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Beiträge mit Tag ‘Buchbesprechung’

Elly Maldaque war das erste Nazi-Opfer in Regensburg? Ein kürzlich erschienenes Buch räumt mit dieser Legende auf und zeichnet ein vergessenes Stück Regensburger Stadtgeschichte nach.

der-fall-maldaqueEine Lehrerin wird bespitzelt. Dabei arbeiten die Staatsorgane mit Nazis zusammen. Und schließlich wird die junge Frau wegen vermeintlich bewiesener kommunistischen und damit demokratiefeindlichen Gesinnung entlassen. Nein. Wir befinden uns nicht im Hier und Heute und es geht nicht um den Verfassungsschutz. Wir befinden uns im Regensburg der 30er Jahre und die Frau, um die es geht heißt Elly Maldaque.

Ungeklärter Tod in Karthaus

Die Lehrerin ist am 20. Juli 1930 unter mysteriösen Umständen in der Irrenanstalt Karthaus gestorben. Zuvor wurde sie von einer Bürokratie unter dem Einfluss der heraufdämmernden Nazi-Zeit systematisch fertig gemacht. Sie wurde im Auftrag der Polizei von Nazis bespitzelt. Weil sie bei Kommunisten Klavier gespielt und sich für deren Ideen begeistert hatte, flog sie aus dem Staatsdienst und schließlich – nach einem Nervenzusammenbruch – erklärte ein Amtsarzt sie für „selbst- und gemeingefährlich” und ließ sie nach Karthaus verfrachten. Nach neun Tagen war die bis dahin körperlich völlig gesunde 36jährige Frau tot.

In der breiten Wahrnehmung und zuletzt auch in einer Vortragsankündigung von Altoberbürgermeisterin Christa Meier (SPD) wird Maldaque gerne als das erste Opfer der Nazis in Regensburg bezeichnet (Update: Am Dienstag hat Christa Meier diese Position bei ihrem Vortrag zurückgenommen und korrigiert.)

Dass man es sich damit sehr einfach macht, einen Gutteil der Stadtgeschichte ausblendet und die Umstände von Maldaques Tod verharmlost, legt das kürzlich erschienene Buch „Elly Maldaque – ein Willkürakt mit Todesfolge“ in beeindruckender Klarheit und gestützt durch einen umfangreichen Anhang dar. Erstmals wir darin auch das Tagebuch der „Lehrerin von Regensburg“, wie Ödön von Horvath Maldaque in einem ihr gewidmetem Theaterstück bezeichnete, komplett veröffentlicht.

Die BVP: Ein Kind Regensburgs

Dabei legen die Autorinnen Waltraud Bierwirth, Luise Gutmann, Klaus Himmelstein und Erwin Petzi auch ein Stück vernachlässigter Regensburger Stadtgeschichte offen. Sie erinnern daran, dass es die hier 1919 gegründete Bayerische Volkspartei (BVB) war, die damals in Bayern regierte. Unter der Ägide dieser klerikal-konservativen Vorläuferin der CSU wurde Maldaques Entlassung durchgedrückt – übrigens im Widerspruch zur Weimarer Reichsverfassung, gegen den Widerstand von Lehrerverbänden und Schülereltern. Im Gegenzug paktierte die BVP mit der NSDAP und beließ nationalsozialistische Lehrer im Staatsdienst, während gleichzeitig zur Hatz auf Kommunisten und Freidenker geblasen wurde.

Über 90 Zeitungsartikel erschienen seinerzeit deutschlandweit zum „Fall Maldaque“. Das Buch beschäftigt sich insbesondere mit den Regensburger Veröffentlichungen. Es zeichnet die Berichterstattung und das Verbot kommunistischer und sozialdemokratischer Blätter nach, denen zuvor schon die BVP das Leben schwer gemacht hatte. Und es zeigt die Karriere eines Journalisten, der sich vom Hofschreiber der Nazis zum anerkannten Redakteur im Nachkriegs-Regensburg der 70er wandeln konnte. Interessant sind auch die Reaktionen von katholischer und evangelischer Kirche in Regensburg, die Maldaques Entlassung in ihren Publikationen ausdrücklich begrüßten.

Altburschenschaftler, Vizekanzler, Denunziant

In einem eigenen Beitrag beschäftigt sich Waltraud Bierwirth am Beispiel der Regensburger Universität mit der Kontinuität der Gesinnungsschnüffelei in den 70er und 80er Jahren. Dort sorgte der „ewige Vizekanzler“ Jörg Wiesner dafür, dass mancher Akademiker und Lehrer ob seiner zu linken Einstellung Berufsverbot erhielt. Trotz Widerstand von der Universitätsleitung und obwohl ihm später ein Gericht „Zweifel an seiner Verfassungskonformität“ bescheinigte, tat Wiesner dies mit dem Wohlwollen und tatkräftiger Unterstützung der bayerischen Staatsregierung und war bis 2008 als Vizekanzler der Universität tätig. Der Altburschenschaftler ist nur ein Beispiel dafür wie ein Staat im Zuge des Radikalenerlasses Spitzeln und Denunzianten eine Plattform bot, um so vorgeblich für die freiheitlich-demokratische Grundordnung einzutreten.

