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Schweigen beim Bandidos-Prozess

Rocker reden nicht

Im Prozess gegen fünf Rocker von den Bandidos schweigen sowohl die Angeklagten wie auch ein erster Zeuge. Der NPD-Funktionär Sascha Roßmüller wird von der Staatsanwaltschaft als treibende Kraft hinter der Attacke auf Mitglieder des konkurrierenden Gremium MC Straubing vermutet.

Tattoo-Schaulaufen auf der Anklagebank: Fünf Bandidos werden gefährliche Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Fotos: Witzgall

Tattoo-Schaulaufen auf der Anklagebank: Fünf Bandidos werden gefährliche Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen. Fotos: Witzgall

Straubinger Blutnacht – so haben mehrere Medien eine Auseinandersetzung zwischen Rockern getauft, die in der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember 2010 in Straubing stattgefunden haben und die nun vor dem Landgericht Regensburg aufgeklärt werden soll. Mehrere Bandidos vom (mittlerweile aufgelösten) Chapter Regensburg sollen sich zu einem Angriff auf Mitglieder des konkurrierenden Rockerclubs Gremium verabredet haben. Zum Einsatz sollen dabei Baseballschläger, Dachlatten, Messer und Reizgas, aber auch Schusswaffen gekommen sein. Es gab mindestens zwei Schwerverletzte. Federführend dabei soll der NPD-Funktionär Sascha Roßmüller gewesen sein. Er soll die Abwesenheit des damaligen Clubpräsidenten Ralf K. ausgenutzt haben, um die Attacke zu organisieren. Neben ihm sind vier weitere Bandidos angeklagt. Der Vorwurf lautet auf gemeinschaftliche schwere Körperverletzung und Landfriedensbruch „in einem besonders schweren Fall“.

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Ermittlungen hemmten Parteikarriere und kosteten die Sicherheitsfirma

Ein erstes Verfahren wegen des Angriffs war zunächst eingestellt worden, doch zwischenzeitlich bietet die Staatsanwaltschaft unter anderem just den einstigen Clubpräsidenten als Kronzeugen auf, gegenüber dem die Angeklagten den Vorfall seinerzeit zugegeben haben sollen. Die neuerliche Anklage war mit ein Grund dafür, dass Roßmüller nicht mehr zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der NPD gewählt wurde. Wegen der Ermittlungen verlor er bereits 2013 die Zulassung für seine Sicherheitsfirma. Erst im März wurde der 42jährige unter Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. Er ist derzeit arbeitslos und sitzt als Beisitzer im bayerischen Landesvorstand der Partei. Vor Gericht lässt er sich von dem Szeneanwalt Frank Miksch und dem Grafenauer Rechtsanwalt Bernd Weishäupl vertreten.

Sascha Roßmüller mit seinen Verteidigern Bernd Weishäupl (li.) und Frank Miksch. Foto: Witzgall

Sascha Roßmüller mit seinen Verteidigern Bernd Weishäupl (li.) und Frank Miksch. Foto: Witzgall

Der befürchtete Rockeraufmarsch blieb zum Prozessauftakt am Donnerstag aus. Lediglich eine Handvoll Bandidos fand sich als Unterstützung für die Angeklagten im Gerichtssaal ein. Nachmittags gesellten sich kurzzeitig einige Mitglieder des MC Gremium dazu, um einem Zeugen den Rücken zu stärken.

Doch zu erfahren gibt es ohnehin nicht viel. Die Angeklagten schweigen. Ein Mitglied des Gremium MC, Wirt der Kneipe vor dem sich die Auseinandersetzung zugetragen haben soll, hat seine Rechtsanwältin Ricarda Lang mitgebracht und macht von seinem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch, da er sich möglicherweise selbst belasten könne. Er soll bei dem Hauen und Stechen eine sieben Zentimeter lange Schnittwunde im Gesicht erlitten haben – nur gegen heftigen Widerstand von Rechtsanwältin Lang findet zumindest die Inaugenscheinnahme des Zeugen statt.

Ex-Bandidos-Präsi ein V-Mann?

Rechtsanwalt Helmut Mörtl, der den Angeklagten Stephan H. vertritt, hat die Wortführerschaft bei den Verteidigern inne. Von Beginn an stellt er die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen Ralf K. infrage.Er wolle, wissen, welche Vereinbarungen es zwischen ihm und der Staatsanwaltschaft gebe, ob und wie lange K. unter Umständen bereits als V-Mann oder Spitzel für die Polizei oder den Verfassungsschutz gearbeitet habe. Mörtl vermutet „rechtsstaatswidrige Ermittlungen“ gegen seinen und die anderen Mandaten und spricht von „nebulösem und verschleierndem Verhalten“ durch Polizei und Staatsanwaltschaft. „Das ganze Verfahren ist davon sprichwörtlich kontaminiert.“ Mörtl fordert alle Ermittlungsakten gegen den Kronzeugen Ralf K. offenzulegen, ebenso eventuelle Vereinbarungen mit der Staatsanwaltschaft. Nur vor diesem Hintergrund ließe sich die Glaubwürdigkeit dieses Zeugen bewerten, sagt Mörtl in einer Verhandlungspause. 

