Bedenken auszuräumen verliefen erfolglos.

Vorwürfe: Zensur, Aktenvernichtung, Schweigeverpflichtung

Am Dienstag machte Pfeiffer seinem Ärger öffentlich Luft. Gegenüber dem Deutschlandradio spricht er von Zensurversuchen, die im Rahmen eines neuen Vertrags unternommen worden seien. „Alle Texte hätten zuerst der Kirche zur Genehmigung vorgelegt werden müssen“, so der Kriminologe. Gegebenenfalls sollte demnach auch die Veröffentlichung untersagt werden können. Auch bei der Auswahl von Mitarbeitern habe die Kirche mitreden wollen. Darüber hinaus gebe es Hinweise, dass in mehreren Diözesen Akten vernichtet worden seien. „Im direkten Gespräch wurde mir das angekündigt, wenn wir nicht bereit sind, eine Schweigevereinbarung über all das, was hier gelaufen ist, zu unterzeichnen, dann würde es eben zur Kündigung kommen“, so Pfeiffer gegenüber dem Deutschlandradio.

Regensburger Version der Wahrheit

Der heftigste Gegenwind kam laut Pfeiffer insbesondere aus den Diözesen München und Regensburg. Das Bistum Regensburg hat dies – selbstverständlich – dementiert. Man sei nicht eigenmächtig aus dem Forschungsprojekt ausgestiegen, so Pressesprecher Clemens Neck gegenüber dem Bayerischen Rundfunk. Die Verantwortung trage die DBK. Eine recht eigenwillige Interpretation der Realität. Tatsächlich ist das Bistum Regensburg (im Verbund mit München und Dresden) Pfeiffer zufolge bereits Mitte 2012 aus dem Projekt ausgestiegen. Seitdem lag es auf Eis. Mehrere Mitarbeiter kündigten. Doch wie will die Diözese Regensburg eigentlich bei etwas aussteigen, in das sie niemals eingestiegen ist?

Regensburg: Kein Missbrauchsbericht

Ein Aufklärungs- oder Aufarbeitungswille war hier zu keiner Zeit zu erkennen. Und auch wenn man das Verhalten in anderen Diözesen ebenfalls kritisieren kann, so ist das Vorgehen der bislang Verantwortlichen in Regensburg beispiellos.

Wiegelte Missbrauchsopfer mit Serienbriefen ab: Michael Fuchs. Foto: Archiv/ Staudinger

Wiegelte Missbrauchsopfer mit Serienbriefen ab: Michael Fuchs. Foto: Archiv/ Staudinger

Einen Bericht zu den Missbrauchsfällen – so wie es in in fast allen anderen deutschen Bistümern gibt – wurde in Regensburg nie vorgelegt. Trotz gegenteiliger Ankündigungen. Ein „Zwischenbericht“ aus dem Jahr 2011, zu dessen Vorstellung nur handverlesene Medienvertreter geladen wurden (unter anderem die Nachrichtenagenturen dpa und dapd blieben außen vor), verdient diesen Namen nicht.

Regensburg: Serienbriefe und ein Rechtsanwalt

Es gibt keinen einzigen bekannte Fall, in dem die Diözese Regensburg Entschädigungen an Missbrauchsopfer gezahlt hätte, wie sie die Deutsche Bischofskonferenz vorsieht. Es ist auch nicht bekannt, ob die Diözese Regensburg auch nur einen Fall – so wie vorgesehen – jemals zur Prüfung an die DBK weitergeleitet hat. Stattdessen hat das Bistum Opfer, die sich an die Missbrauchsbeauftragte Dr. Birgit Böhm – eine seit Jahren bei der Kirche abhängig beschäftigte und damit alles andere als unabhängige Psychologin – gewandt hatten, via Serienbrief zu Lügnern gestempelt. Unter anderem heißt es darin:

„Wir konnten (…) Ihre Aussagen zur Frage eines sexuellen Missbrauchs nicht nachvollziehen. Eine Leistung in Anerkennung von erlittenem Leid erscheint vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.“

Verantwortlich für das Schreiben, das in mindestens zwei Fällen psychische Zusammenbrüche bei den Betroffenen ausgelöst hat, zeichnet Generalvikar Michael Fuchs. In Nürnberg hat die Diözese zudem einen Rechtsanwalt damit beauftragt, besonders hartnäckige Opfer unter bizarren Begründungen zu erklären, weshalb sexueller Missbrauch kein sexueller Missbrauch sein soll.

