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Alle sind nackt, Frauen sind nackter

Nackt ist nicht gleich nackt, erfährt man dieser Tage im Regensburger Wochenblatt. Neue Leiden des Medienmasochisten Martin O..

Liest und leidet: Marin Oswald.

Liest und leidet: Martin Oswald.

Nacktheit ist schon so ein Thema. Ein schönes WM-Thema übrigens auch. Wäre ja langweilig, würde man sich nur über Fußball unterhalten. Oder das obligatorische Singen irgendwelcher Nationalhymnen. Oder viel schlimmer noch: die FIFA und Franz Beckenbauer. Nein, also dann doch lieber Nacktheit. Nacktheit in Zeiten der WM 2014.

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So geschehen neulich im Wochenblatt Regensburg, das am 11. Juni mit einer ganz eigenwilligen Bild-Text-Kombination aufmachte: „Heiße WM: Selbst die Knackis schauen zu!“. Passend dazu ein der Juli-Ausgabe der Fußball-Fachzeitschrift Playboy entlehntes Bild mit teils wenig, teils gar nicht bekleideten elf jungen Frauen.

Nackte Weiber gehen immer

Von diesen Frauen scheinen gleich zwei Schiedsrichterinnen zu sein (eine mit Pfeife im Mund, die andere mit roter Karte in der Hand), andere liegen sich jubelnd in den Armen oder zupfen sich die letzten Trikotreste vom verschwitzten Körper, eine hat bereits vor dem Turnier den WM-Pokal gewonnen und ach, schau’ mal: eine ist sogar die Spielführerin der deutschen Nationalmannschaft, was unschwer an ihrer Kapitänsbinde zu erkennen ist. Es gibt so einige Details zu entdecken, unentdeckt bleiben jedoch die Brustwarzen der Damen, denn die hat die Wochenblatt-Photoshop-Abteilung feinsäuberlich mit weißen Sternchen bedeckt (das Bildbearbeitungsprogramm bot wohl leider keine kleinen Fußbälle). Was ist denn da passiert?

Wochenblatt Wo genau da übrigens die „Knackis” ins Spiel kommen, ist nicht so ganz auszumachen, aber zumindest dürfen sie ja die WM gucken und bestimmt hängen am Spind oder in der JVA-Muckibude Poster von Playboy-Bunnies. Dürfte als Grund reichen. Mit Fußball hat das Ganze, nun ja, eigentlich überhaupt nichts zu tun, aber hey, kommen wir lieber wieder auf die Nacktheit zurück. Immerhin gehen nackte Weiber doch immer, oder?

Einige Leser_innen des Wochenblatts waren da eher anderer Meinung und trugen dem Anzeigenblatt schriftlich und telefonisch ihre Bedenken vor. Eine „Zugehfrau“ aus Beratzhausen etwa meinte, ob man denn „die ganzen Nackerten auf der Titelseite“ nötig habe und wünschte den Redaktionsleiter zur Strafe ins Arbeitslager. Andere bekommen beim Anblick des Titelbilds gar Schnappatmung (S. 2, Meine Woche) oder fragen nach dem Zusammenhang der Szene auf dem Titelblatt und Exhibition (S. 4, Leserbrief). Diese und sicherlich noch weitere Reaktionen müssen die Redaktion jedenfalls eingehend beschäftigt haben, denn in der nächsten Ausgabe kamen nebst Lesebrief zum Thema gleich mehrere Entgegnungen.

Was ist denn so schlimm an Nacktheit?

Christian Eckl etwa erklärt,

„dass Nacktheit an sich doch nichts schlechtes“ sei und fragt: „was ist so schlimm daran, wenn man Frauen in einem schön arrangierten Bild, das ich durchaus als kunstvoll empfinde, abdruckt?“ Und weiter: “Natürlich, dieses Übersexualisierte in den Medien ist ein Problem. Da wird der Eindruck erweckt, man ist nur was wert, wenn man bestimmte Maße hat. Das gilt zwischenzeitlich auch für Männer. Aber Nacktheit an und für sich ist doch noch nichts Verwerfliches, oder ‚biedermeiern’ wir wieder herum wie vor den 68ern? Fände ich schade. Nacktheit ist sicher nichts, woran man sich stoßen muss.“ (Wochenblatt 18.06.14, S. 2)

Ursula Hildebrand schiebt nach:

„Ist es wirklich sooo schlimm, einen nackten Körper zu sehen? Sind wir wirklich alle so verklemmt, dass uns ein bisschen nackte Haut in einer Zeitung völlig aus der Fassung bringt? Ich finde, man sollte schon noch unterscheiden können zwischen ästhetischen Bildern und Pornografie. Und letztere werden Sie bei uns sicher nicht finden!“

Nun ist die Prüderie und reaktionär-hinterwäldlerische Betrachtungsweise von Körperlichkeit und Nacktheit mancher Wochenblattleser_innen weder sonderlich verwunderlich noch argumentativ unterstützenswert. Sie ist mitunter aber auch Ausdruck der eigenartigen Doppelmoral und inneren Widersprüchlichkeit der Wochenblatt-Redaktion in Bezug auf Verklemmtheit, Sexualmoral und überhaupt all die anderen Bausteine konservativer Gesellschaftskonstruktion. Und schließlich wollen die Leser_innen ja auch beides: Papst und Titten!

