Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino

Archiv für 6. August 2014

Wem gehört das Donauufer?

„Ohne uns wär’ das ein Ratzenloch“

Der Bootshafen des Motorbootvereins am Oberen Wöhrd muss weg. Das fordern mehrere Bürgerinitiativen. Der Vereinsvorsitzende fühlt sich zu Unrecht angegriffen. Etwas einseitig ist die Kritik tatsächlich. 

"Ein Biotop? Ein Ratzenloch wäre das..." R.M.W.V-Vorsitzender Josef Antes.

Scharfe Kritik von Bürgerinitiativen: Doch R.M.W.V-Vorsitzender Josef Antes ist sich keiner Schuld bewusst.

„Wir sind nicht die Bösen, sondern die Guten! Und die Dummen!“ Josef Antes redet sich ein wenig in Rage. Der Vorsitzende des „Regensburger Motorboot- und Wassersportvereins“ (R.M.W.V.) sitzt gerade, es ist Dienstagnachmittag, auf der Terrasse des Vereinsheims am Oberen Wöhrd. Ein Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamts ist am Telefon und klingt ebenfalls etwas aufgebracht. Zumindest hört man seine Stimme auch dann noch, wenn man einen Meter weiter weg sitzt. „Ein Biotop soll das sein?“, lacht Antes in den Hörer. „Ein Ratzenloch wäre es, wenn wir es nicht 57 Jahre kostenlos gepflegt hätten.“

Das Gespräch geht noch eine Weile weiter. Aber so richtig einig scheint man sich nicht zu werden. Ein Pressetermin am Vormittag und die darauffolgenden Anfragen haben für etwas Aufregung beim Wasserwirtschaftsamt gesorgt und dafür, dass auch bei Antes das Telefon heute etwas öfter klingelt als sonst.

„Wir haben uns nichts zuschulden kommen lassen“, sagt der 81jährige zu unserer Redaktion. „Aber was dieser Cerull da betreibt, das ist Mobbing hoch zehn. Der spinnt doch.“

Das Vereinsgelände des Motorboot- und Wasserskivereins: Einfach alles erlaubt? Foto: as

Das Vereinsgelände des Motorboot- und Wasserskivereins: Einfach alles erlaubt? Foto: as

„Dieser Cerull“, Walter Cerull, war heute Vormittag schon hier draußen am Oberen Wöhrd. Er ist einer derjenigen, die in der Vergangenheit schon einigen Unsinn in Regensburg verhindert haben: Eine Stadtautobahn, eine Brücke durchs Naherholungsgebiet am Grieser Spitz. Und mittlerweile wird auch klar, dass man sich wohl erfolgreich gegen eine Westtrasse über die Donau gestemmt hat.

Kann der Verein sich erlauben, was er will?

Doch heute geht es um etwas anderes. Begleitet von Vertretern mehrerer Bürgerinitiativen – darunter der Bund Naturschutz, das Forum Regensburg, die ARGE Fest im Fluss und die Altstadtfreunde – und mit einigen Medienleuten im Schlepptau steht Cerull auf Höhe des R.M.W.V.-Vereinsgeländes. Etwa 30 Menschen sind gekommen. „Grün-Kaputt“ lautet der Titel der Dokumentation, die heute präsentiert wird und die, etwas flapsig ausgedrückt, belegen soll: Der R.M.W.V. kann sich auf seinem Vereinsgelände und dessen Umfeld erlauben, was er will.

„Unbemerkt von der Bevölkerung“ sei da in den 60ern ein kleiner Motorboothafen entstanden, erzählt Cerull. Zu dem Verein gehörten insbesondere Mitarbeiter der Stadtverwaltung, des Wasserwirtschaftsamtes und des Wasser- und Schifffahrtsamtes. Und, so Cerull: „Da Mitglied zu werden, ist sehr schwierig.“

Walter Cerull: "Nachfragen werden nicht beantwortet." Foto: as

Walter Cerull: “Nachfragen werden nicht beantwortet.” Foto: as

Immer wieder seien auf der Fläche, die als Biotop ausgewiesen ist, einfach Bäume umgeschnitten worden, zuletzt im Juli allein 20. Der Verein dehne seinen Einzugsbereich zunehmend aus und beanspruche öffentliche Flächen als Privatbesitz. Das sehe man schon an den zahlreichen Schildern, die rundherum aufgestellt wurden.

„Enteignung der Öffentlichkeit“

Und ob es da für alles – das Vereinsheim, den geteerten Parkplatz in unmittelbarer Nähe eines Trinkwasserspeichers oder mehrere große Masten zu Befestigung der Bootsstege – überhaupt Genehmigungen gebe, sei zumindest nicht ganz klar. Er bekomme dazu nirgendwo eine Auskunft, so Cerull. Sämtliche Behörden beriefen sich auf Datenschutz. Und auch wenn es nicht direkt gesagt wird klingt immer wieder durch: Ein Verein, bei dem auch der frühere Oberbürgermeister Hans Schaidinger und Ordnungsamtschef Alfred Santfort Mitglied sind, scheint sie einfach als erlauben zu können, ohne dass es Konsequenzen gibt.

Die Forderungen, die die Bürgerinitiativen am Dienstag der Presse übergeben sind recht klar: Langfristig soll der Bootshafen des R.M.W.V. weg vom Oberen Wöhrd. „Das ist eines der schönsten Donauufer Regensburgs und das gehört der ganzen Bevölkerung“, sagt Aki Schindler von der ARGE Fest im Fluss. Klaus Caspers (Arbeitskreis Kultur) spricht gar von einer „Enteignung der Öffentlichkeit“.

