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CSD in Regensburg

Ohne Parade, dafür mit der CSU

Seit über 40 Jahren fordern Menschen beim CSD sexuelle Selbstbestimmung und Anerkennung nicht-heteronormativer Lebensentwürfe ein. In Regensburg fand vergangenen Samstag bereits der 27. CSD statt. Und auch wenn sich hierzulande vieles verbessert habe, so machten die Rednerinnen und Redner deutlich: Es ist noch Luft nach oben.

Bunt und divers, so präsentiert sich der CSD Jahr für Jahr. Die sonst obligatorische Parade durch die Stadt musste wie schon 2020 ausfallen. Hier Mitglieder der Schwestern der perpetuellen Indulgenz – Abtei Bavaria zur Glückseligkeit des Südens e. V., die Schwestern Theresia Bavaria, Colora Subcutana Æterna und Lucretia Lucifera Regina Lux Æterna. Foto: bm

Man müsse der UEFA fast schon dankbar sein, meint Alexander Irmisch. Er ist stellvertretender Bundesvorsitzender der Arbeitsgruppe SPDqueer und in Regensburg Teil des neugegründeten Bündnisses Queeres Regensburg, ein Zusammenschluss aus zahlreichen Gruppierungen wie dem Resi e.V., Jung und Gleich oder der Hochschulgruppe AK Queer. Als Vertreter des Bündnisses steht Irmisch am vergangenen Samstag auf dem Platz vor dem alten Regensburger Rathaus. Rings um ihn herum wehen zahlreiche Fahnen. Lila-blau-grün-gelb-orange-rot gestreift. Der Regenbogen gilt weltweit als Symbol der queeren Bewegung (Was bedeutet eigentlich queer? Hier eine Erklärung) und als Zeichen des Kampfes für die sexuelle Selbstbestimmung des Menschen. Einige Leute tragen auch einen passenden Mundschutz. Manche haben sich ordentlich in Schale geworfen und trumpfen in imposanten Kostümen mit kreativem BH-Kopfschmuck auf. Auch ein wenig Leder ist hier und da zu sehen. Es ist wieder einmal Christopher Street Day (CSD) in Regensburg.

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Die sonst bunte und stimmungsvolle Parade wie es sie in den früheren Jahren gegeben hat mussten die Veranstalter erneut – 2020 fand der CSD lediglich digital statt – absagen. Stattdessen versammeln sich hunderte ab 14 Uhr auf dem Rathausplatz zur Kundgebung. Irmisch ist überzeugt: „Hätte die UEFA sich nicht so vehement dagegen gestellt, hätte das Thema in den letzten Wochen niemals so viel Aufmerksamkeit erfahren.“ Der europäische Fußballverband hatte der Landeshauptstadt München untersagt, die Allianzarena während des EM-Spiels Deutschland gegen Ungarn in den Regenbogenfarben zu beleuchten.

Politik bekennt Farbe, aber nicht an jedem Ort

Kritik kam damals von fast allen Seiten. Selbst Ministerpräsident Markus Söder hatte sein Unverständnis darüber mitgeteilt. Das Maximilianeum, Sitz des bayerischen Landtags, stattdessen zu erleuchten wie von Teilen der Opposition gefordert, ging den Christsozialen dann aber doch zu weit. Sie stimmten im Ältestenrat zusammen mit der AfD gegen den Vorschlag der SPD. Selbst der Koalitionspartner Freie Wähler zeigte sich daraufhin enttäuscht.

Der CSD erinnert an die Aufstände in der Christopher Street in New York am 28. Juni 1969. Foto:bm

Anstatt der Allianzarena und des Landtags leuchteten bundesweit viele andere Stadien und Gebäude im Zeichen des Regenbogen. Ein Zeichen gegen die Haltung der UEFA sollte es sein, und natürlich auch gegen die Politik der ungarischen Regierung von Viktor Orbán. Dessen „Anti-Homo“-Gesetz sorgt seit Wochen für Unruhen auf europäischer Ebene.

Auch am Samstag auf dem Rathausplatz kommt die Rede ein ums andere Mal auf die ungarische und auch auf die polnische Regierung, die ebenfalls einen immer strikteren Kurs gegen LGBTIQ-Personen fährt. Also Homo- und Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle und all jene, die sich selbst nicht in den traditionellen Rollenbildern von Mann und Frau wiederfinden.

„Not silent until treated equal“

„Not silent until treated equal“, steht auf dem Schild einer jungen Frau. Man werde erst schweigen, wenn alle Menschen gleichbehandelt werden. Eine Forderung, die auch auf die Wurzeln des CSD im Jahr 1969 rekurriert. Damals am 28. Juni kam es in New York zu den sogenannten Stonewall-Aufständen. Im Stonewall Inn, einer Schwulenbar in der Christopher Street, gab es eine Polizeirazzia. Die Menschen protestierten daraufhin gegen Polizeiwillkür und gaben damit den Anstoß für die moderne queere Bewegung. An diesen Protest erinnert seit vielen Jahren weltweit der Christopher Street Day.