Warunung vor Vertrauen in den Obrigkeitsstaat

In diesen Zusammenhang gestellt wird der „Fall Maldaque“ zu einer Warnung vor einer all zu unkritischen Haltung gegenüber einem und Vertrauen in einen Obrigkeitsstaat, der für sich in Anspruch nimmt, die alleinige Definitionshoheit über das gesellschaftliche Gemeinwesen, die Grundwerte der Demokratie und vor allem der Identifizierung ihrer vermeintlichen Feinde zu haben.

Elly Maldaque war nicht Opfer der Nazis, sondern einer herrschenden politischen und gesellschaftlichen Haltung, in der aktive Gegner der Nationalsozialisten bekämpft wurden, so dass deren Machtübernahme zumindest beschleunigt, wenn nicht gar erst ermöglicht wurde.

Waltraud Bierwirth, Luise Gutmann, Klaus Himmelstein, Erwin Petzi: Der Fall Maldaque. Ein Willkürakt mit Todesfolge. Verlag Friedrich Pustet. Regensburg 2013.

Erinnerungen eines Geradlinigen

Es ist ein fast vergessenes Stück Zeitgeschichte und gleichzeitig das Porträt eines beeindruckenden Menschen: Die „Regensburger Erinnerungen“ von Walter Zauner. Zum Geburtstag, Zauner wäre heuer 80 Jahre alt geworden, ist eine Neuauflage der Erinnerungen des Regensburgers erschienen, der in den 50ern internationale Solidarität erfuhr und von offizieller Stadtseite bis heute geflissentlich ignoriert wird.

Toni Deboni: Krimis für die Westentasche

Seit 2009 hat Regensburg einen neuen, heimlichen Krimi-Helden: Toni Deboni – ein obercooler Motorradfahrer, der Sprüche klopft und den Frauen nachstellt, ein Bier trinkender und fluchender Grobian mit Sinn für soziale Gerechtigkeit. Zunächst als Hauptkommissar in Zürich, löst Toni Deboni schon bald seine Fälle als privater Ermittler in Regensburg. Fünf spannende Bände sind inzwischen erschienen, […]

Verbrechen Liebe

Seit Jahren arbeitet der BR-Autor Thomas Muggenthaler zum „Verbrechen Liebe“ während der NS-Zeit. Erst vor kurzem hat er den Ort der Hinrichtung eines polnischen Zwangsarbeiters ausfindig gemacht (am kommenden Montag Thema in der Sendung “Aus Schwaben und Altbayern”) . In seinem 2010 erschienenem Buch dokumentiert Muggenthaler das Schicksal von über 20 polnischen Männern, die wegen Beziehungen zu deutschen Frauen hingerichtet wurden.

Niveau des Irrationalismus

Ursula Caberta ist ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete in Hamburg und leitete 18 Jahre lang, bis zu deren Auflösung, die „Arbeitsgruppe Scientology“ bei der Behörde für Inneres in Hamburg. Nach ihrem „Schwarzbuch Scientology“ von 2007 legte sie 2010 das „Schwarzbuch Esoterik“ vor. „Wir sind auf einem Niveau  angekommen, das endlich ernst genommen werden muss“, konstatiert sie auf S. […]

Wenn der Krieg um 11 Uhr aus ist, seid ihr um 10 Uhr alle tot!

„Wenn der Krieg um 11 Uhr aus ist, seid ihr um 10 Uhr alle tot!“ So lautet der Untertitel eines P-Seminars für Geschichte am Neutraublinger Gymnasium, dessen Einzelbeiträge nun in kleiner und gefälliger Buchform vorliegen. Zu Recht wurden die Schülerarbeiten zum KZ-Außenlager Obertraubling vielfach mit Lob und Anerkennung bedacht, auch wenn man Schlagzeilen wie „Kriegszeit aufgearbeitet“ und der Rede, das Thema KZ-Außenlager sei vorher tabuisiert worden, nicht folgen mag.

