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Archiv für 27. Februar 2014

Interview mit Linken-Vorstand Bernd Riexinger

„Bei der Geschichtsaufarbeitung sind wir weiter als die CSU“

Von den übrigen lokalen Medien wurde sein Besuch ignoriert. Am Mittwoch war der Bundesvorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, in Regensburg, um seine Partei im Endspurt des Kommunalwahlkampfs zu unterstützen. Der 58jährige Bankkaufmann ist über sein Engagement bei der Gewerkschaft zur WASG gekommen und war dort im Landesvorstand der Partei in Baden-Württemberg. Seit 2012 ist er gemeinsam mit Katja Kipping Bundesvorsitzender der Linken. Ein kurzes Gespräch.

Beim Wahlkampfendspurt der Linken im Dollingersaal: Bundesvorsitzender Bernd Riexinger. Foto: Herbert Baumgärtner

Beim Wahlkampfendspurt der Linken im Dollingersaal: Bundesvorsitzender Bernd Riexinger. Foto: Herbert Baumgärtner

Hallo Herr Riexinger. Wie landet man als Bankkaufmann eigentlich bei der Linken?

Ich war ja nicht wirklich bei einer Bank, sondern bei einer Bausparkasse. Und das war mehr der proletarische Bankbetrieb ohne direkten Kundenverkehr, hoch gewerkschaftlich organisiert im Übrigen. Und ich bin ein bisschen stolz darauf, dass die Leonberger Bausparkasse der erste Bankbetrieb war, der in der Nachkriegsgeschichte gestreikt hat. Es gab da also schon ein bisschen politischen Drive und ich war stark gewerkschaftlich geprägt. Dann landet man eben irgendwann bei der Linken.

Bei Ihrer Gewerkschaftsaffinität kann es Ihnen aber dann nicht wirklich schmecken, dass die Gewerkschaften der SPD auf Bundesebene eine große Koalition empfohlen haben.

Ich kenne ja meine Gewerkschaftsführungen. Die sind sehr pragmatisch aufgestellt sagen: Wir nehmen doch lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Aber in der Tat wäre Rot-Rot-Grün viel näher an gewerkschaftlichen Positionen gewesen. Ich bin schon enttäuscht, dass die Gewerkschaften in der Summe nicht viel mehr für einen grundlegenden Politikwechsel geworben haben. Aber es gab ja Ausnahmen, meine Gewerkschaft ver.di zum Beispiel.

Realistisch wäre Rot-Rot-Grün ja ohnehin nicht gewesen. In der Elefantenrunde unmittelbar nach der Wahl haben Jürgen Trittin (Grüne) wie auch Peer Steinbrück (SPD) eine Regierungsbeteiligung der Linken kategorisch ausgeschlossen. Jetzt hat SPD-Vize Ralf Stegner vor wenigen Tagen Spitzengespräche mit den Linken gefordert. Von Sigmar Gabriel wurde er aber recht schnell wieder zurückgepfiffen. Was glauben Sie denn, wie lang es noch dauern wird, bis die Linke eine Koalitionspartner auf Bundesebene abgibt?

Erstmal ist es positiv zu werten, dass es eine Öffnung gibt. Nicht nur bei der SPD, auch bei den Grünen. Aber wir müssen registrieren, dass die SPD sich jetzt erst einmal in einer großen Koalition befindet. Die Grünen neigen sehr stark zu Schwarz-Grün und probieren das gerade in Hessen aus. Die nächsten drei Jahre sind wir also ganz klar Opposition und werden diese Rolle wahrnehmen. Danach wird sich zeigen, ob die Zeit reif ist für einen grundlegenden Politikwechsel. Wir wollen ja nicht einfach regieren. Wir wollen eine andere Politik machen. Und SPD und Grüne müssen sich entscheiden, ob es ein gemeinsames gesellschaftliches Projekt gibt. Im Herbst wissen wir ein bisschen mehr. Wenn es nach drei Landtagswahlen eine Option für Rot-Rot oder Rot-Rot-Grün gibt, wird man sehen, ob SPD und Grüne das machen wollen oder ob sich die SPD wieder in eine große Koalition flüchtet.

„Wenn wir unsere Position zu Kriegseinsätzen aufweichen, sind wir überflüssig.“

Eine Position, die den Linken besonders wichtig ist, ist die Ablehnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Speziell Sie persönlich betonen immer wieder, was für ein überzeugter Pazifist Sie sind. Das ist auch ein wesentlicher Knackpunkt, an dem eine Koalition auf Bundesebene mit der SPD, aber auch den Grünen scheitert. An welche Schmerzgrenze gehen Sie denn, um mitregieren zu dürfen? Vielleicht doch ein bisschen Auslandseinsatz?

Wir führen ja jetzt keine Koalitionsverhandlungen. Es gibt nicht einmal ein Gespräch auf der Spitzenebene. Wir brauchen also auch nicht über eventuelle Zugeständnisse zu reden. Was die Frage der Auslands- und Kriegseinsätze der Bundeswehr betrifft, fühlen wir uns aber auch durch die Fakten bestätigt. Jetzt wird das Fiasko in Afghanistan für alle deutlich. Und überall wo es Kriegseinsätze gab, auch da, wo Deutschland nicht beteiligt war, im Irak oder in Libyen, sind die Folgen doch verheerend. Ich glaube, dass die anderen Parteien sich uns annähern werden und sich die Position der Linken, dass Krieg keine geeignete Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist, durchsetzen wird. Zumal ja die offensichtliche Mehrheit der Bevölkerung da weiter ist als die Parteien im Bundestag.