DBK lehnt Verantwortung ab

Die Deutsche Bischofskonferenz schweigt zu alledem. Verantwortlich für all dies sei allein die Diözese Regensburg. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, mit welcher Berechtigung die DBK glaubt, Forschungsaufträge zu vergeben, die die Mitarbeit aller Diözesen erfordern würden. „Ein Vertrag mit der Kirche ist nichts wert“, resümiert dazu Kriminologe Pfeiffer gegenüber dem ARD-Morgenmagazin. „Man muss mit jedem einzelnen Bischof einen Vertrag abschließen, weil jeder für sich genommen frei darin ist, sich trotz der Zusage seines Verbandes quer zu stellen.“ Pfeiffer will nun an seinem Institut in Eigenregie mit der Forschungsarbeit fortfahren und bittet Missbrauchsopfer, sich dort zu melden und anonymisierte Fragebögen zu beantworten.

Gegen das Totschweigen

Domspatzen gründen Missbrauchs-Archiv

Die Mauer des Schweigens in der Diözese Regensburg will eine Gruppe ehemaliger Domspatzen nun durchbrechen. Vergangenes Wochenende trafen sie sich im Altmühltal und brachten ein Archiv auf den Weg, in dem sie möglichst viele Fälle sexuellen Missbrauchs dokumentieren und veröffentlichen wollen. Dem eben nach Rom beförderten Gerhard Ludwig Müller bescheinigen sie: „Er hat es nicht mehr verdient, als ‘Seelsorger’ bezeichnet zu werden.“

Bischof Ackermann schreibt an Bischof Müller

„Dinge, die nachdenklich stimmen“

Der Umgang des Bistums Regensburg mit Missbrauchsopfern wird zunehmend innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz ein Thema. Der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann hat seinem Regensburger Amtskollegen nun einen Brief geschrieben. „Es gibt Dinge, die nachdenklich stimmen“, sagt er dazu gegenüber einer Trierer Zeitung.

Wie das Bistum Regensburg Missbrauchsopfer abfertigt

Demütigung in Serie

Die Bischofskonferenz tagt noch bis Donnerstag in Regensburg. Mit viel Pomp und frohen Botschaften. Unter dessen speist das Bistum Missbrauchsopfer per Serienbrief ab. regensburg-digital liegen mehrere wortgleiche Schreiben vor, in denen Betroffene zu Lügnern abgestempelt werden. Erschütternd ist der Fall eines 61jährigen, der zusammen mit der Missbrauchsbeauftragten der Diözese seinen einstigen Peiniger getroffen hat. Der bat ihn um Verzeihung. Die Diözese kann die Schilderungen des Mannes dennoch „nicht nachvollziehen“. Die Bischofskonferenz äußert sich zum Verhalten der Regensburger Diözese nicht.

ARD-Reportage am Donnerstag

„Regensburger Zustände“/ UPDATE: Link zum Online-Video

Fünf Tage war ein Fernsehteam der ARD in Regensburg unterwegs. Gut ein Jahr, nachdem die katholische Kirche angekündigt hat, Konsequenzen aus den Missbrauchssfällen zu ziehen, wollte man konkret erfahren, wie Opfern geholfen wurde. Das Ergebnis der Recherchen ist kommenden Donnerstag im ARD-Morgenmagazin zu sehen.

Briefe aus der Wagenburg

Diözese an Missbrauchsopfer: Wir bedauern, aber Sie lügen!

