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Archiv für 11. Februar 2011

Seit zehn Jahren besteht das „Netz für Paare“ in Regensburg, ein ehrenamtlicher Zusammenschluss von Fachleuten im Bereich Paarberatung. Wie es in Regensburg um die Liebe bestellt ist, und wo die Grenzen ehrenamtlicher Arbeit liegen, erklären Stefan Thiel und Eva Tillmetz vom Netz. Sie ziehen zum Jubiläum eine Bilanz. Guten Tag Herr Thiel und Frau Tillmetz. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Wie sieht die Zwischenbilanz aus nach zehn Jahren Arbeit am gebrochenen Herzen? Bei unserer Arbeit geht es nicht nur um die Reparatur von gebrochenen Herzen. Wir unterstützen unsere Klienten auch darin, dass es erst gar nicht so weit kommt. Wie man die Liebe pflegen und hegen kann. Und hier kann sich unsere Bilanz durchaus sehen lassen. Sowohl die Zahl der Mitglieder, die sich im Netz für Paare engagieren, ist gestiegen, sowie die Angebote, die Paaren und auch Singles zugute kommen. Beispielsweise haben wir inzwischen sechs Mal die „Regensburger Partnerschaftstage“ in Kooperation mit den kirchlichen Bildungswerken und der Stadt Regensburg erfolgreich durchgeführt. Und als „Netz für Paare“ bieten wir regelmäßig Seminare, Workshops und Vorträge für alle Frauen und Männer an. Also nun auch „Nachhaltigkeit“ in der Paarbeziehung? Geht der Trend da hin? Nicht nur die Nachfrage nach Partnerschaftstherapien ist gestiegen, auch die anderen Angebote, wie z. B. Verbesserung der Kommunikation, Verbesserung der Erziehungskompetenz und auch sogenannte Wohlfühlkurse für Paare haben einen Nachfrageschub erfahren. Es zeigt sich, dass sich immer mehr Menschen für ihre persönliche Entwicklung und eine glückliche Paarbeziehung engagieren. Wie ist Ihr Klientel sozial strukturiert? Ist die Arbeit an der Partnerschaft nur was für Akademiker? Grundsätzlich kann man sagen, dass das Klientel aus allen sozialen Schichten kommt. Wobei die Mittelschicht in den Seminaren doch eher überrepräsentiert ist. Sie sagten für „alle Männer und Frauen“. Das Netz bezieht auch homosexuelle und bikulturelle Partnerschaften mit ein? Ja, natürlich. Auch für homosexuelle Paare ist Partnerschaft ein wichtiger Teil ihres Lebens, bei dem es auch zu Problemen und Konflikten kommen kann. Unsere Angebote sind auch für Schwule und Lesben gleichermaßen hilfreich. Die meisten Kurse sprechen ja schon eher die Frau-Mann-Partnerschaft an. Wie wichtig ist in den zehn Jahren Netzwerk die Beratung für gleichgeschlechtliche Paare geworden? In den letzten Jahren ist der Trend zu beobachten, dass sich gleichgeschlechtliche Paare auch öffentlich mehr zu ihrer Partnerschaft bekennen. Für immer mehr gleichgeschlechtliche Paare ist es selbstverständlich geworden, sich um eine gute Partnerschaft zu bemühen und entsprechende Unterstützungsangebote wahrzunehmen. Welche besonderen Probleme können bei bikulturellen Partnerschaften auftreten und wie helfen Sie? Zu den „normalen“ Entwicklungsprozessen, die jedes Paar vollzieht, nämlich die Ent-Täuschung, also das Abnehmen der rosaroten Brille und Realisieren, dass der Partner viele Eigenheiten hat, gesellen sich in bikulturellen Partnerschaften noch weitere Differenzen, die mit dem unterschiedlichen kulturellen Lebenshintergrund der Partner zu tun haben: unterschiedliche Werte, Lebenskonzepte, Erziehungsziele, Lebensziele usw. Ein wichtiger Lösungsansatz besteht darin, die Kultur des Partners besser kennen und im nächsten Schritt verstehen zu lernen. Dabei kann professionelle Beratung und Vermittlung sehr hilfreich sein. Das Netz ist eine ehrenamtliche Initiative. Wo sind die Grenzen bei dieser Arbeit? Wir haben die ersten acht Jahre sehr intensiv gearbeitet und über sechs Jahre die Regensburger Partnerschaftstage organisiert. Das war die Grenze dessen, was man ehrenamtlich leisten kann. Dann haben wir ein Sabbatjahr eingelegt – eine Ruhepause war einfach nötig. Jetzt ist wieder neue Kraft da, aber wir merken, dass das, was wir für die Gesellschaft leisten wollen, mit den bisherigen Mitteln nicht möglich ist. Das Netz muss sich dringend um finanzielle Mittel bemühen. Wir