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„Der Skandal von Riekofen kennt viele Schuldige. Pfarrer Peter K. ist jedoch der einzige, der wirklich bestraft wird für das, was geschehen ist in Riekofen zwischen 2001 und 2007.

Pfarrer Peter K.s Schuld war am Donnerstag vor der Großen Jugendstrafkammer des Regensburger Landgerichts unstrittig – er hat einen zunächst elfjährigen Jungen 22 Mal missbraucht. Seine Position als Pfarrer von Riekofen und Schönach hat er ausgenutzt. Und dabei auch noch geglaubt, der Junge sei in ihn verliebt – weil er immer wieder bei ihm auftauchte. Was zunächst mit Streicheleinheiten begann, steigerte sich, bis der Junge ihn befriedigen musste. Niemandem ist es in Riekofen komisch vorgekommen, dass der Priester für die Ministranten einen Keller eingerichtet hat, in dem Wasserpfeife geraucht wurde. Auch nicht dass er die Ministranten ständig einlud, wenn er mit ihnen auf Ausflügen in ganz Deutschland, ja sogar auf Pilgerreise beim Papst in Rom unterwegs war. Dass er Jungs bevorzugte, kein Interesse an den Mädchen unter den Ministranten zeigte– selbst das ist den Eltern in Riekofen nicht spanisch vorgekommen. K. war eben der emsige Seelsorger, der sich um die Kinder rührend kümmerte.

Bis heraus kam, was nicht nur Pfarrer K. verschwieg, sondern auch im Namen der Kirche von Regensburg nie öffentlich werden sollte: Dass er nämlich, noch als Kaplan, einen zwölfjährigen Jungen im Chorraum des Pfarrhauses in Viechtach missbraucht hatte. Und dass er verurteilt wurde zu zwölf Monaten Haft auf drei Jahre Bewährung, mit der Bedingung, nicht in der Jugendseelsorge tätig zu werden.

Heraus kam das alles nur, weil sich der Vater seines ersten Opfers per Email an den Pfarrgemeinderat von Riekofen gewandt hatte. K. erlitt damals einen Nervenzusammenbruch.

Weil die Schuld des 40jährigen Spätberufenen so eindeutig durch sein Geständnis belegt ist, verhandelte man am Donnerstag vor dem Landgericht auch darüber, welche Verantwortung die Kirche, die Justiz, ja zuletzt auch die Gutachter daran haben, dass ein Pädophiler wieder mit Jugendlichen arbeiten durfte.

Der Skandal von Riekofen kennt viele Schuldige. Die Kirche, vorneweg der damalige Generalvikar Wilhelm Gegenfurtner, wollte den Fall offensichtlich vertuschen – Eingeweihte wurden gebeten, Stillschweigen zu bewahren. Im Jahr 2001, als Pfarrer Peter K. in Sünching in einem Altenheim Sozialarbeit leisten musste, da hat er bereits Ausflüge mit den Ministranten von Riekofen organisiert. Auch ein Praktikum hat er absolviert an der Hauptschule in Sünching. Mitten in der Bewährungszeit, als ein klares Kontaktverbot zu Jugendlichen galt.

Damals war Bischof Gerhard Ludwig Müller noch nicht im Amt. Im Amt war er aber schon, als sein Pressesprecher Jakob Schötz erklärte: „K. hat ab 2001 freiwillig liturgische Dienste in Riekofen verrichtet”. Für einen Gottesdienst braucht es aber auch Ministranten – der Kontakt mit ihnen war dem Priester jedoch gerichtlich verboten.

 

Zeitungsberichte, die Pfarrer Peter K. bereits im Mai 2001 mit Ministranten entgegen der Gerichtsauflagen auf einem Bild zeigten, habe man in der Bistumsleitung nicht wahr genommen, hatte Bischofssprecher Schötz immer wieder behauptet. Dem widersprach die Aussage der ermittelnden Kriminalbeamtin vor Gericht eindeutig: „In den Personalakten, die uns die Bistumsleitung übergeben hat, waren Zeitungsberichte über Pfarrer K. auch aus dem Jahr 2001”. Eine Liste habe sie gesehen, auf der die Ausflüge verzeichnet waren, die der Priester schon ab dem Jahr 2001 mit Ministranten unternommen hatte – und die waren zahlreich. Zudem hat die Polizistin Notizen über ein Gutachten in den Personalakten gefunden, das 2000 für das Gericht im ersten Verfahren Peter K.s in Auftrag gegeben wurde. Der Bischof hatte verbreiten lassen, dass dieses Gutachten im Ordinariat nicht bekannt war. Bischofssprecher Schötz erklärt die aufgetauchten Zeitungsberichte am Rande des Prozesses ernsthaft so: „Die können auch nachträglich in die Akte gelangt sein”. Doch dass die Kirche vertuschen wollte, dass K. ein verurteilter Pädophiler ist, war auch aus der Aussage des für Riekofen zuständigen Dekans, Pfarrer Hans Bock, bei der Polizei heraus zu hören.