UPDATE am 25.02.12: Mittlerweile liegen uns weitere Schreiben der Diözese an Missbrauchsopfer vor. Sie haben alle denselben Wortlaut. Wir haben mehrere Anfragen an die Diözese und die Deutsche Bischofskonferenz gestellt. UPDATE ENDE

„Perfides Nachtreten.“ So nennt die Therapeutin eines Opfers von sexueller Gewalt ein Schreiben der Diözese Regensburg. In wohlgesetzten Worten wird der heute 63jährige Mann darin zum Lügner abgestempelt. Wenn er die Gründe wissen wolle, könne er sich ja an den Anwalt des Bistums wenden, schreibt ihm Generalvikar Michael Fuchs. Wir veröffentlichen den Brief im Original.

Bischof Müller verharmlost Missbrauchsskandal

Der Uneinsichtige meldet sich wieder zu Wort

Hinter den Spekulationen darüber, ob der Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller nun nach Rom „befördert“ wird oder nicht, geht es fast ein wenig unter: Müller hat sich – wieder einmal – zum Missbrauchsskandal geäußert. Seine Aussagen sind bemerkenswert. Bemerkenswert unverschämt.

In eigener Sache: Keine Revision zugelassen! Urteilsbegründung im Rechtsstreit mit Diözese Regensburg

Am 18. Oktober hat sich unsere Redaktion erfolgreich gegen einen Maulkorb der Diözese Regensburg verteidigt. Das Oberlandesgericht Hamburg gab unserer Berufungsklage in vollem Umfang recht und hob ein Unterlassungsurteil des Landgerichts Hamburg auf. Die Diözese Regensburg muss sämtliche Kosten des Rechtsstreits tragen. Seit letzter Woche liegt uns die schriftliche Begründung des Urteils vor.

„Ein System wie bei der Stasi“

Am kommenden Freitag ist der Theologe und Bestseller-Autor David Berger zu Gast in Regensburg. Mit seinem Buch „Der heilige Schein. Als schwuler Theologe in der katholischen Kirche“ beendete er seine Karriere innerhalb der katholischen Kirche und brachte (nicht nur) Hardliner auf die Palme. Der Umgang mit Homosexualität begünstigt die Vertuschung von sexuellem Missbrauch bei der katholischen Kirche, sagt Berger im Interview.

In eigener Sache: Kirchlicher Maulkorb aufgehoben!

Im Rechtsstreit mit der Diözese Regensburg hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg der Berufung unserer Redaktion heute in vollem Umfang stattgegeben (Az 7U 38/11). Damit dürfen wir nach eineinhalb Jahren Maulkorb wieder die Meinung vertreten, dass die Diözese Regensburg durch ihr Verhalten bei einem Missbrauchsfall in Viechtach 1999 wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Verbrechen eines Priesters nicht öffentlich wurden und er so später erneut einen Ministranten sexuell missbrauchen konnte.

In eigener Sache: Berufung im Rechtsstreit mit Diözese am 18. Oktober

Im Rechtsstreit zwischen der Diözese Regensburg und regensburg-digital findet am 18. Oktober, 12.15 Uhr, die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Hamburg statt (Sitzungssaal 210, Justizgebäude I, Sievekingplatz 2). Die Diözese hat unsere Redaktion im vergangenen Jahr wegen eines Kommentars zu ihrem Umgang mit Opfern von sexuellem Missbrauch verklagt. Konkret geht es um den “Fall Riekofen”. Das Landgericht Hamburg hat dieser Klage am 11. März 2011 stattgegeben. Wir haben dagegen Berufung eingelegt. Am kommenden Dienstag findet nun die mündliche Verhandlung statt.

Bischöfliche (K)lagebewertung: Missbrauchsopfer sind bestürzt

Eine Stellungnahme, die das bischöfliche Ordinariat Regensburg gegenüber der Bayerischen Staatszeitung abgegeben hat, sorgt für Bestürzung und Wut bei Missbrauchsopfern. Es geht um ein Buch, in dem Betroffene von sexuellem Missbrauch ihre Geschichte erzählen. Folgt man dem Bericht, schließt das Ordinariat eine Klage dagegen nicht aus. Alles hängt offenbar davon ab, welche Öffentlichkeit das Buch erreicht.

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