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Volkstrauertag: Rede von OB Hans Schaidinger

Es gilt selbstverständlich das gesprochene Wort. Rede von Oberbürgermeister Hans Schaidinger anlässlich der Gedenkveranstaltung zum Volkstrauertag am Sonntag, 13. November 2011, Ehrenmal „Unter den Linden“ Regensburger Stadtpark, 11.45 Uhr ______________________________ Anrede Zum 60. Mal begehen wir in diesem Jahr hier in Regensburg und in der gesamten Bundesrepublik den Volkstrauertag, im Gedenken an die Kriegstoten und Opfer der Gewaltherrschaft aller Nationen. Als am 16. November 1952 der Volkstrauertag zum ersten Mal offiziell in der jungen Bundesrepublik begangen wurde – bereits 1950 hatte es auf Initiative des Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge mehrere regionale Gedenkveranstaltungen und auch eine zentrale Gedenkstunde im Plenarsaal des Bundestages gegeben – da standen die Schrecken von Krieg, Gewaltherrschaft und Vertreibung den Menschen noch deutlich vor Augen. Viele von ihnen litten damals noch unter den körperlichen und seelischen Folgen, warteten noch auf Heimkehrer aus der Kriegsgefangenschaft, auch hier bei uns in Regensburg. Viele von uns haben Väter, Großväter oder Urgroßväter, Brüder, Onkel oder andere Verwandte auf den Schlachtfeldern verloren. Sie zählen zu den mehr als 4 Millionen deutscher Soldaten, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben ließen oder deren Schicksal bis heute noch ungeklärt ist. Ihrer gedenken wir an diesem Tag in besonderer Weise. Indem wir Kränze niederlegen, das Lied „Der gute Kamerad“ und unsere Nationalhymne singen, pflegen wir eine lebendige Tradition. Und wir dürfen nicht müde werden, unseren Kindern und Enkelkindern zu vermitteln, wie wichtig es für ist für uns alle, diese Tradition des Erinnerns lebendig zu halten und dem Vergessen Einhalt zu gebieten. Was in der Wahrnehmung der jungen Menschen schon kaum mehr präsent ist: Gerade bei uns in Regensburg und in der Oberpfalz erinnern noch heute viele Familiennamen an die Schicksale von damals – an die Opfer von tragischer Flucht und gewaltsamer Vertreibung aus dem Sudetenland oder Schlesien, aber auch aus Ostpreußen oder Pommern. Wir gedenken deshalb heute auch der rund 15 Millionen Menschen, die ihre Heimat verloren und der mehr als 2 Millionen, die bei Flucht und Vertreibung ihr Leben lassen mussten (Quelle: Statistisches Bundesamt, vgl. http://www.stmas.bayern.de/vertriebene/kulturerbe/index.php). Wenn wir heute zum 60. Mal hier stehen, dann können sich viele von uns nicht mehr vorstellen, dass die Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, einer ethnischen Gruppe oder einer politischen Partei – dass ein körperliches oder geistiges Gebrechen oder gar die sexuelle Orientierung Grund für massenhafte Verfolgung und Ermordung waren. Doch wenn von den Opfern des Nationalsozialismus die Rede ist, dann wird allzu oft vergessen, dass dazu auch all jene Soldaten gehören, die gegen ihre Überzeugung in den Krieg ziehen mussten. Die im Kampf gefallen sind oder verwundet wurden. Die in Kriegsgefangenschaft ihr Leben verloren haben oder jahrelang darum kämpfen mussten. Wer von ihnen „Glück“ hatte und diesen menschenverachtenden Krieg überlebt hatte, wurde und wird Zeit seines Lebens von der Erinnerung an die Gräuel des Krieges verfolgt. Auch diese Menschen waren Opfer des Nationalsozialismus! Das dürfen wir nicht vergessen. Auch wenn wir uns vielleicht nur noch schwer vorstellen können, dass damals so viele geschwiegen haben und nicht eingeschritten sind. Dass so viele unter der Flagge des Nationalsozialismus in den Krieg gezogen sind. Aber können wir uns sicher sein, dass wir an ihrer Stelle anders gehandelt hätten, wenn wir Repressalien hätten fürchten müssen oder gar Angst hätten haben müssen um unser eigenes Leben? Vom Ehrenmal „Unter den Linden“ sind es nur wenige Schritte zum Friedhof der jüdischen Gemeinde Regensburgs, die mehr als tausend Jahre hier nachweisbar und beheimatet ist. Viele ihrer Mitglieder mussten die Demütigungen des Nazi-Terrors ertragen. Viele wurden in die Vernichtungslager deportiert. Viele wurden dort