Mobbing konkret

Die beiden Diplompsychologinnen Ursula Vogt und Christa Eggerdinger haben ein kleines Buch zum Thema Mobbing im Betrieb vorgelegt, das ihre profunden Kenntnisse und Erfahrungen aus Seminaren, Coachings etc. zusammenfasst und einer breiteren Leserschaft verfügbar macht. Mobbing wird dabei definiert als ein Prozess, der über einen normalen Konflikt dadurch hinausgeht, dass er über einen längeren Zeitraum […]

Banal, schwül, peinlich

„Gero oder Der leichte Sommer“ ist der erste Roman der Lappersdorfer Autorin Angelika Seitz, die sich bisher in anderen literarischen Genres (v.a. Gedichten, aber auch Heimatkundlichem) sowie in anderen Kunstformen wie der Malerei versucht hat. Inhaltlich geht es um eine Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen dem freiheitsliebenden Maler Gero, der schönen, aber allzu abhängigen Elsa und der Ich-Erzählerin […]

Der sachliche Massenmörder

Dem Schweizer Schriftsteller Jürg Amann fielen bei einer Theaterarbeit in Wien die Aufzeichnungen von Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz, in die Hände. Höß hatte in der Krakauer Untersuchungshaft, zwischen seiner Verhaftung durch die britische Militärpolizei und seiner Verurteilung zum Tod, etwa 300 Seiten beschrieben; Amann hat diese strukturiert und verdichtet, ohne Nennenswertes hinzuzufügen. Entstanden […]

Lokalkolorit ohne Tiefgang

Soeben erschien mit „Herzstich“der erste Roman der jungen Regensburger Autorin Sonja Silberhorn. Er gehört zur immer beliebter werdenden Gattung der Heimatkrimis, auf die sich der Kölner Emons-Verlag spezialisiert hat. „Herzstich“ spielt und wurzelt in Regensburg. Dem Charme des Lokalkolorits kann man sich als Regensburger schwer entziehen – ein wichtiger Schauplatz ist zum Beispiel die Ostengasse, […]

Bösartiger Tumor beflügelt die Wissenschaft

Im Jahr 1951 starb im Johns Hopkins Hospital in Baltimore, Maryland, USA, eine schwarze Frau mit nur 31 Jahren an einem bösartigen Tumor des Gebärmutterhalses. Sie stammte aus sehr einfachen Verhältnissen und hatte mit 14 Jahren das erste der fünf Kinder bekommen, die sie hinterließ. Im Januar des Jahres 1951 war sie ins Krankenhaus gekommen, […]

„Wie das Leben wiederaufersteht“

Für Ilse Danziger vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde ist es ein „wichtiger Baustein in der traditionellen langen Geschichte der Juden in Regensburg“, die bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht. Das Buch, das Dr. Roman P. Smolorz am Donnerstag vorstellte, behandelt dagegen einen vergleichsweise kurzen, aber bislang kaum erforschten Zeitabschnitt: „Juden auf der Durchreise. Die Regensburger Jewish […]

Deutsch-türkische Familiengeschichten

Lale Akgün ist nicht nur Türkin und Psychotherapeutin, sondern zudem politisch aktiv – ein Umstand, der bei beiden Bevölkerungsgruppen eher selten vorkommt. Akgün war sogar von 2002 bis 2009 für die SPD im Bundestag. Ihre Erfahrungen in der SPD-Bundestagsfraktion, noch mehr aber die mit ihrer Familie verarbeitet sie in heiteren, manchmal boshaften Geschichten. Schon 2008 […]

Integrationsunwillige Muslime?

In der aktuellen Debatte um die Integration insbesondere der muslimischen Zuwanderer in Deutschland, die Thilo Sarrazin mit seinen rassistischen Aussagen erneut angeheizt hat, sind empirische Daten und differenzierte Informationen dringend vonnöten, um den weitverbreiteten Vorurteilen und Missverständnissen zu begegnen. Ein Bericht wie der von Ahmet Toprak („Integrationsunwillige Muslime?“), der für sich in Anspruch nimmt, die […]

Ein Geist mit Lokalkolorit

Spannendes Lesefutter für junge Leserinnen und Leser liefert die freischaffende Redakteurin Rebecca Sollfrank-Grossmann aus Kallmünz mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans „Ole und das Urnenmädchen“. Ole aus Hamburg verbringt mit seinem Vater ziemlich langweilige Ferien auf dem Campingplatz Kallmünz, als bei einer archäologischen Grabung ein Skelett aus der Urnenfelderzeit freigelegt wird. Durch einen Blitzeinschlag materialisiert […]

Regensburg bitterböse

„Die geheime Liebe des Boris B.“ ist eine größtenteils sehr gelungene, wenn auch bitterböse Satire auf Personen und Ereignisse in Regensburg. Mit spitzer Feder und teilweise nur leicht verfremdet nimmt der Autor Regensburger Persönlichkeiten wie den Bürgermeister, die Fürstin oder den Bischof aufs Korn. Die Rahmenhandlung – der einer Regensburger Patrizierfamilie entstammende Boris Beluga ist […]

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