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Gastbeitrag: „Selbst eingeräumtes Geheimhaltungsrecht“

"Gesetze, um die Informationsfreiheit einzuschränken". ödp-Mitglied Hermann Striedl rechnet mit der Informationspolitik in Deutschland und Regensburg ab. Foto: Archiv

Eine Informationsfreiheitssatzung für Regensburg steht offenbar kurz bevor. Wird damit alles transparenter? Wird dadurch Korruption verhindert? Werden dadurch tatsächlich die Rechte der Bürger gestärkt? Mitnichten, sagt Hermann Striedl. In seinem Gastbeitrag für regensburg-digital.de rechnet der pensionierte Richter mit der Informationspolitik in Deutschland im Allgemeinen und Regensburg im Speziellen ab. Striedl, Jahrgang 1938, ist Mitglied der ödp. Dort ist er Leiter des Bundesarbeitskreises Demokratie und Mitglied der Programmkommission.

Keine Kehrtwende

Regensburg soll nach mehreren – von der Stadtratsmehrheit immer wieder abgelehnten – Anträgen der Oppositionsparteien nunmehr doch eine Informationsfreiheitssatzung erhalten. Diesmal hat den Antrag die Stadtratsmehrheit aus CSU und SPD eingereicht, so dass zu erwarten ist, dass dieser Antrag angenommen wird. Bedeutet dies eine Kehrtwendung der Öffentlichkeitspolitik der Stadt Regensburg? Mitnichten!

Ein Nachgeben, um sich nicht lächerlich zu machen

Tatsächlich erlässt Regensburg diese Satzung, da nach Vorgabe der EU ein „Recht auf eine gute Verwaltung“ und ein „Recht auf Zugang zu Dokumenten“ postuliert wird. Nachdem von der EU ein „Umweltinformationsgesetz“ geschaffen wurde, nachdem durch die EU für Deutschland ein Informationsfreiheitsgesetz erzwungen wurde, nachdem mehr und mehr Bundesländer und Kommunen sich gezwungen sahen, entsprechende Vorschriften zu erlassen, gibt auch die Stadt Regensburg oder vielmehr die Stadtratsmehrheit nach. Dies entspricht nicht einer besseren demokratischen Einsicht des Oberbürgermeisters und seiner Stadtratsmehrheit. Das Nachgeben ist erforderlich, um Regensburg nicht lächerlich zu machen, um von Verfassungsgerichten keine schallende Ohrfeige zu erhalten.

Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes

Schon 1975 betonte das Bundesverfassungsgericht: „Die parlamentarische Demokratie basiert auf dem Vertrauen des Volkes; Vertrauen ohne Transparenz, die erlaubt, zu verfolgen, was politisch geschieht, ist nicht möglich.“ Im selben Urteil hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass die Kontrolle durch die Öffentlichkeit die einzig wirksame Kontrolle ist. Transparency International und eine Anzahl von Fachautoren weisen darauf hin, dass gerade in der deutschen Gesellschaft größtmögliche Transparenz zu fordern ist, um die Verwaltung zu kontrollieren und die besonders auch in Deutschland grassierende Korruption zu bekämpfen.

Deutschland: Bei der Korruption im Mittelfeld

Deutschland nimmt nach Untersuchung von Transparency International bei den korrupten Ländern einen Mittelplatz ein, während in den skandinavischen Ländern infolge größtmöglicher Transparenz Korruption viel seltener vorkommt. Trotz dieser Erkenntnisse, trotz der unglaublichen Korruptionsskandale vor allem in Kommunen gilt in Deutschland nach wie vor das Prinzip einer von der Öffentlichkeit abgeschirmten Verwaltung. Nachdem man sich hauptsächlich durch den Druck der EU gezwungen sah, Informationsfreiheitsvorschriften zu erlassen, war die Politik von Anfang bemüht, Gesetze zu erlassen, durch die die Informationsfreiheit möglichst eingeschränkt wird. In hehren Worten wird zwar verkündet, dass Informationsfreiheitsvorschriften dazu dienen, Wissen und Handeln öffentlicher Stellen der Allgemeinheit zugänglich zu machen, um die demokratische Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle des staatlichen Handelns zu ermöglichen. Aber schon im Informationsfreiheitsgesetz des Bundes versagt das Gesetz einen Informationsanspruch bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen.

