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Tiefpunkt der Kultur

„Aufbruch 2010 – wie wird die Zukunft?“ Eigentlich will Jürgen Huber am Montag nur das Programm zu dieser Tagung vorstellen, die am Freitag und Samstag im Kunstverein Graz stattfindet (hier die Übersicht). Es ist aber auch eine kleine Abrechnung mit der Regensburger Kulturpolitik im Allgemeinen und dem städtischen Jahresprogramm für 2010, das just unter dem Motto „…10 Aufbruch“ steht.

„Regensburg wollte einmal Kulturhauptstadt 2010 werden“, erinnert sich Huber. „Schaut man sich das Jahr 2010 aber an, sind wir am kulturellen Tiefpunkt angelangt.“ Dabei klingt er weniger verärgert als resigniert. Seit der letzten Kommunalwahl ist Huber nicht mehr nur Künstler und Vorsitzender im Graz, sondern auch noch Stadtrat. Geht das zusammen?

Ja, glaubt Huber. „Wir wollen die Regensburger Kultur aufmischen, auch mit Politik.“ Entsprechend gehen Politik, Philosophie und Kultur bei der Tagung, die am Freitag (20.30 Uhr) mit einer Lesung von Anna Tüne eingeleitet wird, ineinander über. Es liest sich wie spannender Kontrapunkt zum offiziellen Regensburger Nostalgie-Erinnerungs-Brei.

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„Konservativ und klerikal orientiert“

Aber es muss frustrierend für Huber sein, wenn man im Graz am Wochenende unter dem Motto Aufbruch mit einem Hochkaräter wie Rolf Uesseler darüber diskutiert, wie Demokratie immer neu aufgemischt, erstritten und verändert werden muss, um lebendig zu bleiben, während er im Regensburger Stadtrat einen Oberbürgermeister erlebt, der ein autoritäres Regiment führt, Kritiker gern als Querulanten abqualifiziert und – bei aller Kritik an Klemens Unger – der Hauptverantwortliche für die Regensburger Kulturpolitik ist, die er einst zur „Chefsache“ erklärt hat.

Es muss bitter sein, wenn am Samstag im Graz Säm Wagner und Achim Bogdan (Zündfunk) über Popmusik und Plattenlabels diskutieren, während die ehemals zahlreichen Regensburger Plattenlabels der Stadt entmutigt den Rücken kehren.

Und es muss ernüchtern, wenn Penka Angelova, Präsidentin der Elias Canetti-Gesellschaft eigens aus Russland anreist, um im Graz über individuelle und kulturelle Freiheit zu diskutieren, während ein Regensburger Kulturreferent die Versetzung eines Monarchen-Denkmals unter das Jahresmotto Aufbruch stellt.

„Die Stadt macht eine Rückschau und nennt das Aufbruch“, ärgert sich Huber. „Konservativ, rückwärtsgewandt und klerikal orientiert“ sind die Etiketten, mit denen er einen Großteil des städtischen Programms versieht.

Da passt es wie die Faust aufs Auge, das just im letzten Jahr einer der drei Kulturförderpreise – als Ansporn für junge Künstler gedacht – gestrichen wurde. Die „Sparmaßnahme“ des Kulturreferats brachte satte 1.500 Euro. Um die beiden verbliebenen Preise hat sich in diesem Jahr nicht einmal jemand beworben. „Ein Desaster“ nennt Huber das.

Vetternwirtschaft?

Was bei all der Kritik am Inhalt des Jahresprogramms unter den Tisch zu fallen droht, ist der Ruch der Vetternwirtschaft, der einigen Höhepunkten der städtischen Mottofeierlichkeiten anhaftet.

Die Versetzung des König-Ludwig-Denkmals war ein reines Bier-Bratwurst-und Blasmusik-Werbeevent für die kircheneigene Brauerei Bischofshof. Sie findet in ebenso epischer Breite Erwähnung im kulturellen Jahresprogramm der Stadt wie das 360jährige Jubiläum der Brauerei, das zwar bereits 2009 anstand, aber – rein werbetechnisch – einfach besser ins Jahr 2010 gepasst hat. Die guten Verbindungen des Kulturreferenten zur katholischen Kirche lassen grüßen.

Ebenso fragwürdig erscheint das „Jahreshighlight“ 2010 – die Ausstellung zur Buchmalerei Berthold Furtmeyrs, die das Kulturreferat zusammen mit dem Lehrstuhl für Kunstgeschichte an der Universität Regensburg, namentlich Professor Christoph Wagner, organisiert. 300.000 Euro lässt sich die Stadt die Gestaltung der Museumsräume kosten, für die just Wagners Bruder, der Berliner Ausstellungsarchitekt Tillmann Wagner, bei der Ausschreibung den Zuschlag erhalten hat. Ein Zufall? Aufbruch? Oder einfach die Art und Weise, wie die Dinge in Regensburg gehandhabt werden?

