Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino

Brückenbrand: 17.500 Euro für schweres Trauma

Der Brand vor drei Jahren: Der Wärter und ein Kollege waren dabei im Turm eingeschlossen. Foto: Archiv/ Staudinger
150.000 Euro Schmerzensgeld? So eine Forderung sorgt für Schlagzeilen. Der Sitzungsraum am Regensburger Landgericht war – auch angesichts entsprechender Vorberichte verschiedener Medien – am Dienstag voll. Am Ende wurde die Sache bei weitem nicht so heiß gegessen, wie sie im Vorfeld gekocht worden war. Vor drei Jahren hatte ein holländisches Schiff die Gasleitung an der Regensburger Protzenweiherbrücke gerammt. Ein Auslegekran war zu früh ausgefahren worden und hatte die Leitung aufgerissen. Das Gas geriet in Brand. Der Feuerball war weithin zu sehen und zu hören.Die Stahlträger der Brücke schmolzen und knickten ein. Sie musste später abgerissen und neu gebaut werden. Es war wohl eher ein glücklicher Zufall, dass niemand ums Leben kam. Dass das Verhalten des Schiffsführers wenigstens fahrlässig war, stehe – so das Gericht am Dienstag – außer Frage. Seitdem streiten Bund und Reederei wegen des Millionenschadens. Am Dienstag hingegen war es einer der beiden Schleusenwärter, die das Inferno miterleben mussten, der seine Forderung geltend machen wollte.

„Hilf uns! Wir verbrennen!“

Er musste – im Schleusenturm eingeschlossen – mitansehen, wie ein Feuerball die Brückenträger zum Schmelzen brachte. „Hilf uns! Hilf uns! Wir verbrennen“, soll er seinem Kollegen zugerufen haben, währen die Monitore im Turm rot schimmerten und Tür- und Fensterverkleidungen schmolzen. Am Ende konnten sowohl er als auch sein Kollege gerettet werden – „zumindest äußerlich unverletzt“, wie Richter Thomas Rauscher anmerkte. Dass der Mann bis heute unter den Folgen leidet, war ihm bei der Verhandlung deutlich anzumerken. Immer wieder schlug er die Hände vors Gesicht, mehrfach musste er den Gerichtssaal verlassen, um sich zu beruhigen, während die Rechtsanwälte um die Höhe des Schmerzensgeldes und die Übernahme von Lohnausfällen schacherten.

Der Bund klagte zu spät

Der Mann war nach dem Unfall ein Jahr lang arbeitsunfähig und musste sich stationär behandeln lassen. An der Schleuse arbeiten kann er bis heute nicht,. Er wurde versetzt. Die vom Gericht bestellte Gutachterin diagnostizierte ein posttraumatisches Belastungssyndrom. Auch angesichts dessen war der Richter bemüht, das Verfahren tief zu hängen und auf einen Vergleich zu dringen. Die Unfallkasse des Bundes, die als Nebenklägerin auftrat und die Behandlungskosten des Mannes von den Schiffseigentümern ersetzt haben wollte, blitzte am Dienstag ab. Die Forderungen seien verjährt, so Richter Rauscher. Der Bund habe zu spät Klage eingereicht.

Schmerzensgeld: „Keine amerikanischen Verhältnisse“

Und auch die schlagzeilenträchtige Schadenersatzforderung des traumatisierten Schleusenwärters wurde deutlich nach unten korrigiert. Das Schmerzensgeld sei „deutlich zu hoch taxiert“, so Rauscher. „Das deutsche Recht ist hier sehr restriktiv. Man will keine amerikanischen Verhältnisse.“ Im Rahmen eines Vergleichs einigte man sich auf 17.500 Euro. Damit sind auch alle Lohnausfälle – Schicht-, Feiertags- und sonstige Zuschläge – abgegolten. Zugute kam die hohe Schmerzensgeldforderung aber den anwesenden Rechtsanwälten zugute. An der Forderung von 150.000 Euro bemessen sich der Streitwert des Verfahrens (158.000 Euro) und die daraus abzuleitenden Gebühren für Gericht und Anwälte. Weil der Mann aufgrund des Vergleichs nur rund elf Prozent der geforderten Summe erhält und damit 89 Prozent der Verfahrenskosten tragen muss, kann man nur für ihn hoffen, dass er über eine Rechtsschutzversicherung verfügt, die diese Kosten übernimmt.
Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (7)

  • ExRA

    |

    Es wäre nett, Meister Aigner, wenn Sie den Namen des Anwalts des Klägers nennen würden. Es interessiert sicherlich nicht nur mich, wer denn auf die Idee gekommen ist, für ein “posttraumatisches Belastungssyndrom” ein Schmerzensgeld von € 150.000,- einzuklagen. Vielen Dank!

  • frage

    |

    Ich hab das vor kurzem erst gelesen und mein erster Gedanke war, wie jemand auf Schmerzensgeld klagen kann, wenn er eigentlich dafür zuständig ist, solche Unfälle zu vermeiden? Ich hab echt den falschen Job!