Einschränkung bleibt

Noch deutlicher ist die Einschränkung der Informationsfreiheit im Entwurf der Informationsfreiheitssatzung der Stadt Regensburg, der folgende Einschränkung enthält:
Kein Informationsanspruch besteht, 1. wenn die Informationen gesetzlich oder vertraglich geheim zu halten sind, 2. wenn es sich bei den Informationen um Geheimnisse Dritter, insbesondere nach den jeweils gültigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen um personenbezogene Daten handelt, 3. wenn es sich um Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse handelt, 4. wenn es sich um Entwürfe, Notizen, vorbereitende Stellungnahmen, Protokolle vertraulicher Beratungen u. ä. handelt, 5. wenn die Preisgabe der Informationen gerichtliche oder behördliche Verfahrensabläufe oder den behördlichen Entscheidungsbildungsprozess gefährden könnte oder 6.wenn der Schutz geistigen Eigentums entgegensteht.

Soll so Korruption aufgeklärt werden?

Man überlege, wie Korruption aufgeklärt werden soll, wenn die Stadt mit einem Vertragspartner Stillschweigen vereinbart, wenn es sich um Geheimnisse Dritter handelt (wer bestimmt, was Geheimnisse Dritter sind?), wenn Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse berührt werden (wer bestimmt, was Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind?) Wie soll die Einbindung von Bürgern in die Entscheidungsfindungen möglich sein, wenn die Bürger keine Auskunft über Entwürfe und vorbereitende Stellungnahmen erhalten? Nirgends ist eine Abwägung zwischen dem aus Art.20 Grundgesetz folgendem Transparenzgebot und den Geheimhaltungsrechten Dritter vorgesehen. Nur eine Anmerkung: Wer mit der Stadt Verträge abschließt, weiß von vorneherein, dass die Stadt zur Transparenz verpflichtet ist. Dasselbe gilt für einen Bewerber um ein öffentliches Amt. Es ist zwar begrüßenswert, dass eine Informationsfreiheitssatzung beschlossen wird, wenigstens wird ein allgemeines Informationsrecht der Bürger anerkannt. Auch hat der Bürger das Recht, von Beschlüssen der Stadt unterrichtet zu werden. Nach langem Kampf ein Minimum.

Das Verfassungsgericht muss klären

Aber in Wirklichkeit wird sich die Stadt, beziehungsweise die Stadtspitze wie bisher verhalten: Sie wird bei gesellschaftlich interessierenden Angelegenheiten auf ein selbst eingeräumtes Geheimhaltungsrecht verweisen. Sie wird auch weiterhin den Bürgern ein Mitwirkungsrecht an der Entscheidungsfindung verweigern. Stadtratssitzungen werden auch weiterhin bei interessanten Fällen nichtöffentlich sein. Stadtratsmitglieder werden auch weiterhin auf Fragen unter Berufung auf die Geschäftsordnung keine Auskunft erhalten. Es wird deshalb dabei bleiben, dass gerichtlich, insbesondere verfassungsgerichtlich geklärt werden muss, welche Auskunftsrechte der Bürger, die Presse, die Stadtratsmitglieder gegenüber der Stadt, beziehungsweise gegenüber einem sich allmächtig fühlenden Oberbürgermeister haben.
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Kommentare (2)

  • Veits M.

    |

    Im Widerspruch zum abgeleisteten Eid der Stadtratsmitglieder bestimmen mehrheitlich Gleichgültigkeit und Feigheit das Hohe Haus. Denn sonst wäre das vom RiLG a.D. Striedl angesprochene Verfahren durch die Instanzen längst in die Wege geleitet worden (Man erinnere sich an den Millionen-Deal-am Donaumarkt, dessen Unrecht sich Jahr für Jahr vertieft – gerne hinter verschlossenen Türen). Diese organisierte Verantwortungslosigkeit wird spätestens dann enden, wenn der Qualitätsjournalismus wieder Boden gutmacht und die anti-demokatischen Verhältnisse in der Domstadt offenlegt. Solange herrscht autokratisch eine Kultur des Wegsehens.

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