23 Feb2011
Verantwortung wollte am Dienstag niemand übernehmen. Bei der Sitzung des Bau- und Vergabeausschusses zur Turnhallen-Affäre legte die Stadtverwaltung zwar einen vielversprechenden Maßnahmen-Katalog vor (am Ende des Textes). Den Versuch, verloren gegangenes Vertrauen wiederzugewinnen, darf man aber als weitgehend gescheitert bezeichnen. „Ich fühle mich trotz all der Ausführungen in keiner Weise aufgeklärt“, so Grünen-Stadtrat Jürgen Huber gegen Ende der Sitzung. „Es ist immer noch so, dass das Vertrauen nicht wiederhergestellt wurde.“
Fehler hat (fast) keiner gemacht
Fehler gestanden am Dienstag lediglich zwei Beteiligte ein: Schulleiter Franz Feldmeier räumte ein, dass er sich wegen Beschwerden von Schülern und Lehrkräften früher – und nicht erst am 30. November – an die Stadt hätte wenden sollen. „Ich denke, das hätte man nicht ernst genommen.“ Der Chef des Hochbauamts, Michael Hermann, erklärte, dass es sich im Nachhinein als Fehler herausgestellt habe, dass Messergebnis vom 16. Dezember (171 Mikrogramm) nicht zu veröffentlichen. Das war es aber auch schon. Dass man die Halle erst am 3. Februar und nicht schon früher gesperrt habe, versuchte der Leiter des Amts für Arbeitssicherheit, Egon Reichsthaler, damit zu erklären, dass man erst bei einer Elternversammlung am 27. Januar erfahren habe, dass es Beschwerden gebe, die über Kopfschmerzen und unangenehmen Geruch hinausgingen.Herumeiern bei Messung „mit Schönheitsfehler“
Keine überzeugende Antwort gab es auf die Frage, weshalb die Stadt ein eigentlich unbrauchbares – weil bei zu niedriger Temperatur gemessenes – Ergebnis vom 3. Januar (87 Mikrogramm) veröffentlichte, um gegenüber der Öffentlichkeit zu erklären, dass die Luftqualität in der Halle in Ordnung sei. Hochgerechnet auf die betriebsüblichen Bedingungen in der Halle wäre der zulässige Leitwert (120) erreicht worden. Michael Hermann verwies auf das Messbüro Analytik Aurachtal, das die zu niedrige Temperatur „nicht moniert und nicht kritisiert“ habe. Ähnlich argumentiert der städtische Sicherheitsingenieur Ralph Schweiger. „Ich gehe davon aus, dass wir ein Sachverständigen-Büro haben, das weiß, was es macht.“ Der von Analytik Aurachtal anwesende Gutachter, Dr. Thomas Wirkner, gab die Verantwortung an die Stadt zurück: Sein Labor sei davon ausgegangen, dass die Messung zu den vorgefundenen Bedingungen erwünscht gewesen sei. „Ich gehe davon aus, dass unser Probenehmer davon ausgegangen ist, dass die Temperatur nicht verändert werden konnte“, so Wirkner. Ob man das Messergebnis nun hochrechnen könne oder nicht? Dazu gab es, je nach Bedarf, unterschiedliche Einschätzungen von Schweiger (ja), Wirkner (keine klare Aussage), Hermann (nein) und Reichsthaler (unter Umständen). Dieses Herumeiern stieß auf merklichen Widerspruch von Stadtrat Norbert Hartl, der mehrfach dazwischen fragte und deshalb immer wieder von Sitzungsleiter Joachim Wolbergs ermahnt wurde.Gutachter: Messung „absolut unbrauchbar“
Unter der Hand haben unserer Redaktion zwei andere Gutachterbüros bestätigt, dass eine Messung bei 14 Grad „absolut unbrauchbar“ sei. „Es fehlt am Problembewusstsein. Woanders wird gehandelt, wenn Messungen den Leitwert nur annähernd erreichen und nicht erst dann, wenn er überschritten wird.“ Egon Reichsthaler, unter anderem zuständig für Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz, erklärt dagegen am Dienstag, dass die Messung vom 3. Januar unter „worst case“-Bedingungen (mit Bezug auf die Lüftung) mit dem „Schönheitsfehler“ der zu niedrigen Temperatur stattgefunden habe.Warum das Messverbot für Lehrer?