„Ich habe im Jahr 2003 einen Anruf von Generalvikar Gegenfurtner bekommen. Er sagte mir, dass mit K. etwas in Viechtach mit Kindern gewesen ist und dass ich ein Auge auf ihn werfen soll”, so Bock. Von da an warf er ein Auge auf K. – doch er hielt sich auch an das, was ihm der Generalvikar noch mit auf den Weg gab: „Ich sollte Stillschweigen bewahren darüber”. Die Kirche von Regensburg war bemüht, den Missbrauchsfall unter den Teppich zu kehren – so viel wurde klar am Prozesstag. Doch offenbar funktionierte das nur, weil auch ein Gutachter mitspielte. Bereits bevor es zur ersten Verurteilung in Viechtach kam, beauftragte der Personalreferent des Bistums einen Psychotherapeuten für K. Der Priester wurde in ein Kloster nach Baden-Württemberg geschickt, das gleichzeitig ein Krankenhaus betreibt. Der dortige Chefarzt der Psychiatrie therapierte K. auch mit Zustimmung des Gerichts. Dass der Therapeut bei der Kirche angestellt war, störte die Justiz offenbar nicht. Doch schon das erste Gutachten von Dr. Bernd Ottermann hatte K. bereits 2001 als Pädophilen eingestuft – und davor gewarnt, diese Neigung zu verharmlosen. Genau dies geschah offenbar – „das ist, wie wenn jemand Kopfschmerzen hat und man behandelt ihn auf Fußpilz”, sagte Ottermann am Donnerstag vor Gericht. Peinlich wird die fundierte Aussage Ottermanns nur, als er von „seiner Exzellenz dem Bischof” berichtet und davon, dass „K. darunter gelitten hat, dass der Bischof wegen ihm so diffamiert wird”. Der kirchliche Gutachter hatte K. keine Pädophilie, sondern einen „Rückfall in die Kindheit” bescheinigt – und im Jahr 2003, nach Ablauf der Bewährung, ein zwölfseitiges Schreiben an die Bistumsleitung geschickt, in dem er schrieb, dass nicht mit einem weiteren Missbrauchsfall durch K. zu rechnen ist

. „Nicht nach den Regeln der Kunst” sei es laut Ottermann gewesen, dass der Therapeut nicht sein erstes Gutachten eingeholt hatte – das lag auch dem Bistum nicht vor. Doch nach allen Verfehlungen von Kirchenmännern, Gutachtern und Juristen – wo liegt eigentlich das Kernproblem im Fall Riekofen? Einen Hinweis gab Dr. Ottermann bei seiner Vernehmung. Peter K. hatte ihm gegenüber stets betont, dass er eigentlich heterosexuell sei – „wenn es den Zölibat nicht gäbe, sagte mir K., würde er heiraten”. Doch hinter der Maske des braven Pfarrers versteckte sich nach Angaben des Gutachters Dr. Ottermann „ein Mann mit homoerotischer Kernpädophilie”. Der Zölibat, führte Ottermann weiter aus, „ist für jemanden mit einer sexuellen Störung eher hilfreich, weil es ihm hilft, seine Triebe zu unterdrücken”. Ottermann schilderte K. als einen emotional zurückgebliebenen Mann, seine Sexualentwicklung sei stark verzögert gewesen. „Sexualität ist für ihn stark Scham besetzt. Das merkte ich auch daran, dass er einen hochroten Kopf bekam, als er eingestand, dass er homosexuell ist – eigentlich etwas alltägliches”.

Die Frage, der sich die Kirche wird stellen müssen: Wenn immer weniger Männer bereit sind, im Zölibat zu leben – zieht das Priesteramt nicht zusehends Menschen wie Peter K. an, die eine krankhafte Sexualität haben? Das Gericht verurteilte K. am Donnerstag zu drei Jahren Haft und anschließend die Unterbringung K.s in eine psychiatrische Anstalt. Für die Justiz sind die Akten im Fall Peter K. geschlossen. Übrigens wurden 17 Verfahren eingestellt. Fälle von Ministranten, die K. massierte, ihnen ein Aufklärungsbuch zeigte oder während der Beichte peinliche Fragen zu ihren Genitalien stellte – all diese Geschehnisse hat die Staatsanwaltschaft nicht aufgenommen in die Anklage. Am Ende dieses Prozesses bleibt eine zerstörte Kinderseele zurück. Das Opfer, das nach Angaben seiner Anwältin Claudia Schenk Schlafstörungen hat, sich nicht mehr aus dem Haus traut, alle Kontakte meidet. Und eine Kirche, die sich keine Fehler eingestehen will. An ihrer Spitze steht ein Bischof, der sich als Opfer sieht, nicht als Verantwortlicher – im Fall Riekofen, in dem es so viele Opfer gibt, aber nur einen Täter, den man verurteilt kann.

 

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