brauchen Sponsoren, Stiftungsgelder oder EU-Mittel, um in Zukunft auf die rasante Entwicklung, die sich im Lebensbereich Partnerschaft vollzieht, hinzuweisen und mehr Öffentlichkeitsarbeit durchführen zu können. Wie sehen Sie in Regensburg die Voraussetzungen für eine gute Partnerschaft nach dem Motto „Vater, Mutter, Kind“? Nach wie vor gibt es eine große Sehnsucht danach, als Familie zusammenzuleben. Doch auch bei uns in Regensburg sind die Scheidungsraten sehr hoch, Patchworkfamilien werden immer mehr. Es ist eine große Herausforderung für ein Paar als Patchworkfamilie zu leben. Auch die veränderte Berufswelt fordert Paare enorm. Paare benötigen genügend Unterstützung, z. B. wenn beide Eltern wieder arbeiten. Deshalb muss in Regensburg gerade dieses Unterstützungsnetz für Paare und Familien gepflegt und weiter ausgebaut werden. Und hier gibt es sicherlich noch viele Herausforderungen zu meistern. Regensburg ist die Singlehauptstadt 2011 und seit kurzem bietet das Netz auch Single-Workshops an. Wie muss man sich dieses „Single-Training“ vorstellen? Gerade bietet unsere Kollegin im Netz, Dorothea Weber, einen solchen Single-Workshop an. Dabei steht natürlich die eigene Persönlichkeitsentwicklung im Vordergrund: Wer bin ich? Wie präsentiere ich mich? Welches Bild habe ich von einem Partner und von Partnerschaft? Welche Menschen tun mir gut? Der Trend bei der Partnersuche geht ja immer mehr in Richtung Internet und Partnerbörsen. Von Anfang an zum Scheitern verurteilt? Das kann man so pauschal nicht sagen. Der Vorteil ist sicher der, dass man heute viel mehr Möglichkeiten hat, einen Partner kennenzulernen. Das Internet nimmt mir auch die Angst, mich jemand anderen persönlich auszusetzen. Ich kann in meiner Phantasiewelt eine perfekte Beziehung führen. Ein weiterer Gesichtspunkt ist der, dass das Internet zu einer gewissen Beliebigkeit führt. Wenn ich mich mit einem Partner nicht mehr verstehe, dann trenne ich mich halt gleich wieder und suche mir den nächsten im www. Ist das ein Spiegelbild unserer Gesellschaft – eine Kommunikationsgesellschaft, die das Flirten verlernt hat? Natürlich ist das ein Spiegelbild unserer Gesellschaft. Aufgrund der vorhandenen Medien und der Vielfältigkeit der Angebote, haben wir heute viel mehr Möglichkeiten als früher. Das kann sowohl Fluch, als auch Segen sein, je nachdem was der einzelne daraus macht. Aber im realen Leben mit einer anderen Person zu flirten ist natürlich immer noch am schönsten. Was bringen die nächsten zehn Jahre? Auf welche Veränderungen wird sich das Netz einstellen müssen? Paarbeziehungen werden immer kurzlebiger und verletzlicher durch die Flexibilisierung in unserer Gesellschaft. Traditionelle Strukturen lösen sich immer mehr auf. Deshalb benötigen Paare mehr Unterstützung als früher. Auch um eine eigene (Über-)Lebensform für die eigene Familie zu finden. Damit sie zumindest so lange aufrechterhalten werden kann, dass sich die Kinder wohl fühlen und sich gut entwickeln können. Das wird ein wichtiges Thema für die Zukunft sein. Außerdem ist es eine wichtige Aufgabe des Netzes, auf aktuelle gesellschaftliche Veränderungen (veränderte Werte, neue Rollenverteilungen, usw.) hinzuweisen, Diskussionen anzuregen und Lösungsmöglichkeiten hierfür entwickeln zu helfen.

Das Netz für Paare

Im Netz für Paare arbeiten seit zehn Jahren Coaches, Eheberater, Therapeutinnen, Heilpraktikerinnen, Rechtsanwälte usw. ehrenamtlich zusammen. Sie kommen aus freien Praxen sowie aus Beratungsstellen in der Stadt und im Landkreis. Das Netz für Paare ist eine multiprofessionelle und überkonfessionelle Institution. Diese Art von Zusammenschluss unterschiedlicher Fachleute, die ehrenamtlich und partnerschaftlich zu diesem Zweck zusammenarbeiten, ist in Deutschland einzigartig. Dieses Jahr feiert das Netz, das unter anderem auch die Regensburger Partnerschaftstage initiiert, seinen 10. Geburtstag. Zum Valentinstag, am 14. Februar, bringt es seine überarbeitete Broschüre, den „Wegbegleiter“, neu heraus und verteilt ihn zwischen 11 und 13 Uhr am Neupfarr-Platz.
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