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Novemberpogrom in Regensburg

Ein überfälliges Buch

Der „Auszug der Juden“ war bei allem Terror der Reichspogromnacht eine traurige Regensburger Besonderheit. Zum 75. Jahrestag ist das erste Buch zum Novemberpogrom in Regensburg erschienen.

Spießrutenlauf durch die Regensburger Altstadt: der "Auszug der Regensburger Juden".

Spießrutenlauf durch die Regensburger Altstadt: der “Auszug der Regensburger Juden”.

Eigentlich ist es ein peinliches Jubiläum: 75 Jahre hat es gedauert, bis das erste Buch zum Novemberpogrom 1938 in Regensburg erschienen ist. Und was Waltraud Bierwirth und Klaus Himmelstein nach akribischer Archiv-Recherche auf rund 130 Seiten herausgearbeitet haben, ist mit seinen zahlreichen Belegstellen nicht nur eine lange überfällige Aufarbeitung Regensburger Stadtgeschichte.

Das Buch macht – auch dadurch, dass immer wieder der Bezug zum generellen Vorgehen der NS-Führung hergestellt wird – deutlich, wie systematisch und planvoll die Entrechtung, der Terror und die Ermordung der jüdischen Bevölkerung vonstatten ging. Es entreißt durch die lebendigen, detailreichen und engagierten Schilderungen die Ereignisse vom November 1938 in Regensburg der gesichts- und emotionslosen Historisierung. Es benennt die Opfer und die Täter.

Die 1912 errichtete Neue Synagoge in der Schäffnerstraße.

Die 1912 errichtete Neue Synagoge in der Schäffnerstraße.

Wer weiß, dass in Städten wie Augsburg oder Straubing die Feuerwehr und Bürgermeister sich gegen den Brandbefehl für die Synagoge stellten? In Regensburg war das Anzünden der Synagoge eine koordinierte Aktion unter ausdrücklicher Billigung von NS-Oberbürgermeister Otto Schottenheim. Federführend dabei der Brigadeführer des Nationalsozialistischen Kraftfahrkorps (NSKK) Wilhelm Müller-Seyffert, dessen Mannen sich mit der SS darum stritten, wer die Synagoge nun anzünden dürfe.

Die ausgebrannteSynagoge. Unmittelbar nach dem Feuer begann der Abbruch.

Die ausgebrannte Synagoge. Unmittelbar nach dem Feuer begann der Abbruch.

Wer weiß heute noch, dass es ein 16jähriger Junge, Paul Oettinger, war, der das Schild vom „Auszug der Juden“ bei dem Schandmarsch tragen musste? Sein Vater, der Rechtsanwalt Fritz Oettinger, war ein verdienter Veteran des I. Weltkriegs, dessen Demütigung den SA-Terrortrupps ein besonderes Anliegen gewesen zu sein scheint. Der „Schandmarsch“ ist eine traurige Regensburger Besonderheit, die unter Ägide von Müller-Seyffert und mit Duldung Schottenheims durchgeführt wurde. Unter den Augen hunderter Regensburger wurden ihre jüdischen Mitbürger durch die Stadt getrieben, mussten zwangsexerzieren und wurden anschließend für mehrere Wochen nach Dachau verfrachtet.

Unter dem Kommando von NSKK-Brigadeführer Müller-Seyffert formiert sich der "Marschzug" auf dem St. Georgenplatz.

Unter dem Kommando von NSKK-Brigadeführer Müller-Seyffert formiert sich der “Marschzug” auf dem St. Georgenplatz.

Wer weiß, dass Otto Schottenheim in seinem glühenden Antisemitismus bereits für die Zwangssterilisierung jüdischer Regensburgerinnen und Regensburger sorgte, noch ehe dies zur allgemeinen Politik der NS-Führung wurde? In einem Fall mit dem klar formulierten Ziel, eine „jüdisch verseuchte Familie“ auszurotten? 634 Menschen wurden allein bis Kriegsbeginn in Regensburg zwangssterilisiert.

Wer weiß noch, dass über 20 SS- und Gestapo-Leute, die an den Zerstörungen und dem Terror beteiligt waren, nach dem Krieg wieder in den Polizeidienst übernommen wurden? Etwa Franz Eisinger, bei der Gestapo zuständig für das „Judenreferat“ und später bis zu seiner Pensionierung Kommissar bei der Kripo.

Und dass viele der Täter ihre glimpflichen Urteile und teilweisen Freisprüche Bischof Michael Buchberger verdanken, der NS-Verbrechern Persilscheine im großen Stil ausstellte? Unter ihnen: der BVP-NSDAP- und spätere CSU-Oberbürgermeister Hans Herrmann, zuständig für die „Arisierung“ jüdischen Eigentums, unter anderem des Synagogen-Grundstücks, das er der jüdischen Gemeinde für einen Spottpreis abpresste, um es anschließend gewinnbringend weiter zu verkaufen. Später wiederum erstritt Herrmann für Schottenheim und gegen den Willen des Stadtrats eine Pension für seinen alten Nazi-Kumpel.

NSDAP-Kreisleiter Wolfgang Weigert koordniert die Deportationen nach Dachau.

NSDAP-Kreisleiter Wolfgang Weigert koordiniert die Deportationen nach Dachau.

Bierwirth und Himmelstein beschreiben auch den langen Weg der jüdischen Gemeinde zu einer neuen Synagoge. Durch Zuwanderung ist die Gemeinde heute auf über 1.000 Mitglieder gewachsen, die alle Veranstaltungen nach wie vor in einem kleinen, maroden Gemeindesaal abhalten müssen. Uns fehlt der Platz zum Atmen“, sagt die Vorsitzende Ilse Danziger in einem Interview, das das Buch beschließt. Seit 2010 gibt es den Plan der jüdischen Gemeinde, eine neue Synagoge zu errichten. Dies scheitert bislang unter anderem an den fehlenden Finanzen. Denn eine wirkliche Entschädigung für die 1938 zerstörte Synagoge ist bis heute nicht erfolgt.

