Schmeicheleien unerwünscht, Drohungen wirkungslos
Früher wurde sie dem rechten Parteiflügel zugeordnet: Die Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD. Mittlerweile steht sie am linken Rand. „Dabei haben sich unsere Positionen nicht verändert“, sagt ein Gründungsmitglied. Am Dienstag diskutierte die AfA in Regensburg über die Rente mit 65.

Uli Grötsch und Peter Sturm (v.l.) wollen eine Minderheitenposition in der SPD auf die Tagesordnung setzen: Rente mit 65. Foto: Archiv
„Ich hoffe, ich hab jetzt niemanden vergessen“, sagt der Regensburger AfA-Vorsitzende Bruno Lehmeier am Ende seiner Begrüßung.Ein hoffnungsloses Unterfangen: Er hätte eigentlich fast alle der rund 40 Anwesenden namentlich erwähnen müssen. Zur Diskussion „Solidarität statt Altersarmut“ ist nämlich eine beachtliche Reihe an Funktionsträgern aus SPD und Gewerkschaften in den Brandlbräu gekommen.
Der DGB-Vorsitzende Christian Dietl, Reinhard Peter von der IG Bau, der frisch gewählte Juso-Vorsitzende Juba Akili, die Gewerkschaft ver.di ist mit Bezirksgeschäftsführer Alexander Gröbner und Bezirksvorsitzendem Manfred Hellwig gleich zwei Mann hoch vor Ort. SPD-Altbürgermeister Walter Annuß ist ebenso da wie die stellvertretende Stadtverbandsvorsitzende Gertrud Maltz-Schwarzfischer, Gerhard Kulig und Brigitte Wilhelm von der ARGE 60plus, der stellvertretende Landrat Sepp Weitzer sitzt neben dem Stadtamhoferer Ortsvorsitzenden Karl Brunnbauer. Selbst Margit Rötzer, Bezirksgeschäftsführerin von SJD/Die Falken, in Regensburg nicht unbedingt als SPD-nah verschrien, ist gekommen. Leicht verspätet schneit auch der Regensburger Direktkandidat für den Bundestag Karl Söllner herein.
Der Stargast musste kurzfristig absagen
Das Thema Rente zieht – und das obwohl der eigentlich angekündigte „Stargast“ Klaus Barthel kurzfristig absagen musste – er verhandelt an diesem Tag in seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender der AfA, der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der SPD, gerade in Berlin mit dem frisch gekürten Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, dem DGB und den Spitzen der SPD über deren Rentenkonzept. Für ihn ist kurzfristig Uli Grötsch eingesprungen, SPD-Direktkandidat für den Bundestag aus der Nordoberpfalz, im Brotberuf Polizist.
Die Rentendiskussion innerhalb der SPD soll die breite Parteibasis erreichen und die Debatte befeuern – das ist erklärtes Ziel der Veranstaltung. Die AfA lehnt den Rentenvorschlag der Parteispitze rundweg ab. „Die Ungerechtigkeit besteht aus zwei Zahlen“, sagt der AfA-Bezirksvorsitzende Peter Sturm. „67 und 43.“ Das Renteneintrittsalter und das Rentenniveau, das Sigmar Gabriel kürzlich als Ziel ausgegeben hat. Dem entgegen stellt die AfA die Rente mit 65 bei einem Mindestniveau von 51 Prozent. „Das ist ohnehin schon sehr niedrig angesetzt“, so Sturm. Diese Position vertrete die AfA auf allen Ebenen ohne Wenn und aber. „Wir reagieren weder auf Schmeicheleien noch auf Drohungen.“
Die AfA: Sinnbild für eine geänderte SPD
Bezeichnend ist, was Ludwig Wörner, Gründungsmitglied und langjähriger Landesvorsitzender einmal im Rahmen eines Vortrags über die AfA gesagt hat: Bei ihrer Gründung Anfang der 70er wurde die Arbeitsgemeinschaft eher dem rechten Parteiflügel zugeordnet. „Mittlerweile stehen wir weit links, dabei haben sich unsere Positionen nicht verändert.“ Dafür aber die SPD.

