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Befangenheitsantrag im Totschlagsprozess

Hammer-Attacke: Verteidigung will neuen Richter

Im Verfahren um versuchten Totschlag an einem Asylbewerber hat die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Carl Pfeiffer gestellt.

Schon länger auf Konfrontationskurs mit dem Richter: die Rechtsanwälte Markus Huesmann und Jörg Sodan (re.) mit ihren Mandanten. Foto: Archiv/ as

Schon länger auf Konfrontationskurs mit dem Richter: die Rechtsanwälte Markus Huesmann und Jörg Sodan (re.) mit ihren Mandanten. Foto: Archiv/ as

Es ist der Höhepunkt einer Reihe von Auseinandersetzungen, die sich zwischen Richter Carl Pfeiffer und der Verteidigung, vornehmlich Rechtsanwalt Jörg Sodan abgespielt haben: Im Prozess um den versuchten Totschlag an einem 18jährigen Flüchtling auf dem Bahnhof in Niederlindhart hat Sodan am späten Freitagnachmittag einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden der großen Jugendstrafkammer am Landgericht Regensburg gestellt. Im Erfolgsfall müsste das Verfahren komplett neu aufgerollt werden.

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Spannung gibt es schon länger

Wie berichtet, sollen die beiden Brüder Jakub und Micolaij N. sowie ihr gemeinsamer Freund Denis K. im Dezember 2014 den Asylbewerber Manu D. zurück in einen Zug gedrängt und dort auf ihn eingeprügelt haben. Jakub N. Schlug zwei Mal mit einem Nothammer auf den Kopf des Opfers ein. Der medizinische Sachverständige hatte dies am Mittwoch als „potentiell lebensgefährlich“ bezeichnet. Die beiden mehrfach vorbestraften Brüder haben die Vorwürfe nach anfänglichem Schweigen zwischenzeitlich eingeräumt. Sie wollen allerdings zuvor provoziert worden sein. Unabhängige Zeugen dafür gibt es nicht.

Bereits in den zurückliegenden Verhandlungstagen hatte es deutliche Spannungen zwischen Richter Pfeiffer und den beiden Verteidigern Jörg Sodan und Markus Huesmann gegeben. Sie kommen aus derselben Kanzlei und verteidigen das Brüderpaar. Am zweiten Prozesstag gerieten Pfeiffer und Huesmann aneinander, weil der Rechtsanwalt den Richter bei der Vernehmung einer Zeugin ins Wort gefallen war. Er habe es nicht nötig, sich von ihm belehren zu lassen, wies Pfeiffer Huesmann damals zurecht.

Am vergangenen Mittwoch war die Verhandlung durch regelmäßige Auseinandersetzungen zwischen Pfeiffer und Sodan geprägt, die mehrere Anträge, Unterbrechungen und einen regelrechten Wutausbruch des Vorsitzenden zur Folge hatten. Auch das Sodan und Huesmann bei der Befragung des Opfers Manu D. plötzlich ein Ermittlungsverfahren gegen den 18jährigen ins Spiel brachten, hatte für einige Spannungen gesorgt.

Befangenheit bei Befragung eines Sachverständigen?

Am Freitag kam es nun zum Eklat. Nach der Befragung des psychologischen Sachverständigen kündigte nun Rechtsanwalt Huesmann einen Antrag an. Nach einer Pause legte er ein Befangenheitsgesuch gegen Richter Pfeiffer vor, dem sich alle Verteidiger anschlossen. Die Befragung des Sachverständigen durch den Richter sein voreingenommen zulasten seines Mandanten gewesen. Die süffisanten und zynischen Bemerkungen des Vorsitzenden hätten gezeigt, dass er den Angeklagten wohl keinerlei Glauben schenke. 

Die Einschätzung des psychologischen Gutachters spielt für die Verteidigung eine erhebliche Rolle. Insbesondere geht es darum, inwieweit der Crystal Meth-Konsum ihrer Mandanten sich für diese strafmildernd auswirken könnte und ob etwa durch die Anordnung einer Therapie ein geringeres Strafmaß herauszuholen wäre.

Prozess müsste neu aufgerollt werden

Gerüchten, denen zufolge der Befangenheitsantrag bereits positiv beschieden worden sei, trat Landgerichtssprecher Thomas Polnik am Montag entgegen. „Die Beratungen darüber sind noch nicht abgeschlossen.“ Der Rest der Kammer ohne die Schöffen und ein weiterer Richter der Vertreterkammer müssen nun bis spätestens zum nächsten Verhandlungstag – am 5. November – entscheiden. Sollte Pfeiffer tatsächlich wegen Befangenheit abgelehnt werden, müsste der Prozess komplett neu aufgerollt werden.

Für die Verteidigung böte dies die Gelegenheit, ihre Prozessstrategie neu zu überdenken. Insbesondere die Taktik, zunächst zu schweigen und erst dann ein Geständnis nebst Täter-Opfer-Ausgleich anzubieten, nachdem der einzig unbeteiligte Zeuge die Angeklagten schwer belastet hatte, wird von Prozessbeobachtern als „unglücklich für ihre Mandanten“ bezeichnet.

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