
In Regensburg schritt man schnell zur Tat…
Am 8. November 1938 kam über Rundfunk und Presse die Nachricht, dass der in Paris lebende deutsche Diplomat Ernst vom Rath den Verletzungen eines Attentates durch einen jüdischen Jugendlichen erlegen sei. Umgehend rief Reichsminister Joseph Goebbels Parteianhänger dazu auf, weitere „Ausschreitungen“ gegen Juden nicht zu unterstützen, sie aber auch nicht zu verhindern. Im Klartext also: Angriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen Ja, aber bitte sehr nicht in Uniform. In Regensburg schritt man sofort zur Tat. Von Gauleiter Fritz Wächtler kam der Befehl, die jüdische Synagoge in der Schäffnerstraße niederzubrennen. Zusammen mit der Feuerwehr und dem nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) wurde die Synagoge kurze Zeit später in Brand gesteckt. Die Reaktion des hiesigen Oberbürgermeisters Otto Schottenheim klang sichtlich zufrieden: In dieser Nacht wäre der „letzte Schandfleck von Regensburg“ zerstört worden. Und er ging noch weiter: Die Synagoge durfte nicht wieder erbaut werden. Doch nicht nur Bauten wurden zerstört, auch das Leben der jüdischen Gemeinde sollte sich in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von Grund auf verändern. SS und SA verhafteten massenhaft Juden und verwüsteten jüdische Geschäfte. Angerstorfer betont am Dienstag, dass Regensburg dabei sogar noch aus dem Rahmen fällt.Schandmarsch quer durch die Stadt
Viele der Juden wurden nicht „nur“ verhaftet, sondern darüber hinaus Schikanen der NSKK ausgeliefert. Zahlreiche jüdische Männer mussten – unabhängig von Alter oder Gesundheitszustand – auf dem Gelände der Motorsportschule des NSKK an der Irler Höhe ein „Sportprogramm“ sondergleichen absolvieren. Vor allem ältere und kranke Männer konnten dem nicht stand halten, woraufhin sie aber nur noch mehr gequält wurden. Es folgte ein fast drei Kilometer langer „Auszug der Juden“ durch Regensburg, angefangen beim Arnulfsplatz, über die Ludwigstraße bis zur Maxstraße. Unter jenen, die durch die Stadt getrieben wurden, befand sich auch Julius Lilienthal, ein Regensburger Jude, der an einer schweren Nierenerkrankung litt. Er starb wenig später an den Folgen des „Schandmarsches“. 
- Andreas Angerstorfer fand trotz jahrzehntelanger Forschung nur drei Zeitzeuginnen. Foto: Präger
Vor diesem Hintergrund sei es „purer Schwachsinn“ zu behaupten, dass das in Regensburg niemand gewusst oder mitbekommen habe, betont Angerstorfer.
Als es um das Plündern und mutwillige Zerstören jüdischer Geschäft ging, beteiligten sich zahlreiche Regensburger daran. Passanten schlugen und bespuckten die Juden, während sie durch die Stadt getrieben wurden.
„Interessant ist es deshalb umso mehr, weil sich auch nach rund 30 Jahren intensiverer Beschäftigung mit diesem Thema lediglich drei Frauen finden lassen, die sich an dieses Geschehen erinnern“, sagt Angerstorfer.
