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Archiv für 5. Februar 2014

Die Coworking-Initiative in Regensburg steht noch ganz am Anfang, auch wenn es sie bereits seit Jahren gibt. Im Februar sollen jetzt Nägel mit Köpfen gemacht werden.

So sieht das Regensburger Coworking momentan noch aus: Zusammen verbringt man den Arbeitstag im IT-Speicher. Foto: Liese

So sieht das Regensburger Coworking momentan noch aus: Zusammen verbringt man den Arbeitstag im IT-Speicher. Foto: Liese

Noch sieht es ein bisschen aus wie eine kleine, anachronistische LAN-Party, wenn sich die Mitglieder der Coworking-Initiative Regensburg treffen. Laptop reiht sich an Laptop, dazwischen ein kleiner Kabelsalat, in der Ecke eine Kaffeebar. Kommuniziert wird nicht allzu viel. Einen echten Coworking-Space gibt es eben noch nicht – daher nimmt man momentan mit dem IT-Speicher vorlieb. Alle zwei Wochen setzt man sich zusammen, verbringt den Arbeitstag miteinander und „spielt“ das „echte“ Coworking nach.

Die Menschen hier eint eine gemeinsame Erfahrung. Sie alle sind selbstständig, und sie alle kennen die Probleme, die das einsame Arbeiten mit sich bringt. „Ich habe irgendwann einfach das Gefühl gehabt, dass mir die Decke auf den Kopf fällt“, drückt es Daniel Schellhorn aus. Er ist federführend für die Initiative zuständig, gemeinsam mit Monika Roth. „Wir sind im Moment – ein bisschen unfreiwillig – die Anschieber.“

Kooperation statt „Bürovermietungsservice”

Kernidee des Coworkings, einem der sogenannten „New Work“-Bewegung zugehörigen Trend, ist es, Synergieeffekte zwischen allein Arbeitenden zu erzeugen, indem man eine kollektiv genutzte Örtlichkeit schafft. Durch einen gemeinsamen Arbeitsplatz, der nicht nur einen Schreibtisch und eine Kaffeeküche bietet, sollen sich Möglichkeiten zu Zusammenarbeit und gegenseitiger Unterstützung ergeben – und mehr als das.

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Denn als Bürovermietungsservice verstehen sich Schellhorn und Roth nicht. Was sie wollen, kann problemlos in einen größeren gesellschaftlichen Kontext gesetzt werden. Es geht ihnen nämlich auch darum, den Charakter der Arbeit an sich zu verändern. Sie nehme einen zu großen Stellenwert im Leben ein, als dass ihre einzige Funktion das Geld verdienen sein dürfe. Das passt in eine Zeit, in der klassische Karrierewege und Erwerbsbiografien sukzessive die Vorteile verlieren, die sie einst auszeichnete; sicherer Verdienst, sicherer Arbeitsplatz, sichere Altersvorsorge.

„Die Leute haben ein fingiertes Sicherheitsdenken.“

„Die Leute haben ein fingiertes Sicherheitsdenken“, bringt es Roth auf den Punkt. Auch deshalb trauten sich viele vielleicht nicht, den Schritt in die Selbstständigkeit oder in die Freiberuflichkeit zu wagen. Coworking könne hier eine Scharnierfunktion übernehmen. Roth selbst befindet sich zur Zeit noch in einem Angestelltenverhältnis, nutzt die Initiative aber, um sich beruflich in Richtung Eigenständigkeit zu verändern.

Doch für all das braucht es zunächst einen Ort, an dem sich das Coworking in Regensburg entwickeln kann. Nach vielen besichtigten Objekten scheint man in einem Gebäude im Auweg 42A fündig geworden zu sein. Eine ehemalige Schreinerei soll nun für die innovativen Köpfe der Coworker zum Mittelpunkt werden. Hier würde alles passen: die Architektur, das Umfeld, das ein bisschen „Berlin-mäßig“ sei und „kreativen Charakter“ habe, so stellt es Daniel Schellhorn nicht ohne Begeisterung dar. „Neuland“ soll der Space dann heißen – angelehnt an das Zitat von Angela Merkel, die so 2013 während des Besuchs von US-Präsident Obama das Internet bezeichnete.

So sieht Neuland aus: Der bevorzugte Coworking-Space im Stadtosten. Foto: Coworking Regensburg

So sieht Neuland aus: Der bevorzugte Coworking-Space im Stadtosten. Foto: Coworking Regensburg

Neuland im Regensburger Osten

Die Bezeichnung sei zutreffend, weil nicht nur der neue Ort Neuland-Merkmale ausstrahlen würde, sondern auch das Coworking selbst, das eigene Schaffen der Coworker und schließlich auch die Ideen, die dort entwickelt werden sollen. Schließlich sei auch der Regensburger Osten für viele Neuland, erklärt Schellhorn. Zumindest als Szene-Spot, als Treffpunkt für Kreative und als Mittelpunkt des Arbeitslebens. Die Coworker fügen sich damit in einen Trend ein, der in Regensburg allgemein zu beobachten ist: Der Fokus von eher alternativen kulturellen Konzepten verschiebt sich mehr und mehr auf die Stadtteile und Randbezirke, während die Innenstadt in dieser Hinsicht nicht zuletzt wegen steigender Immobilien- und Mietpreise zusehends ausdünnt.

Werte stehen im Mittelpunkt – ein gewisses Einkommensniveau ist notwendig

Doch noch ist es nicht soweit. Der Vermieter des Gebäudes im Auweg stehe dem Konzept grundsätzlich wohlgesonnen gegenüber, doch brauche er bis Ende Februar eine Entscheidung, ob die Coworker einziehen oder nicht. Das ist jedoch keine Frage des „Wollens“, sondern eine des „Könnens“. Denn im Moment fehlen etwa fünf Personen, die sich mit dazu entschließen würden, ins „Neuland“ einzuziehen. Nur dann könnte der finanzielle Aufwand gemeinsam gestemmt werden. Ein fester Schreibtisch soll etwa 200, ein „Flexi-Tisch“ 100 Euro im Monat kosten. Ein gewisses Einkommensniveau, das gerade bei Freiberuflern nicht selbstverständlich ist, sollte man als potentieller Coworker also schon haben.

Grundsätzlich sei man aber offen für jeden. „Die Werte müssen halt stimmen“, sagt Roth. Fairness und Offenheit dürften nicht nur Wörter sein, sondern müssten auch gelebt werden. Zudem solle das „Business“ der einzelnen Coworker mit einem gewissen Nachhaltigkeitsgedanken vereinbar sein.

Es bleibt spannend zu beobachten, was sich im Regensburger Osten – im „Neuland“ – entwickelt. So es denn zustandekommt. Denn dass Regensburg nicht Berlin oder Hamburg ist, wissen die Coworker. „Regensburg ist in vielerlei Hinsicht konservativ und sehr industriell geprägt“, sagt Schellhorn. Da sei die Offenheit für eine neue Form des Arbeitens nicht selbstverständlich. Nach Jahren der Vorarbeit wäre es der Initiative aber zu wünschen, dass die Expedition ins „Neuland“ endlich starten kann.

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