Aber grundsätzlich müssen Sie sich doch Gedanken machen, ob diese Position der Linken sich nicht doch irgendwann verändern wird. Sie wollen schließlich irgendwann mitregieren. Dafür macht man doch Kompromisse. Ein Beispiel: Flüchtlingspolitik ist auch ein Kernthema der Linken. Und wenn man sich Brandenburg ansieht, wo die Linke mitregiert, dann unterscheidet sich die Abschiebepraxis dort nicht all zu sehr von der in anderen Bundesländern.

In Brandenburg hat die Linke dafür gesorgt, dass die Residenzpflicht abgeschafft wurde. Ich denke also doch, dass dort eine etwas andere Flüchtlingspolitik gemacht wird. Und noch einmal zum Thema Auslands- und Kriegseinsätze: Ich bin mir sehr sicher, dass es keine Beteiligung der Linken an einer Regierung geben wird, die Kriegseinsätze der Bundeswehr verabschiedet. Wenn wir das machen würden, bräuchten wir keine Linke mehr. Ein Kernpunkt linker Politik ist Friedenspolitik. Wenn wir das aufgeben, würden wir uns selbst überflüssig machen.

„Über die Grünen wird drei Mal so oft berichtet wie über die Linke.“

Sie haben sich heute nach Bayern gewagt, ein Bundesland, in dem die Linke von der CSU immer noch ab und zu mit der NPD gleichgesetzt wird. Warum? Ist es üblich, dass Sie zu Kommunalwahlkämpfen kommen oder haben Sie ein spezielles Verhältnis zu Regensburg oder Richard Spieß?

Ich bin heute zum ersten Mal in Regensburg. Und dass ich bei Kommunalwahlkämpfen vorbeischaue, ist nichts Ungewöhnliches. Die sind für uns insbesondere in westlichen Ländern enorm wichtig, weil die Linke hier vor Ort nicht ausreichend verankert ist. Ich habe Richard Spieß und Irmgard Freihoffer im Vorfeld des Besuchs ein wenig kennengelernt und ich habe das Gefühl, dass die beiden hier einen guten Ruf haben, auch über die Parteigrenzen hinaus. Das ist eine Voraussetzung, damit sich die Linke etabliert. Obwohl es uns in Bayern insgesamt schon schwer gemacht wird.

Bei der Elefantenrunde nach der Bundestagswahl sind Sie vor allem mit Beschwerden darüber aufgefallen, dass Sie zu selten zu Wort kommen. Fühlen Sie sich von den Medien ungerecht behandelt?

Kleine Parteien werden gegenüber den beiden großen in der Berichterstattung generell benachteiligt und die Linke noch einmal deutlich mehr. Es gibt unabhängige Medienuntersuchungen, etwa aus der Schweiz, die wir jeden Monat bekommen. Die belegen, dass die Linke insbesondere im Fernsehen deutlich weniger beachtet wird, als dies ihrem Wahlergebnis entspricht. Obwohl wir stärkste Oppositionspartei im Bundestag sind, wird über die Grünen drei Mal häufiger in den Nachrichten berichtet als über uns. Im Dezember waren wir in den Medien auf dem Niveau der FDP, obwohl die nicht einmal mehr im Bundestag sind. Fair ist das nicht. Insbesondere bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten widerspricht das auch dem öffentlichem Auftrag. Aber Medienschelte sollte man nicht betreiben. Davon wird das ja nicht besser.

„Bei der Geschichtsaufarbeitung sind wir weiter als die CSU“

Hier in Regensburg läuft das mit der Berichterstattung über die Linke ähnlich. Von der lokalen Tageszeitung, dem lokalen Fernsehsender oder Radio ist heute niemand vor Ort. Ein Teil der Berührungsängste könnte auch mit der SED-Vergangenheit Ihrer Partei zu tun haben. Wie stehen Sie dazu? Glauben Sie, dass die Linke damit offen genug umgeht und dass das ausreichend aufgearbeitet wurde?

Ich selber komme aus der undogmatischen Linken und aus der linken Gewerkschaftsbewegung. Ich hatte zur DDR und zum Sowjet-Kommunismus ein eher ein distanziertes oder zumindest ein sehr kritisches Verhältnis. Von daher kann ich völlig unbelastet damit umgehen. Ich habe aber den Eindruck, dass insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern eine wirklich sehr gründliche Geschichtsaufarbeitung stattgefunden hat. Völlig klar ist für die gesamte Linke, dass es keinen Sozialismus ohne Demokratie geben kann. Ich glaube, dass da viel gelernt wurde. Wir haben erst vor kurzem eine Gedenktafel im Karl-Liebknecht-Haus angebracht, wo kommunistische und sozialistische Opfer der Stalin-Ära gewürdigt werden. Ich glaube, in punkto Geschichtsaufarbeitung sind wir wesentlich weiter als die CSU.

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