grausam ermordet. Rund 250 der unzähligen jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Vernichtungsmaschinerie waren Regensburger Bürgerinnen und Bürger. Ob nun direkt oder indirekt – wir alle haben einen Bezug zu den Opfern der Kriege und der Gewaltherrschaft. Aber ist der Volkstrauertag heute, bald 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges, für uns auch noch ein Tag des aktiven Trauerns? Hat sich all das Geschehene für uns nicht immer mehr in die Geschichtsbücher und historischen Dokumentationen zurückgezogen, gerade für jene unter uns, denen „die Gnade der späten Geburt“ zuteil wurde? Seit die ersten deutschen Soldaten im Kosovo und in Bosnien und Herzegowina fielen und auch bei uns in Ostbayern Opfer des Afghanistan-Krieges zu beklagen waren, seit dieser Zeit stellt sich diese Frage so nicht mehr. Die Schrecken des Krieges, auch wenn sie nicht in unserer Heimat geschehen sind – sie sind längst wieder bei uns angekommen. Und so ist das Trauern heute am Volkstrauertag sowohl ein Prozess der Auseinandersetzung mit der Geschichte unseres eigenen Landes und unserer Stadt – die Beschäftigung mit den Schicksalen der Menschen von damals. Es ist aber auch ein ehrendes Gedenken an die 99 deutschen Soldaten (Quelle: www.bundeswehr.de, Todesfälle im Auslandseinsatz, Stand 07.11.11), die bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr ums Leben gekommen sind. Eine Beschäftigung mit den Schicksalen der Menschen von heute. „Die Zeit ist vergänglich und der Mensch allzu leicht zum Vergessen geneigt. Es ist daher notwendig, trotz der Sorgen des Alltags und des ewigen Kampfes ums Dasein wenigstens an einem Tag im Jahr derer zu gedenken, die ihr kostbarstes Gut, ihr Leben, (…) für die Heimat und das Volk hingegeben haben.“ Dieser Satz hat in 60 Jahren nichts von seinem mahnenden Charakter verloren, er gilt heute am 13. November 2011 genauso wie am 17. November 1952. Damals hatte die Mittelbayerische Zeitung in Regensburg mit diesen Worten den Sinn und Zweck des ersten offiziellen Volkstrauertages in Deutschland zusammengefasst. Der Volkstrauertag – den wir immer am vorletzten Sonntag vor Beginn des Advents begehen – hat in unserer Zeit zwei große Aufgaben: er soll das Vergessen anhalten und uns allen eine stete Mahnung sein. Bei der Einweihung eines Soldatenfriedhofes im Jahre 1952 fand der damalige Bundespräsident Theodor Heuss folgende Worte: „Die in den Gräbern ruhen, warten auf uns, auf uns alle. Sie wollen gar nicht, dass wir mit lauten Worten sie Helden nennen. Sie haben für uns gekämpft, gezagt, gelitten, sie sind für uns gestorben.“ Sie waren Menschen wie wir. Ihre Stimmen mahnen uns, den Frieden zu bewahren. Aus diesem Geiste heraus, spreche ich heute das Totengedenken: Wir gedenken der Opfer von Gewalt und Krieg, der Kinder, Frauen und Männer aller Völker. Wir gedenken heute der Soldaten, die in den Weltkriegen starben, der Menschen, die durch Kriegshandlungen oder danach in Gefangenschaft, als Vertriebene und Flüchtlinge ihr Leben verloren. Wir gedenken derer, die verfolgt und getötet wurden, weil sie einem anderen Volk angehörten, einer anderen Rasse zugerechnet wurden oder deren Leben wegen einer Krankheit oder Behinderung als lebensunwert bezeichnet wurde. Wir gedenken derer, die ums Leben kamen, weil sie Widerstand gegen Gewaltherrschaft geleistet haben, und derer, die den Tod fanden, weil sie an ihrer Überzeugung oder an ihrem Glauben festhielten. Wir trauern um die Opfer der Kriege und Bürgerkriege unserer Tage, um die Opfer von Terrorismus und politischer Verfolgung, um die Bundeswehrsoldaten und anderen Einsatzkräfte, die im Auslandseinsatz ihr Leben verloren. Wir gedenken heute auch derer, die bei uns durch Hass und Gewalt gegen Fremde und Schwache Opfer geworden sind. Wir trauern mit den Müttern, Ehefrauen, Schwestern und Töchtern und mit allen, die Leid tragen um die Toten. Aber unser Leben steht im Zeichen der Hoffnung auf Versöhnung unter den Menschen und Völkern, und unsere Verantwortung gilt dem Frieden unter den Menschen zu Hause und in der Welt.
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Kommentare (3)