Ausgelassene Stimmung auf dem Domplatz vor den Ständen der Parteien und Organsiationen – nicht immer mit Mundschutz und Abstand.

„Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.“ Mit den Worten des großen Deutschen Literaten Johann Wolfgang von Goethe fasst auch die Schirmherrin des Regensburger CSD Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer all das zusammen, worum es der Bewegung bis heute geht: Gesellschaftliche Anerkennung und Gleichberechtigung. Regensburg müsse auch weiterhin weltoffen bleiben und sich gegen Diskriminierung und Ausgrenzung stellen, so Maltz-Schwarzfischer. Dem schließen sich auch die Bundestagsdirektkandidaten Robert Fischer (ÖDP) und Rainer-Michael Rößler (FW) in ihren kurzen Ansprachen an. Auch Brücke-Stadtrat Thomas Thurow ist vor Ort und spricht sich für mehr Gleichberechtigung aus.

Der CSD: „Familie“ und „Homeland“

Jürgen Mistol, Landtagsabgeordneter der Grünen, und Ulrich Lechte, MdB der Regensburger FDP, sind seit vielen Jahren auf dem CSD anzutreffen. Für Lechte, seit über 20 Jahren auch Mitglied des Resi e.V. ist der CSD auch „immer wie Familie“. Da herrsche Toleranz und Akzeptanz, „auch unter den Parteien“, mit Ausnahme der AfD. „Wenn von euch irgendwer der irren Annahme ist, die wählen zu müssen, dann kommt bitte an die Infostände, damit wir euch den Schmarrn wieder ausreden können“, so Lechtes Angebot.

OB Maltz-Schwarzfischer und Astrid Freudenstein stellen sich an die Seite der queeren Bewegung.

Dass die Infostände in diesem Jahr vor dem Regensburger Dom stehen, begrüßt Astrid Freudenstein als „wichtiges Zeichen“. Die Sozialbürgermeisterin ist die erste CSU-Vertreterin die jemals an einem Regensburger CSD teilgenommen hat – OB Hans Schaidinger war all die Jahre immer wieder terminlich verhindert… Das nötige Respekt ab, sagt Irmisch vor dem Rathaus. Immerhin habe sie sich „in die Höhle des Löwen gewagt“. Ja, der CSD sei nicht das „Homeland“ ihrer Partei, gesteht Freudenstein. Auch habe man sich intern nicht gerade darum gestritten, wer am Samstag sprechen werde. Dennoch zeigt ihre Teilnahme, ebenso wie die Anwesenheit ihres Parteikollegen und Bundestagsabgeordneten Peter Aumer, wie viel sich bei dem Thema zuletzt bewegt hat.

Freudenstein will wieder kommen

Freudenstein, in weißem Oberteil und blauer Jeans, erzählt zunächst: „Auch mein 17-jähriger Sohn hat mir daheim gerade noch beschieden ich sei falsch angezogen.“ Daran wolle sie im kommenden Jahr eventuell „mit etwas mehr Farbe“ arbeiten. „Das reißt es aber wahrscheinlich auch nicht raus“, ergänzt sie selbstkritisch. In dem Themenfeld sei sie nicht besonders gut bewandert. Das habe aber einen guten Grund. Sie könne „das Gefühl, Menschen auf Grund ihrer sexuellen Orientierung zu bewerten“, nicht nachempfinden. „Mir ist es tatsächlich sehr fremd, auch aus der Überzeugung heraus, dass sich der liebe Gott bei jedem einzelnen Menschen was dabei gedacht hat und er garantiert nie unterschieden hätte“. Gegenüber unserer Redaktion erklärt auch Peter Aumer wenig später, seine Partei sei sicherlich nicht vorne dran bei dem Thema. Aber es sei eine Entwicklung eingetreten. Manchmal würden gewisse Dinge Zeit brauchen.

Der erste Besuch der CSU beim Christopher Street Day löst bei den Veranstaltern und Teilnehmern gemischte Gefühle aus. So wird Freudensteins Versprechen, „wo auch immer rechtlich Lücken bestehen, müssen diese geschlossen werden“, kurz von Zwischenrufen begleitet. Irmisch fordert die CSU später auf, „auf die Worte Taten folgen“ zu lassen. Die Partei habe sich bisher zu oft „in die Quere gestellt“.

Nicole Hölzl von Equality Oberpfalz fordert mehr Sichtbarkeit im öffentlichen Raum. Beratungsstellen und Treffpunkte seien gerade am Land Mangelware.

Zu wenig Hilfe, zu viel Bürokratie

Und Nicole Hölzl vom Verein „Equality Oberpfalz“ bemängelt fehlende Beratungsstellen und Treffpunkte sowie eine noch immer zu geringe öffentliche Sichtbarkeit. Besonders in ländlichen Strukturen sei es für queere Menschen sehr schwer, einen Umgang mit sich selbst zu finden. Deshalb habe sich der Verein vor knapp zwei Jahren gegründet.