Bei einer künstlerischen Darbietung hat es gefälligst gesittet zuzugehen!

Muss das sein?“, fragt Hildebrand, als eine in Klarsichtfolie gekleidete Tänzerin bei der Regensburger AIDS-Gala „beste Aussicht auf den nur spärlich mit Folie verkleideten und ansonsten nackten Intimbereich“ liefert. Hallo? Sind wir hier im Swingerclub oder was? Bei einer künstlerischen Darbietung auf einer AIDS-Tanzgala (mit sehr gutem Ruf noch dazu) hat es gefälligst gesittet zuzugehen!

Kommen wir nun aber zur eigentlichen ecklschen Frage: Was ist jetzt also schlimm an einem nackten Körper und Nacktheit (an sich)? Um’s kurz zu machen: nichts. Gar nichts. Der Umgang des Wochenblatts mit Nacktheit konterkariert aber geradezu seinen behaupteten Anspruch. Hier wird nicht Nacktheit aus der „biedermeierschen“ Verklemmtheit herausgeholt, sondern wird die stereotype Stilisierung (in diesem Fall ausschließlich) weiblicher Körper zu sexualisierten Betrachtungsobjekten ohne jede inhaltliche Verbindung zum redaktionellen Beitrag reproduziert. Wie durch Zufall entsprechen die Körper auch noch den gesellschaftlich konstruierten und von der Gesellschaft eingeforderten „Traummaßen“. Die Körper der Damen auf dem Bild werden unter dem Vorwand der Ästhetik als Eyecatcher und Lockvogel benutzt und verwertet, damit vielleicht ein paar mehr Leute (Männer?!) in das Gratisblatt reinblättern als sonst: Juhu! WM und Titten, das zieh’ ich mir mal rein. In einer männerdominierten, antifeministischen und sexistischen Gesellschaft funktioniert diese Masche zuweilen ja ganz gut. Von der nörgelnden Else Kling einmal abgesehen.

Sexistisch, nicht liberal

Um es abschließend konkreter zu sagen: der vom Wochenblatt unterstellte offene, mutige und liberale Umgang mit Nacktheit ist das nicht. Es ist sexistisch. „Dieses Übersexualisierte in den Medien“, beklagt Christian Eckl ja auch. Achso, alles klar.

PS: Im Zweifel fragen Sie bitte vorher beim Wochenblatt nach, ob es ästhetisch in Ordnung ist, wenn Sie das nächste mal mit ihren fünf Playboy-Hasis im Arm in den Whirlpool steigen und dabei gedenken sich zu entkleiden. Man kann sich ja nie sicher sein, wann man nackt sein darf und wann nicht.

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Kommentare (7)

  • altstadtkid

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    Was die BILD Auflage steigert schadet auch dem Wochenblatt nix.
    Aber Halt, das ist ja eh umsonst!
    SEX sells stimmt halt immer wieder

  • Taxifahrer

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    Ob MZ, RD, Wochenblatt oder Blizz: Bisher hat es sich immer gelohnt die inhaltliche Erwartungshaltung an diese Blätter möglichst gering zu halten, um wenigstens ab und zu positiv überrascht zu werden.

  • ???

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    ‘Nackerte’ steigern die Leserschaft beim WB.
    Irgendwas über die Kirche (es reicht irgendein Graffiti über TvE) generiert Klicks bei RD.

    Beides sorgt für Schnappatmung bei Teilen der Leserschaft und der (über)eifrigen Kommentatoren.

    So what?

  • Aber hallo

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    Bin nur froh, dass r-d nur über sinnvolles berichtet! So z. B. über Junibäume und TvE-Plakate. Spannung pur!

  • wollwirker

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    Also bei uns im Haus nehmen nur die alten Frauen dieses Erzeugnis von Werbe-Sklaven mit in die Wohnung.
    Solche sexistischen Titelseiten sind wohl eher ein Akt der Verzweiflung.
    Apropos Sex. Freue mich schon wieder auf die nächste Werbekampagne des RVV. Hübsche Mädels in Dessous und eindeutiger Pose rekeln sich den wartenden, meist weiblichen Fahrgästen, im Bushäuserl entgegen…….ich fahr aber trotzdem mit dem Rad! So leicht kann man Männer doch nicht rumkriegen.

  • Kate

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    Danke, Herr Oswald!!!!

  • Jopi

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    Sagglzemend, so scheene Nackerte gib’s leider viel zu selten im täglichen Weltkulturerbetrubel. Gib’s des Buidl auch in HDTV ?

Kommentare sind deaktiviert

drin