  • schorsch

    |

    der anwalt scheint auf jeden fall keine schmerzen zu haben… :-)

  • CE

    |

    Das was da im Gericht gelaufen ist, nennt man “Theater” mit Krokodilstränen.
    Eione groteske Forderung,
    150.000€ !verlangen, “vor lauter Schreck” ist lächerlich. . Es soll Jobs geben die deutlich unangenehmer sind.. Kassiererin in der Bahnhofs Norma z.B.. Wenn Die jedesmal Schadenersatz wegen seelischer Belastung. verlangen würden wenn es wieder recht Prolt. Brückenwärter dürfte deutlich entspannter sein.
    etwa so: Schleuse auf Knopf, Schleuse zu Knopf…fernsehen und einmal rundum gehen….was OK ist !. Muß halt einer da sein den die Schiffer anfunken können. Aber wenns mal brennt.. die Hand aufhalten… lächlerlich

  • victor lustig

    |

    warum diese missgünstigen kommentare?

    150.000,- € reichen nicht, um jemanden für dafür zu entschädigen,
    daß sein leben nicht mehr wie vor dem unglück ist.

    wir wissen alle nicht, wie es dem betroffenen wirklich geht.

  • ExRA

    |

    @victor lustig: Natürlich ist es schlimm, wenn das Leben eines Menschen nach einem Unfall nicht mehr das selbe ist, wie vorher und ich gebe Ihnen auch Recht, dass das kein Geld der Welt aufwiegen kann. Ich glaube kaum, dass der traumatisierte Brückenwärter von sich aus auf die Idee gekommen ist, 150.000,- Euro Schmerzensgeld einzuklagen, sondern dass sein ihm Anwalt eine derart unrealistische Entschädigungsforderung “eingespieben” hat, wenn Sie diesen Mundartausdruck kennen. Der Geschädigte ist nun das Gespött der Leute und muss sich hähmische Kommentare anhören, während der Anwalt im Hintergrund bleibt und trotz einer (von vorneherein feststehenden) Unterliegens-Quote von fast 90% die
    Gebühren aus dem hohen Streitwert kassiert. Deshalb würde ich gerne den Namen des Anwalts erfahren und vielleicht auch – falls ihn sein Mandant von der Schweigepflicht entbindet – seine Erklärung, warum er eine derart überzogenene Klage erhoben hat. Falls es tatsächlich die Idee des Brückenwärters selber war, Schmerzensgeld in dieser Höhe einklagen, ist das Verhalten des Anwalts kaum weniger fragwürdig. Jeder seriöse Anwalt würde sich einem derartigen Ansinnen widersetzen und zwar schon ganz einfach deshalb, weil man mit derartigen “Aktionen” ganz schnell jegliche Glaubwürdigkeit bei den Richtern verliert. Vielleicht war es ja einer der sattsam bekannten “Gebührenschinder”, von denen es leider auch in Regensburg ein paar gibt und die bei Gericht auch keiner mehr Ernst nimmt. Also, Herr Aigner – keine Angst vor der Nennung von Namen! Wer war der Anwalt des Brückenwärters? Oder war es einer von “auswärts”?

  • Rantanplan

    |

    Nana, Herr Aigner, sonst (wenn es zB. um Richter geht) sind Sie mit der Nennung von Namen nicht so schüchtern. Auch mich interessiert es _brennend_ (no pun intended ;)), wer der RA war, der seinen Mandanten derart beraten hat.

    150.000 EUR (Schmerzensgeld!) als Klage einzureichen ….. Und sich DANN zu vergleichen, ohne die Kosten zumindest einvernehmlich gegeneinander aufheben zu lassen …. Da fehlen mir echt die Worte… Der Schleusenwächter muss 89% der GESAMTEN Kosten tragen, unglaublich…

    Alleine die Verfahrenskosten bei Gericht (2x Anwaltskosten und Gerichtskosten) liegen bei knapp 14.500 EUR, davon hat der Kläger aufgrund der Kostenquote knapp 13.000 EUR zu tragen. Sein Anwalt hat am Verfahren immerhin min. gut 6.500 EUR (und damit ca. 2.000 EUR mehr als sein Mandant) verdient….. Bei einer zumindest noch irgendwie vertretbaren Klage iHv 20.000 EUR hätte der Anwalt nicht einmal die Hälfte verdient. Aber heute muss man schon schauen, wo man bleibt…. *Kopfschüttel*…

    Ja Herr Aigner, es mag “skandalös” sein, einen unter Betreuung stehenden Angeklagten zu einer Geldstrafe iHv 50 EUR zu verurteilen… IMHO ist obiger Vergleich erheblich beachtenswerter.

    Aber Achtung: Da muss man sich halt ein wenig mehr Gedanken machen, bevor man sich entrüsten kann….

Kommentare sind deaktiviert

drin