Der, auf den all diese Kritik gemünzt ist – Klemens Unger – scheint fest im Sattel zu sitzen. Im kommenden Jahr steht die Neuwahl des Kulturreferenten an. Bislang ist nicht einmal geplant, diese Stelle auszuschreiben. Aufbruch? Wohl kaum. Und Ungers Wiederwahl hin oder her – der eigentliche Kulturchef, Schaidinger, geht sowieso erst 2014.

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Kommentare (12)

  • Regensburger Bürgerin

    |

    Ich könnte mir auch einen besseren Kulturreferenten als Unger vorstellen.

  • Seppl R.

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    Es ist eine Schande, dass hier ständig auf den ehrenwerten Herrn Unger eingeschlagen wird, anstatt ihm gebührend zu danken für seine Verdienste – z. B. für die Rückführung des Reiter-Denkmals für unseren ehem. König Ludwig I, dem Regensburg (und Lola) bekanntlich fast alles verdankt und ein Opfer der Nazis wurde.

    Herr Unger hat die ganze Arbeit hierfür in seiner Freizeit und ehrenamtlich geleistet und zur Abwicklung der Feierlichkeiten sogar den Welterbe-Kulturfond e.V. gegründet. (Als dessen Vorstand hätte er auch für möglichweise auftretende finanzielle Verluste des Vereins haften müssen – angesichts des großen Erfolgs der Umsetz-Feierlichkeiten vom 9.5.2010 hat er nun die lästige Pflicht der Versteuerung der Gewinne, die er als Veranstalter erwirtschaftet hat). All das wird nochmals dadurch aufgewertet, dass Herr Unger von seinem Dienstherrn keinerlei praktische Unterstützung (z.B. für Fundamentierungsarbeiten am Standort) bekam und ihm eine dienstrechtliche Genehmigung für seine ehrenamtliche Nebentätigkeit und als Cheforganisator des Umzugs versagt blieb (bis hin zu dem Unding, dass er seine Dienstanschrift als Kontaktadresse für den Welterbe Kulturfond e.V. nur unter der Hand benutzen konnte).

    Wer schafft denn dergleichen heutzutage noch: ein Pontifikalamt zu ermöglichen (und selber gottgefällige Fürbitten zu lesen), einen Fest (mit Umzug) mit Trachtlern, Böllerschützen, Königstreuen, Infanteristen, mit den höchsten Vertretern der Stadt, dem höheren Klerus UND mit seiner ehrwürdigen Hoheit Christoph, Prinz von Bayern, nebst Gattin Gudila und Kindern zu organisieren. Entgegen anders lautenden Stimmen seitens einiger Neider hat dem Volk und seiner Exzellenz Bischof Müller sogar das Bier und die Bratwürstel vorzüglich gemundet, ja der ganze Tag war eine exzellente Werbung für die Brauerei Bischofshof (die unter dem Geschäftsführer Goss, anders als ein gleichnamiges Hotel, ein zuverlässiger Gewerbesteuerzahler ist!).
    Das Heilige Bayernland dankt dir Clemens!
    Weiter so. Dein Seppl.