  • Andreas Schmal

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    Wer künstlich Opferzahlen hochrechnet und die Täter der Wehrmacht unter die Opfer einreiht sollte sich ernsthaft Gedanken machen über seine politische Orientierung.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Vertreibung_der_Deutschen_aus_der_Tschechoslowakei

    Die 1990 von den Außenministern der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakischen Föderativen Republik, Hans-Dietrich Genscher und Jiří Dienstbier, begründete „Deutsch-Tschechoslowakische Historiker-Kommission“ kam 1997 zu folgendem Ergebnis:

    „Die Angaben über die Vertreibungsopfer, d. h. über die Menschenverluste, die die sudetendeutsche Bevölkerung während und im Zusammenhang mit der Vertreibung und zwangsweisen Aussiedlung aus der Tschechoslowakei erlitten hat, divergieren in extremem Maße und sind deshalb höchst umstritten. Die in deutschen statistischen Erhebungen angegebenen Werte streuen zwischen 220.000 und 270.000 ungeklärten Fällen, die vielfach als Todesfälle interpretiert werden, die in bisher vorliegenden Detailuntersuchungen genannte Größe liegt zwischen 15.000 und – maximal – 30.000 Todesfällen.

    Von 18.816 belegten Opfern der Vertreibungen und der Abschiebung waren 5.596 ermordet worden, 3.411 verübten Suizid, 6.615 kamen in Lagern um, 1.481 bei Transporten, 705 unmittelbar nach dem Transport, 629 bei einer Flucht und bei 379 Toten konnte man keine eindeutige Todesursache zuordnen.

  • peter sturm

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    lieber andreas schmal,

    über die politische gesinnung unseres oberbürgermeisters herrscht ja kein zweifel. die ist strammrechts.
    seine rede mutet eigentümlich und an vielen stellen deplatziert an. sie erinnert mich an die rede von philipp jenninger aus dem jahre 1988.

  • smallie

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    Wie bereits angemerkt wurde, hat die Rede einen gewissen Drall und enthält die eine oder andere Ungereimtheit.

    Einige weitere Punkte:

    das beginnt bei der Datierung auf das Jahr 1952. Damals wurde zwar der erste Volkstrauertag in der BRD gefeiert, ab es gab ihn bereits vorher in der Weimarer Republik und im dritten Reich – dort als Heldengedenktag. Eine bemerkenswerte Auslassung – als ob der Hurra-Patriotismus, mit dem deutsche Soldaten in den ersten Weltkrieg zogen, nicht so recht ins Bild passte. Insgesamt beschleicht mich hier das selbe Gefühl, das mich auch beschleicht, wenn ich auf Kriegerdenkmälern lese: “Unseren Helden.”

    Es geht weiter mit dem Bezug auf die Vertreibung aus den deutschen Ostgebieten. Wie so oft bei diesem Thema vergisst Schaidinger die Ursache zu erwähnen: die Deutschen wurden vertrieben, um Platz zu schaffen für die ostpolnische Bevölkerung, die ihrerseits von den Russen aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Letztlich war das eine Folge aus dem Hitler-Stalin-Pakt, der die Aufteilung Polens vorsah. Stalin hat sich an den Vertrag gehalten sowie seine Hälfte Polens behalten. Nazi-Deutschland hat einen völkerrechtswidrigen Vertrag mit den Sowjets geschlossen, diesen Vertrag gebrochen – und nun beklagt man das daraus resultierende Leid. Zynisch gesagt und in zwei Worten: schlechte Verlierer.

    Ganz falsch ist dann dieses Zitat aus der Mittelbayerischen anno 1952:

    „Die Zeit ist vergänglich und der Mensch allzu leicht zum Vergessen geneigt. Es ist daher notwendig, trotz der Sorgen des Alltags und des ewigen Kampfes ums Dasein wenigstens an einem Tag im Jahr derer zu gedenken, die ihr kostbarstes Gut, ihr Leben, (…) für die Heimat und das Volk hingegeben haben.“

    Dieser Satz hat in 60 Jahren nichts von seinem mahnenden Charakter verloren, er gilt heute am 13. November 2011 genauso wie am 17. November 1952.

    Damals hatte die Mittelbayerische Zeitung in Regensburg mit diesen Worten den Sinn und Zweck des ersten offiziellen Volkstrauertages in Deutschland zusammengefasst.

    Die Gefallenen des I. und des II. Weltkrieges haben ihr Leben nicht für “die Heimat und das Volk” hingegeben, sie wurden Opfer verblendeten Stolzes und wahnwitziger Ideologie.

    Wenn Schaidinger hier eine Parallele sieht zu den deutschen Gefallenen aus Jugoslawien und Afghanistan, dann spielt er seinem politischen Gegner in die Hände.

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