Wortführerschaft unter den Verteidigern: Helmut Mörtl. Foto: Witzgall

Wortführerschaft unter den Verteidigern: Helmut Mörtl. Foto: Witzgall

Ähnlich scharf nimmt Mörtl den polizeilichen Sachbearbeiter der Ermittlungen ins Kreuzverhör. Der schildert zunächst, dass der als Zeuge geladene Gremium Wirt die Polizei gerufen und Anzeige erstattet habe. Er habe stark geblutet. Auch andere Gremium-Mitglieder hätten „offene Läsuren“ gehabt, jedoch samt und sonders ausgesagt, unverletzt zu sein und ansonsten geschwiegen. Durch Telefonüberwachung und Zeugenvernehmungen sei man schließlich nach und nach an die Namen möglicher Schuldiger gekommen. Auf Messern habe man die DNA zweier Angeklagter festgestellt – unter anderem die von Roßmüller. Der Angeklagte Klaus Peter Sch. habe sich durch sein hartes Vorgehen bei der Auseinandersetzung das Bandidos-Prädikat „Expect no Mercy“ erworben. Ein entsprechendes Patch habe man bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt, so der Kriminalhauptkommissar. Roßmüller sei nach Zeugenaussagen die treibende Kraft hinter dem Angriff gewesen. Er haben von Gremium zu den Bandidos gewechselt – seitdem habe eine intensive Feindschaft zwischen ihm und dem verletzten Wirt bestanden.

„Kartenhaus des schweren Landfriedensbruchs“

Rechtsanwalt Mörtl zieht indes in Zweifel, dass die Ermittlungen unvoreingenommen geführt wurden. Ob man denn auch dahingehend ermittelt habe, dass dies kein geplanter Angriff gewesen sei? Wie man denn zu der hohen Zahl von mindestens zehn Beteiligten komme? Warum sich der Zeuge nicht mehr daran erinnern könne, einer Wirtin Informationen über seinen Mandanten gegeben und ihr geraten zu haben, ihn nicht mehr ins Lokal zu lassen?

Alles Fragen von Mörtl, die einerseits die Glaubwürdigkeit des polizeilichen Sachbearbeiters und die Qualität der Ermittlungsarbeit erschüttern sollen. Andererseits will er den Vorwurf des schweren Landfriedensbruchs vom Tisch bekommen. Für diesen ist insbesondere die Zahl der Angreifer ausschlaggebend. Das Strafmaß liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Mörtl spricht von einem „Kartenhaus“, das bald zusammenstürzen werde. 

Insgesamt 25 Zeugen

Zum Ende des ersten Prozesstags ist noch unklar, ob zur Fortsetzung am Montag wie geplant der Kronzeuge Ralf K. vernommen werden kann. Das Gericht will zunächst den stellvertretenden Leiter der Ermittlungen vernehmen und Unterlagen zu einer eventuellen Tätigkeit von K. als V-Mann und Ermittlungen gegen ihn anfordern. Insgesamt sind neun Verhandlungstage angesetzt, bei denen 25 Zeugen vernommen werden sollen.

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Kommentare (5)

  • Drahteselrocker

    |

    liest sich wie der Bericht eines aus den Rudern gelaufenen Kindergeburtstages..
    und sowas darf wählen & Kinder kriegen… tsss…

  • Jürgen Rei

    |

    @Drahteselrocker
    Ihre Kindergeburtstage müssen ja einen bleibenden Eindruck bei Ihnen hinterlassen haben

  • Der wohlwollende Deal mit dem Kronzeugen » Regensburg Digital

    |

    […] der Staatsanwaltschaft aufgebotene Kronzeuge auch das von ihr gewünschte Ergebnis bringen wird. Wie berichtet, sind fünf Bandidos angeklagt, in der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember 2010 vor der… Die Vorwürfe lauten auf gefährliche Körperverletzung und Landfriedensbruch in einem besonders […]

  • Geldstrafe für NPD-Rocker » Regensburg Digital

    |

    […] ist der letzte Tag im Regensburger Rocker-Prozess. Mehrere Mitglieder der Bandidos und eines Supporter-Clubs stehen seit August wegen des Vorwurfs der …. Es geht um eine Auseinandersetzung, die sich vor mittlerweile fünf Jahren vor einer Kneipe in […]

Kommentare sind deaktiviert

drin