  • Christof Ermer

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    Jürgen Huber, den ich zugegebenermaßen kenne, und eben deshalb dessen Kompetenz und Verstand schätze, hat vollkommen recht.
    Kultur ist meiner Meinung nach Vielfalt- Dazu braucht es einen Inspirationsraum und den Mut ungewöhnliches außerhalb des Gefälligen, dem Mainstream zu machen. Eben eine Stimmung die Lust macht, Musik zu machen, Theater zu machen, mit Sprache zu arbeiten, von mir aus auch Objekte und Bilder zu schaffen. Sei es gewöhnliches, Fastkunst.., oder auch etwas völlig befremdendes, neues, kräftiges… eben der “Uiii” Effekt. Immer wieder findet sich so ein Juwel. Weil es Wachsen kann……wenn auch im Risikoraum der Armut.
    So müßte es doch sein, wenn man eine hochdotierten Kulturreferen wie Clemens Unger benötigt. Oder? Und gute Leute haben wir in dieser Stadt.. Wer fällt mit spontan ein? z.B. Christof Malz, und sein Puppenspiel, Theaterleute, Künstler und/oder Literaturkenner vom Feinsten (Ulrich Dombrwoski etc.). Und was macht C.Unger? Wäscht seine Hände in Weihwasser und Bischofsbier, wenn es der konservative Proporz so verlangt. Mit Blasmusik und Bratwurst wird Kultur zur Massen-Schunkeltauglichkeit reduziert. Mainstream a`la ZDF Fernsehgarten. So wie das Bürgerfest( der Gründer , wie den sozialen Initiativen) zu tode banalisiert wurde. Bratwurst, Bier…
    Nun. Ein Reiterstandbild, das keiner braucht und je vermisst hat. Ja, Gaaaanz wichtig! Aha. Regensburg verkommt derweil zum Touristen Entenhausen. Historie wo nie eine wahr.
    Hand in Hand wirtschaftend mieft in gewohnter Einheit der Klerus und die CSU Honoratioren und läßt sich dabei gemeinsam von öffentlichen Geldern bezahlen. Was diese gerne verschweigen. Also das ist der Kulturbegriff der Stadt!? Aber 300.000 Euro für die Gestaltung der Museumsräume werden problemlos windstill verschoben.Spezl-wirtschaft ist jedoch nur eine Sonderform der Korruption. Es lebt sich gut mit anderer Leute Geld.
    Da bleibt nur der Rest vom Kuchen um auch mal die vorhanden kreativen Köpfe mal mit “warmen Regen” zu versorgen.
    Ich denke da z.B. nicht nur an die künstlerischen Einzelkämpfer, die davon leben wollen und müßen. Auch die vielen gänzlich privaten Initiativen, wie Chöre “z.B. Heart Chor” die auf hohem Niveau, aber gänzlich ungefördert in der Stadt Ihr Dasein fristen.. Nur gespeist an der Lust mehr zu machen als Bier zu saufen; Bratwurst essen oder TVing. Also die Leute, die sich nicht ständig aus dem Fenster lehnen die einfach nur zusammen, miteinander, für andere was gerne machen. Diese Leute haben keine Lobby, und vor allem kein Parteibuch, daß die Initiative ersetzt.

  • uli

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    Auf und einreihen !

    der Protest ist da und notwendig !!

    + Stuttgart21 hat die Medienlandschaft wachgerüttelt – es ist nichts anders als unsere Stadthalle !

    + Grundstücksgeschäfte und der ganze Filz !

    + es ist überall so !

    + aktiv werden is die Devise !

  • Alexander Holz

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    Mit Unger habe ich auch so meine Probleme. Aber, ich meine, dass der Fisch immer vom Kopf weg stinkt!

  • meinung-2010-1

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    Um den Kulturförderpreis kann man sich nicht (nur) bewerben.

    Man kann dafür von Jedermann (Jederfrau) vorgeschlagen werden.

    Warum hat den Herr Huber oder der Kunstverein GRAZ niemanden für einen Kulturförderpreis vorgeschlagen?

    Angesichts der jetzt offenkundig gewordenen “Vorschlagsfülle” wären die Chancen nie so gut gewesen wie in diesem Jahr einen Vorschlag aus den Reihen der Regensburger Kulturschaffenden auch durch zu bekommen.

    Bei der Frage Kulturförderpreis 2010 haben die Regensburger Kulturschaffenden ein grandioses Eigentor geschossen, indem sie es – wenn man der Medienberichterstattung glauben darf – nicht geschafft haben auch nur einen Vorschlag zu machen.

    Es genügt nicht still zu sitzen und sich über die Kulturpolitiker in Regensburg zu grämen und dabei zu warten, das die gebratenen Tauben (Preise) einem zufliegen.
    Man muss auch mal selbst initiativ werden. Ich gehe davon aus, dass den Insidern das Procedere der Kulturförderpreisvorschläge durchaus bekannt sein müßte.
    Wo waren die Vorschläge?

    An dem “Desaster” (Zitat Huber) trägt Herr Huber eine Mitschuld, denn er persönlich hätte, wenn er einen aufstrebenden Künstelerkollegen / eine aufstrebende Künstlerkollegin für den Kulturförderpreis vorgeschlagen hätte, unter Umständen mit seinem Vorschlag dieses “Desaster” verhindern können.