Ebenfalls keine Antwort gab es auf die von Stadtrat Joachim Graf (ödp) gestellte Frage, weshalb die Stadt eine Messung, die Lehrkräfte in Auftrag geben wollten, mit der Androhung juristischer Schritte unterbunden hat. Auch das ist keine vertrauensstiftende Maßnahme.Dömges im Visier
Als Hauptschuldigen hat man das Architekturbüro Dömges AG ausgemacht. Norbert Hartl verwies auf die vielfältigen Probleme, die es bei der Turnhalle von Anfang an gegeben habe. Verzögerungen beim Bau, fehlende Motoren bei der Hallenlüftung, dann Motoren, die binnen kürzester Zeit kaputt gingen, Platten mit zu hohen Formaldehyd-Werten und nun ein durch die Stadt nachgerüstetes Lüftungssystem, dessen Funktionstüchtigkeit erst durch die Fraunhofer-Gesellschaft belegt werden muss. „Wir haben sechs Turnhallen, die von der Stadt selbst gebaut wurden, die alle diese Probleme nicht haben“, so Hartl.Dömges-Vorstand Thomas Eckert wies – wie schon in der Vergangenheit – sämtliche Vorwürfe von sich. Die Lüftung funktioniere korrekt, man wisse nicht, wo sich eine weitere Formaldehyd-Quelle befinden könnte. Ohnehin sei man weder von der Stadt noch von der Schule selbst jemals mit irgendwelchen Vorwürfen konfrontiert worden. Eine Aussage, die auf deutlichen Widerspruch von Michel Hermann stieß, der unter anderem auf einen umfangreichen Schriftwechsel in Zusammenhang mit der Lüftung verwies. Hier dürften bereits, das klang durch, die Vorbereitungen für anstehende Schadenersatzprozesse laufen. Das mehrfach wiederholte Angebot Eckerts „Wir tun alles, um unterstützend zu helfen“ wurde von Planungsreferentin Christine Schimpfermann scharf kritisiert. „Unterstützend zu helfen ist zu wenig bei einem Bauwerk, das Sie selbst geplant und gebaut haben. Sie müssen aktiv etwas tun.“ Eine Aussage, die auch der Vorstandsvorsitzende der Dömges AG, Thomas Fischer, auf der gut gefüllten Besuchertribüne zur Kenntnis genommen haben dürfte. Mehrfach besprach sich Fischer am Rande der Sitzung mit Thomas Eckert.
„Jeder, der guten Willens ist…“
„Ich glaube, dass jeder, der guten Willens ist, aus der heutigen Sitzung mitnehmen kann, dass sich viele bemüht haben“, so Joachim Wolbergs am Ende. Er sei der Ãœberzeugung, dass „hier niemand etwas verschleiern oder jemanden hinters Licht führen wollte.“ Der zehn Punkte umfassende Maßnahmenkatalog dürfte dafür sorgen, dass diese Ãœberzeugung zumindest in Zukunft der Realität entspricht: 1. Die Turnhalle und die angrenzenden Räume werden in Messreihen zu unterschiedlichen Bedingungen untersucht. Die Messungen sollen Ende nächster Woche abgeschlossen sein. 2. In den Musikräumen des Goethe-Gymnasiums – auch dort gab es Beschwerden – wird ebenfalls gemessen. 3. Das Lüftungssystem wird weiter überarbeitet. Anschließend wird die Fraunhofer-Gesellschaft die Funktionstüchtigkeit überprüfen. 4. Es werden weitere Feststoffproben genommen; alle Materialien, die überhöhte Werte aufweisen werden ausgetauscht. 5. Alle Schritte werden mit dem staatlichen Gesundheitsamt abgestimmt. 6. Schulleitung und Elternbeiratsvorsitzende erhalten Akteneinsicht. Ebenso die Vorsitzenden der Stadtratsfraktionen. 7. Schulleitung und Elternbeiratsvorsitzende werden laufend informiert. 8. Die Sperrung bleibt aufrecht, bis alle Messungen und Maßnahmen abgeschlossen sind. 9. Die Abiturprüfungen werden nicht in der Goethe-Halle stattfinden. Es wird eine Ausweichhalle organisiert. 10. Wie und ob Beweise gesichert werden ist bislang noch nicht geklärt. Ebenso wird die Frage der Schadensregulierung erst noch geklärt werden müssen.„Messprotokolle legen wir nicht öffentlich aus. Eine Weitergabe an die Medien käme ja dem gleich. Allerdings hat der Oberbürgermeister dem Schulleiter und der Elternbeiratsvorsitzenden zugesagt, dass sie Einsicht in die Messunterlagen erhalten und diese auch durch den Sicherheitsingenieur und den Leiter des Hochbauamtes erläutert werden. Im Rahmen einer Besprechung werden auch die Fraktionsvorsitzenden in gleicher Ausführlichkeit informiert, indem die Messprotokolle aufgelegt und erklärt werden. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir Ihnen die Baupläne und die Details und Berechnungen für die Lüftungsablage nicht zusenden, auch nicht für die Heizungsanlage. Das alles sind sehr umfangreiche Unterlagen, die für Fachleute von Interesse sein können, die wir aber ‘mit Details und Berechnungen’ für eine Berichterstattung zum Thema ‘Schadstoffbelastung der Turnhalle im Goethe-Gymnasium’ nicht für relevant halten. Es ist aber selbstverständlich, dass wir Ihnen zu konkreten Fragen die geforderten Auskünfte geben, die Sie für Ihre Berichterstattung benötigen“.
Antwort der Stadt Regensburg auf eine Anfrage unserer Redaktion mit der Bitte um Einsicht in Messprotokolle und weitere Unterlagen, die mit der Turnhalle in Zusammenhang stehen.