Vorgezogenes Rededuell der beiden Bundestagskandidaten Karl Söllner und Uli Grötsch, rechts: der Regensburger AfA-Vorsitzende Bruno Lehmeier. Foto: as
Und tatsächlich waren die Positionen, die Uli Grötsch in seinem Kurzreferat vorstellt, in den Zeiten vor Gerhard Schröder einmal ursozialdemokratisch, werden zwischenzeitlich aber eher mit der Linkspartei in Verbindung gebracht, die gerade im Westen zu einem Großteil aus Ex-SPD-Mitgliedern und Gewerkschaftern besteht: Rente mit 65, eine Rückkehr zur rein staatlichen Rentenversicherung, Vermögens- und Erbschaftssteuer, höhere Löhne.
Andocken an die Linkspartei?
„Die Rente mit 67 war der historisch größte Fehler in der glorreichen Geschichte der SPD“, so Grötsch etwas pathetisch. Die Rentendebatte dürfe zudem nicht isoliert von der Einkommensentwicklung in Deutschland sehen. Mit einem Reallohnminus von 4,7 Prozent in den zurückliegenden neun Jahren sei Deutschland Schlusslicht in der EU. Der Vorletzte Österreich habe immerhin noch ein Plus von 2,7 Prozent zu verzeichnen, vom europäischen Spitzenreiter Norwegen mit 25 Prozent Plus ganz zu schweigen. 30 Prozent der Generation bis 35 Jahre müsse in prekären Beschäftigungsverhältnissen über die Runden kommen. Die Arbeitgeber, „die nur noch fünf Prozent des gesamten Steueraufkommens leisten“, müssten stärker in die Verantwortung genommen werden, so Grötsch.
Die anschließende Diskussion entwickelt sich schnell zur Debatte darüber, inwieweit die SPD nicht an die Linkspartei „andocken“ müsse.
Hier ist vor allem Karl Söllner skeptisch. Zwar teile auch er die Ansicht, dass Vermögende stärker zur Kasse gebeten werden müssen, allerdings lehnt er eine Zusammenarbeit mit den Linken ab. Da fehle es „immer noch an der Aufarbeitung der SED-Zeit“.
„Beinfreiheit nur auf dem Boden der Sozialdemokratie“
Wer etwas positives über die Linke sage, gelte man schnell als Parteiverräter, sagt dagegen ver.di-Bezirksgeschäftsführer Alexander Gröbner, selbst SPD-Mitglied, etwas unglücklich. Dabei müsse man sich endlich die Frage stellen wie Forderungen von Bündnissen wie „Umfairteilen“, das vergangene Woche in Regensburg mehrere Veranstaltungen organisiert hatte, auch im Parlament vertreten werden. Dass „der Mensch, den die SPD-Spitze da gerade zum Kanzlerkandidaten gekürt hat“ (Peer Steinbrück) verkündet habe, dass er dagegen die FDP ganz interessant finde, sei schon sehr befremdlich, so Gröbner
„Ich sehe mich nicht als links“, sagt Grötsch. Er sei ein ganz normaler Sozialdemokrat und „docke bei denen an, die dieselben inhaltlichen Positionen haben wie ich“. Die Angst vor der Linkspartei verstehe er nicht. Deren Außenpolitik sei zwar „katastrophal“, aber was von dort zu Löhnen, Renten und Steuern komme, „klingt mir doch sehr vertraut“. Die SPD brauche jetzt eine lebendige Debatte. „Das größte Problem einer Partei ist, wenn sie sich nur einer Person unterordnet.“ Peer Steinbrück dürfe ruhig die von ihm eingeforderte „Beinfreiheit“ haben. „Dafür muss er aber auf dem Boden der Sozialdemokratie stehen.“
„Ein zweites Rot-Grün überlebt die SPD nicht“
Zuversichtlich gibt sich AfA-Bezirksvorsitzender Sturm am Ende des Abends. „Nicht alle in der SPD würden es bedauern, an die Linkspartei anzudocken“, so Sturm. „Einige der heiligen Kühe des Neoliberalismus wurden in den letzten Jahren schon von der Weide geführt und wenn einige jetzt wieder zurückgeführt werden sollen, dann muss man vielleicht mal an die neoliberalen Ochsen ran.“ Eine weitere rot-grüne Regierung nach dem Modell Gerhard Schröder überlebe „weder die SPD noch diese Republik“.