  • Oskar

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    Ich verstehe Jürgens Kritik nicht. Als er NUR ein Künstler war, hat er von der Kultur auch andere Vorstellungen gehabt oder wenigstens hat er seine Vorstellungen wie die Freiheit in der Kunst und Kultur gepredigt. Ich bin für die Trennung der Kirche und der Politik aber auch für die Trennung der Kunst –Kultur und der Politik ( auch jetzt ). Jeder politische System versucht immer die Kunst und die Kultur für die eigene Ziele ausnützen und auch beeinflussen.
    1966 – 1970 war ich als Aktivist der Kulturrevolution in der damaligen Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik (dort bin ich 1945 als Kind aus Berlin verschleppt). Wir haben gegen die Freiheit der Schöpfung in der Kunst und der Kultur gekämpft. Die Politik war stärker und wir sind in dem Knast gelandet.
    Die Regensburger Kulturpolitik ist in einer tiefe Krise, aber nicht durch den Kulturreferent, sondern durch den ganzen Stadtrat. Kulturbeirat wurde abgeschafft und ein Paar Allwissender kämpfen für die Plätze in dem selbst gewählten „Organ“. Von hier sollte die Kultur – durch einen Leitprogramm regiert werden. ( Es ist nichts neues. Liebe Genossen, das war schon in der DDR und in den anderen Soz. Staaten.)
    Kunst und Kultur braucht Freiheit und keine Diktatur.
    Was uns im Regensburg fehlt ist die die Koordination und die Zusammenarbeit zwischen den Künstlern und Kulturschafenden statt einen politischen Führung. Bei der Bewerbung zu der Kulturhauptstadt Europa wollten die führenden Politiker auf die Künstler, Kulturschafende und die Bürger verzichten. Es sollte „Chefs“ Sache sein. Kultur ohne Einbindung der Bürger funktioniert leider nicht. Die Kulturpolitiker der Stadt haben sich so genannte Fachkräfte aus den Landen geholt die aber auch versagt haben. Die geschichtlichen Denkmals haben uns gerettet und wir sind wenigstens Welterbe der UNESCO.
    Man kann nicht eine Person, für diese einseitige und undemokratische Kulturpolitik der Stadt verantwortlich machen, wenn die Stadträte sitzen und schweigen.
    Die Macht der ein Paar ausgewählten Menschen ist leider keine Garantie für eine Demokratie nicht mal in der Kultur. Das diese System nicht funktioniert ist auch die Auswirkung auf die (ausgefallene) Nominierung für die Kulturförderpreise 2010. Eine Anerkennung für sein Engagement erlebt in der Stadt nur der, der durch eine politische Partei unterstützt ist oder er selbst ein Mitglied der Partei ist. Eine Parlamentarische Demokratie ist eine politische Diktatur und das auch in der Kultur.

  • Pro Osttrasse

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    @9:27 Uhr “Parlamentarische Demokratie ist eine politische Diktatur” ??? Wodkafrühstück ?

  • Fvfu-uüiUF.e.V.

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    Freitag punkt 19 Uhr am Europabrunnendeckel: Burgerpreisverleihung mit Palm-Olive Performance, Mc Donalds Kinderhilfswerk und Milchshakechor…..Das hab ich mir selber auch toller vorgestellt als es wird aber jede Woche eine Veranstaltung und zwei mal Kino, da kann einem schon mal die Luft ausgehen…
    Ausserdem: Do&Fr diesmal nicht Kinoprojektion in die POPOmalkabine, sondern Mc Donalds Gamenacht.
    (siehe Bahnfahrplan, Sommerprogramm im Herbst).

    Regensburg ist immer weltweit an dritter Stelle führend…
    Das ist unser Problem.

    euer Maulwurf.

    Ps: Elias Canetti ist ein guter Gegenentwurf zur Provinzelite…

  • Christof Ermer

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    Kommentar zu Alexander Holz
    r—Mit Unger habe ich auch so meine Probleme. Aber, ich meine, dass der Fisch immer vom Kopf weg stinkt!
    Aber natürlich !!!
    Recht hat er.
    Oder glaubt noch wer daran daß Schaidinger, schon seit den verlorenen Volksabtimmungen zum Thema Stadthalle, sich noch um irgendwas irgendwas schert. Außer, “Basta” Politik, hört man nix.

  • Fvfu-uüiUF.e.V.

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    pardon: Do&Sa KInoprojektionen und Freitags immer Happening… Da hab ichs jetzt mal selber falsch geschrieben. Schwamm drüber.
    europabrunnendeckel.de/?p=1300

  • „Allzeit bereit für Huldigungen…“ | Regensburg Digital

    |

    […] dass man „weiterhin engagiert junge Kunst fördern“ wolle. In einer Stadt wie Regensburg, die schon mal vergisst, ihre Kulturförderpreise zu vergeben (Anm. d. Red.: Hier ist uns ein Fehler unterlaufen: Tatsächlich hatte sich 2010 niemand um die […]

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drin