Hier knüpft auch ein Vertreter der Selbsthilfegruppe Trans-Ident an. Die Gruppe ist für Menschen mit transidentem Empfinden gedacht, also Personen, die sich nicht ihrem biologischen Geschlecht zugehörig fühlen. Die Betroffenen müssten zu viele bürokratische Hürden durchlaufen, wenn sie eine Anpassung ihres Geschlechts vornehmen lassen wollen. Tatsächlich wird Transsexualismus bislang auf Grundlage der derzeit geltenden internationalen Klassifikation von Krankheiten ICD 10 als psychische Krankheit eingestuft. Ein Umstand, gegen den Verbände und Organisationen seit mehreren Jahren angehen.

OB: CSD eines Tages als Fest der gelungenen Gleichberechtigung

Kritik gibt es am Samstag zudem an zwei kürzlich erfolgten Abstimmungen im Bundestag. Mitte Mai lehnte die Große Koalition in Berlin einen Antrag der FDP-Fraktion zur Stärkung der geschlechtlichen Selbstbestimmung und einen Grünen-Antrag zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes und Einführung des Selbstbestimmungsgesetzes ab.

Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer hofft, eines Tages den CSD nicht mehr als politische Notwendigkeit, sondern als buntes Fest zur Feier einer gleichberechtigten Gesellschaft begehen zu können. Bis dahin werde aber auch in den kommenden Jahren der Regenbogen über der Stadt wehen und die Rechte von LGBTIQ-Menschen einfordern, das machen die Menschen auch auf dem Domplatz deutlich. Dort versammeln sich nach der Kundgebung mehrere hundert Menschen an den Infostände der Parteien und Organisationen ein.

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Kommentare (11)

  • Mathilde Vietze

    |

    Es ist ein Unding, Menschen, die anders sind, als “nicht normal” zu betiteln.
    Ich freue mich, daß die Homosexuellen und Lebsen auf die Straße gehen
    und dort (friedlich) demonstrieren. Das ist ihr g u t e s R e c h t .

  • Bayer

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    2018 noch Orban noch zum Parteitag eingeladen, bis dieses Jahr noch mit ihm in der EVP Fraktion gewesen und jetzt ne Rede am CSD schwingen, wirkt sehr authentisch von der Fähnchen im Wind- Partei.

  • Irene

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    Ich kann mich eigentlich mit vielen Begriffen anfreunden, aber sollte man nicht mit konsequent sein?
    Equality Oberpfalz => Equality Upper Palatinate
    Oder man bleibt einfach bei der deutschen Sprache?
    Ich denke mit Grausen an Backshop u. dergl.

  • Christian Muggenthaler

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    Ist doch gut. Menschen lernen dazu und alles, bitte alles ist gut, was uns über die blöde Schwarz-Weiß-Zeichnerei hinwegbringt.

  • Historiker

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    @Marhilde Vietze

    Der Ursprung des CSD war ein gewaltsames aufbäumen der LGBTIQ+ Bewegung in New York, mit friedlichen Protest wären wir heute nicht da wo wir heute sind!

  • Hthik

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    Von der Schwulenverfolgung zur Schwulenanbiederung. Jetzt ist die CSU eben adabei, so wie schon immer wenn ein Schützenverein oder sonstwer ein Bierzelt aufstellt.

    Mit einer freiheitlichen und vernünftigen Einstellung zu Sexualität und Reproduktion hat das kaum zu tun. Die Normen zur Abtreibung sind nach wie vor kläglich, der angebliche Prostituiertenschutz ist ein Gesetz zur Förderung erpressbarer Importprostitution und zum Sexualstrafrecht zitiere ich nur mal LTO

    “Die Verschärfung der Strafen hatte nach einem im Sommer bekannt gewordenen Missbrauchsfall in NRW vor allem die Union gefordert. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht hatte dies jedenfalls für den Bereich der Kinderpornografie zunächst strikt abgelehnt …
    Lambrecht formulierte damit genau die Kritik, die dem Gesetz jetzt von nahezu allen Expertinnen und Experten entgegengehalten wird. Allerdings vollzog die Justizministerin selbst wenige Tage auf Druck der Union eine bemerkenswerte Kehrtwende …”

  • Julian86

    |

    Kommentar gelöscht. Bitte beim Thema bleiben.

  • Mathilde Vietze

    |

    Zu “Historiker” – Das mag ja sein, was seinerzeit in den Staaten vor sich ging,
    Aber hierzulande muß mit f r i e d l i c h e m Protest den Gegnern des CSD
    der “Wind aus den Segeln” genommen werden. Auch die ärgsten Beton-
    köpfe müssen erkennen, daß Schule und Lesben ganz n o r m a l e Men-
    schen und keine Monster, vor denen man sich fürchten muß.

  • Harry

    |

    Ich wüsste grad auch nicht, wann in Deutschland jemals Demonstrationen oder Paraden von queeren Menschen nicht friedlich gewesen wäre.
    Zum Kontext, es gab ein Gesetz gegen das Tragen “gegengeschlechtlicher” Kleidung in den USA, und die Razzien waren für die Betroffenen entwürdigend. Wer weiß, wo wir jetzt ständen, wenn sich da jemand versucht hätte, “friedlich” durchzuklagen …

Kommentare sind deaktiviert

drin