„Die meisten Bäume hier hab ich selbst gepflanzt.“

Ja, die Öffentlichkeit. Die habe sich, sagt Antes, für das jetzt so schöne Donauufer überhaupt nicht interessiert, als er und ein paar Freunde „kurz nach der Währung“, also irgendwann 1948 oder 49, sich hier zum ersten Mal herumgetrieben haben. „Da war das alles Dreck, Urwald und Bombentrichter.“ Die großen Bäume in der Alle, um die heute „einige plötzlich so besorgt sind“, habe er als Jugendlicher zum größten Teil noch selbst gepflanzt.

Gelb eingezeichnet: Die an den Motorbootverein verpachteten Flächen.

Gelb eingezeichnet: Die an den Motorbootverein verpachteten Flächen.

Von US-Soldaten habe man ein paar alte Motoren geschenkt bekommen und sich dann selbst Boote und eine Wasserski-Schanze gebaut. Irgendwann in den 50ern habe man dann auf ausdrückliche Anregung der Behörden das Donauufer auf einer Länge vom Schopperplatz bis kurz vor der Schleuse gepachtet. „Für 169 Mark im Jahr.“ Später, in den 70ern, habe man dann einen neuen Pachtvertrag mit den Wasserwirtschaftsamt geschlossen – für das heute eingezäunte Vereinsgelände, den Parkplatz und den Zufahrtsweg inklusive Uferstreifen. 8.700 Euro zahle der rund 300 Mitglieder starke Verein dafür momentan im Jahr. „Außerdem tragen wir die Unterhaltspflicht für den Weg und das Donauufer.“ Nach einem Hochwasser müsse der Verein für die Reinigung und Wiederherstellung des Ufers sorgen. „Dafür zahlt uns keiner was. Wir haben sogar schon mal einen Kredit aufnehmen müssen.“

Streit schon seit Jahrzehnten

Antes zieht ein Schreiben aus dem Leitz-Ordner, der vor ihm auf dem Camping-Tisch liegt. Es stammt aus dem Jahr 1979 und ist unterzeichnet vom damaligen CSU-Oberbürgermeister Friedrich Viehbacher. Gerichtet ist es an Walter Cerull. Dessen Bedenken waren schon damals dieselben: Sind die Bauten alle genehmigt? Wie steht es mit einer Gefährdung des Grundwassers? Warum ist dieser Abschnitt des Donauufers nicht für die Öffentlichkeit zugänglich? Auf eineinhalb Seiten handelt Viehbacher Cerulls Bedenken ab. „Durch die Neuanlage des Geländes durch den Verein haben sich die dortigen Verhältnisse im Vergleich zu früheren Jahren wesentlich verbessert“, schreibt der damalige Oberbürgermeister. Eine Gefährdung des Grundwassers liege nicht vor. Und im übrigen seien sämtliche Bauten genehmigt. Letzteres ist – erheblich später – im Jahr 2002 auch einem Schreiben des Umweltministeriums zu entnehmen, das damals auf eine Anfrage von Cerull reagiert hat: Vereinsheim, Masten, Zaun und geteerter Parkplatz sind genehmigt.

Schilderwald am Donauufer. "Die Behörden wollten, dass wir das aufstellen", sagt Antes.

Schilderwald am Donauufer. “Die Behörden wollten, dass wir das aufstellen”, sagt Antes.

Mit den Vorwürfen zu aktuellen Baumfällungen ist das allerdings etwas anders. Laut Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes und des Umweltamtes der Stadt Regensburg geht es um insgesamt elf und nicht 20 Bäume, die der Verein dieses Jahr ohne Genehmigung gefällt haben soll. Man habe sofort auf einen entsprechenden Hinweis von Cerull reagiert und das Ganze überprüft, heißt es aus dem Umweltamt. Allerdings seien noch Gespräche nötig, um abzuklären, was nun zu tun sei. Offenbar steht aber Bußgeld von „mindestens 5.000 Euro“ im Raum.

„Das waren keine Bäume, sondern Wildkirschen.“

Um diese Bäume geht es anscheinend auch in dem Telefonat mit besagtem Mitarbeiter des Wasserwirtschaftsamtes. „Das waren keine Bäume, sondern Wildkirschen. Die haben wir selber gepflanzt. Außerdem wolltet ihr doch, dass das weggeschnitten wird“, wiederholt Antes im Verlauf dieses Gesprächs mehrfach. „Dann beschreiten Sie eben den Rechtsweg“, meint er schließlich. „Ich mach mir da keine Sorgen.“ Dann wird das Gespräch beendet, ohne dass man sich einig geworden ist.

Baumfrevel? Walter Cerull hat einige Abholzungen samt Durchmesser dokumentiert.

Baumfrevel? Walter Cerull hat einige Abholzungen samt Durchmesser dokumentiert.

Diese Einigkeit wird es wohl auch nicht mit den Bürgerinitiativen im Allgemeinen und Walter Cerull im Speziellen geben. Deren Interesse, den Bootshafen zu verlegen, um das Gelände für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen und – langfristig – ähnlich wie an der Schillerwiese Strände anzulegen, ist durchaus nachvollziehbar. Das stünde auch in Einklang mit der Bayerischen Verfassung, die „Staat und Gemeinde“ ausdrücklich verpflichtet, „der Allgemeinheit die Zugänge zu Bergen, Seen, Flüssen und sonstigen landschaftlichen Schönheiten freizuhalten“.

So lange man sich aber ausschließlich auf den R.M.W.V. einschießt und dabei mit zum Teil schon vor Jahren widerlegten Vorwürfen arbeitet, während andere Vereine entlang des Donauufers, die ebenfalls über eingezäunte Privatflächen verfügen, unbehelligt bleiben, hat das Ganze das Gschmäckle einer persönlich motivierten Fehde. Schade. 

drin