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Turbostaat in der Alten Mälzerei

Von Regensburg nach Abalonia

Die Flensburger Punkband Turbostaat ist gerade auf ihrer Auf-Nach-Abalonia-Tour und machte dabei am Dienstag Station in der Alten Mälzerei in Regensburg. Eine Konzertkritik.

Turbostaat in Regensburg. Foto: om

Turbostaat in Regensburg. Foto: om

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„…schließlich, wo [die Landschaft] auf einmal wieder öd geworden war und grau und fade, war Regensburg“. Thomas Bernhard schrieb einst diese unverschämten Worte, die geradezu ein Affront sind gegen die Schönheit dieser Stadt, die der hiesige Oberbürgermeister (gefühlt) in jedem zweiten Satz hervorhebt und Christian Hanika engelsgleich besingt. Gegen Abalonia hingegen wäre diese Beschreibung vermutlich kein Affront, ja noch nicht einmal eine schelmische Grantigkeit. Diesen Ort muss man sich genau so vorstellen. Oder besser gesagt: Den Ort von dem aus man nach Abalonia zieht.

 Trüb und grau – von Regensburg nach Abalonia

Turbostaat sind auf ihrer gerade stattfindenden Tour auf dem Weg nach Abalonia und machten dabei auch in der Alten Mälzerei Halt. Abalonia – so viel sollte man spätestens jetzt dazu schon sagen – ist nicht nur der Titel des aktuellen (Konzept-)Albums der dieser Tage wahrscheinlich relevantesten deutschsprachigen Punkband, sondern vor allem ein geheimnisvoller Ort voller Sehnsucht, Verheißung und Enttäuschung zugleich.

Ein unerreichtes und unerreichbares Etwas, zu dem es die die Albumprotagonistin Semona unweigerlich zieht. Denn hier ist „ein trüber Ort / Die Kreuze thronen hier / Der ganze Spott schrammt doch vorbei“ (Abalonia) und „es ist viel grauer als Du denkst“ (Wolter). Abalonia verspricht Zuflucht.

Zitat aus dem Turbostaat-Song Vormann Leiss am Grieser Spitz. Foto: om

Zitat aus dem Turbostaat-Song Vormann Leiss am Grieser Spitz. Foto: om

Und auch in Regensburg stehen Kreuze und hängt die graue Nebelsuppe über der Donau. Zwei Tage haben Turbostaat hier verbracht, am Montag aus Pfarrkirchen kommend einen Tour-Day-Off „genossen“ und am Dienstagabend ein fantastisches Konzert gespielt. Na ja, fairerweise sollte man schon erwähnen, dass es den Flensburgern hier schon einigermaßen zu gefallen scheint.

Auch 2013 auf der Tour mit der Vorgängerplatte Stadt Der Angst fiel ein Day Off bereits auf Regensburg. Nicht umsonst haben sie einen ihrer besten Songs nach dem Sänger der Regensburger Band Zwei Tage : Ohne Schnupftabak benannt. Auch sind Turbostaat mancherorts in der Stadt in Form von Streetart (respektive Vandalismus!!!) verewigt. Aber das alles nur am Rande, denn eigentlich soll dieser Text ja vom besagten Konzert handeln.

Allegorischer Abgesang auf den Punkrock

Die anfangs allenfalls spärlich besetzte Mälze erlebt zunächst mit Schubsen aus Nürnberg einen reizvollen und überaus würdigen Support. Widerborstiger Postpunk, der sich beim Vorbeischrammen am Dark Wave nicht nur leichte Blessuren holt.

Support: Schubsen. Foto: om.

Support: Schubsen. Foto: om.

Turbostaat nun demonstrieren einmal mehr vorzüglich wie sich deutschsprachiger Punkrock hätte entwickeln können, wenn er denn gewollt hätte. Sie präsentieren einen allegorischen Abgesang auf ein festgefahrenes Genre, das kaum mehr Gewichtiges hervorbringen kann. Und das ist durchaus wörtlich zu nehmen.

Jan Windmeier rotzt mit seiner unverkennbar kehligen Stimme Marten Ebsens kryptische und schroffe Lyrik eindringlich herunter, als wollte er fortwährend etwas von sich stoßen. Turbostaats Flucht aus dem Punkrock liegt textlich im schemenhaft Angedeuteten und musikalisch in der melancholischen Schwere zerfallen(d)er Hymnen, die den Drei-Akkord-Punk nicht einmal mehr erahnen lassen. Das Ganze begleitet das unprätentiös und fast trotzig unvirtuose, aber intensive Schlagzeugstampfen Peter Carstens’.

Turbostaats Sänger Jan Windmeier. Foto: om.

Turbostaats Sänger Jan Windmeier. Foto: om.

Von Regensburg nach Abalonia

Als wäre das alles nicht schon großartig genug, gelingt Turbostaat ein energischer Ritt durch die sechs Alben der Band-Diskographie, die elegische Zurückhaltung genauso kennt wie dosierte, aber wuchtige Ausbrüche. Der Songfundus, der der Band zur Verfügung steht, ist ohnehin bemerkenswert gut und die einzige Schwierigkeit liegt in der passenden Auswahl und der damit aufrechtzuerhaltenden Bühnendramaturgie.

Und auch das – man kann es ahnen – gelingt Turbostaat vortrefflich und zwar bis zum Ende. Und Schluss ist erst, als sie sich letztlich von Regensburg kommend in Abalonia einfinden. Danach kann nichts mehr kommen. Chapeau!

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