Waltraud Bierwirth und Klaus Himmelstein: Das Novemberpogrom und der lange Weg zu einer neuen Synagoge. Herausgeber: IG Metall, Jüdische Gemeinde, pax christi, Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten. Regensburg 2013. wahlhallanet-Verlag. ISBN: 978-3-9814689-4-6.

Das Autorenhonorar kommt dem Neubau der Synagoge zugute.

Kriegsende in Regensburg

Bundeswehr-Kameradschaft hält an Kriegstagebuch-Fälscher Robert Bürger fest

Obgleich die Legende des ehemaligen Wehrmachtsmajors Robert Bürger in ihren Grundfesten zerstört wurde, hält die Regensburger Bundeswehr-Kameradschaft (ERH) an den Erzählungen des selbsternannten Retters Regensburgs fest. Ihr Vorsitzender Oberst a.D. Norbert Hettmer plant eine Verteidigungsschrift, womit er die Bürger-Legende intern mit eigenen Überlegungen aufrechterhalten will. Neulich aufgetauchte Unterlagen bezichtigen Bürger jedoch erneut als Kriegstagebuch-Fälscher.

Haushalt 2013

Der letzte Haushalt des Hans Schaidinger

Ein hochmotivierter Stadtrat beschließt einen Sensationshaushalt von 785 Millionen Euro Gesamt-Etat, inklusive eines Investitionsprogramms mit fast 551 Millionen Euro. Nach unserem Live-Ticker direkt aus der Sitzung gestern folgt nun die ausführliche Betrachtung der Haushaltsdebatte: ein Oberbürgermeister, der vom Ober-Optimisten zum Mahner wird, und viele Grundsatzreden, die mit dem Wahlkampf natürlich alle nichts zu tun haben.

Evangelisches Krankenhaus

Gebäude soll auf keinen Fall verkauft werden

Nach der Diskussion zum Evangelischen Krankenhaus vergangene Woche haben OB Hans Schaidinger und Dr. Helmut Reutter gegenüber unserer Redaktion erneut Stellung zu den Gründen für die Schließung genommen. Kritiker freuen sich über die neuen Informationen, fragen aber: Warum nicht gleich so?

Wahlkampf mit der Westtrasse

Pontifex Schlegl

Der OB-Kandidat der CSU will Brücken bauen – über die Donau und zu kritischen Bürgern. Die Brücken zum Koalitionspartner werden hingegen immer brüchiger. Am Dienstag präsentierte Christian Schlegl einen Vorschlag für eine ÖPNV-Ersatztrasse.

JU-Vergangenheit holt Schlegl ein

Unschöne Erinnerungen

Unangenehme Geschichten aus der Vergangenheit holen OB-Kandidat Christian Schlegl derzeit auf Facebook ein. Es geht um braune Saufpartys Anfang der 90er. Für aufmerksame Beobachter sind das alte Geschichten, die im letzten Kommunalwahlkampf ein bestimmendes Thema waren. Die Initiatorin sagt: „ Ich glaube, dass viele Bürger damals und heute das Ganze gar nicht auf dem Schirm haben. In meinem Umfeld sind sehr viele Menschen über Herrn Schlegl empört.“

Andrang bei Asylverhandlungen

45 Minuten für ein Menschenleben

Fast täglich entscheidet das Regensburger Verwaltungsgericht über Menschen, die sich am ohnehin mageren Asylrecht der Bundesrepublik festhalten und in Deutschland bleiben möchten. Am Freitag geschah dies vor einem ungewöhnlich großen Publikum.

Strafakte Denk

Parteispenden nicht deklariert: Strafanzeige gegen Edmund Stoiber

Die Skandal-Ermittlungen gegen den Journalisten Hubert Denk fördern bemerkenswerte Details zutage. Aus den Akten ergibt sich: Parteispenden des Laborunternehmers Bernd Schottdorf im Jahr 2005 wurden von der CSU nicht ordnungsgemäß deklariert. Eine Strafanzeige gegen Dr. Edmund Stoiber hat die Staatsanwaltschaft München I heute eingestellt. Die Entscheidung fiel offenbar binnen einer Stunde. Der Journalist Denk belegt: Die Staatsanwaltschaft lügt.

Ehrung für Karlheinz Götz am Stadtfreiheitstag

Die von der Stadtluft Befreiten

Am Samstag wurde in Regensburg wieder der Stadtfreiheitstag mit einem Festakt begangen, um an die Verleihung des Städterechts im Jahr 1245 zu erinnern und ausgewählte „Bürger” zu ehren. Unter ihnen: Der von Gewerkschaftern und Stadträten zuletzt scharf kritisierte Reinigungsunternehmer Karlheinz Götz.

Neuer Konzessionsvertrag

Stromnetz: Kritik an Geheimverhandlungen

1994: Die Union unter Kohl setzt sich bei der Bundestagswahl gegen Scharpings SPD durch, §175 StGb wird gestrichen, Kurt Cobain erschießt sich und die Playstation kommt in Japan raus – alles gefühlt schon ewig her. Auch 1994: Die Stadt Regensburg schließt einen Konzessionsvertrag mit der REWAG zum Betrieb des Stromnetzes der Stadt. Der läuft demnächst aus. Bei der Neuvergabe regiert die Stadt am Bürger vorbei, wie anno dazumal.

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