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Brennpunkt des Misstrauens

„Auf kaum einem Areal gab es in den letzten 30 Jahren so viele unterschiedliche Vorstellungen“, murmelt Hans Schaidinger ins Mikrophon. „Da ist es normal, dass viele dieser Vorstellungen auf der Strecke bleiben.“ Da hat der Oberbürgermeister recht. Das Thema Donaumarkt bewegt nach wie vor die Gemüter: An die 200 Regensburger sind am Mittwoch in den Leeren Beutel gekommen, um über den „Brennpunkt Donaumarkt“ und dessen aktuelle vorgesehene Bebauung zu diskutieren. Die fast 20 Jahre verfolgten Stadthallen-Pläne vermochten die Wunde im Stadtbild nicht zu heilen,die dort in den 60ern von Stadtvätern geschlagen wurde, um ein irrwitziges Straßenprojekt zu verwirklichen (mehr darüber). Nach dem letzten gescheiterten Stadthallen-Versuch nebst Bürgerentscheid 2006 beschloss man eine Bebauung, die sich an der historischen Struktur orientieren sollte. Ein grobes Bebauungskonzept wurde aus dreien ausgewählt, auch Bürgerbeteiligung gab es damals. Wenn auch nur die notwendigste. Und je konkreter die Bebauungspläne nun werden, desto lauter wird auch der Widerspruch. Einige scheinen, dieser Eindruck entsteht am Mittwoch, noch nie etwas von der Diskussion um den Donaumarkt mitbekommen zu haben. Die vom Stadtrat auf den Weg gebrachte Vermarktungsphase für zwei Grundstücke auf dem Donaumarkt und damit einhergehende breite Berichterstattung war es, die letztlich den Anstoß zu dieser Veranstaltung gab.

„Nicht visionär, aber historisch ehrlich“

Der Entwurf, den die Stadt vorgelegt habe, sei zwar „kein visionärer Ansatz, aber eine historisch ehrliche Lösung“, sagt ein Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege auf dem Podium. Allerdings müsse man über mehrere Details noch intensiv reden. Und diese Details sind vielfältig und liegen im Auge des Betrachters.
Drei Stunden Diskussion: Am Ende bleibt Misstrauen. Im Bild, v. l.: Stadtheimatpfleger Werner Chrobak, OB Hans Schaidinger, die Anwohnerin Gülistan Varli-Önal, Moderator Sigi Höhne, Rainer Schmidt (Forum Regensburg), Dr. Michael Schmidt (Landesamt für Denkmalpflege) und Stefan Ebeling (Altstadtfreunde). Foto: Baumgärtner
Oberbürgermeister Hans Schaidinger war es, wie verlautet, ein Anliegen, an der Veranstaltung teilzunehmen. Mit zwei Vertreterinnen der Verwaltung stellt er sich fast drei Stunden den durchweg kritischen Fragen des Publikums. Wogen glätten, Vertrauen schaffen, lautet die Devise an diesem Abend. Eine Informationsveranstaltung der Stadt wurde dafür übrigens gestrichen. Auch wenn Schaidinger am Mittwoch weitgehend um einen sachlichen Auftritt bemüht ist und sich mit der ihm ansonsten oft eigenen Polemik zurück hält: Vertrauensstiftend ist dieser Auftritt nicht.

Informationsdefizite

Viele Bürger melden sich an dem Abend zu Wort, es sind die unterschiedlichsten Vorstellungen, die da geäußert werden. Die von der Stadt gerne wie eine Monstranz vor sich hergetragen Bürgerinformation und Transparenz scheint nur die wenigsten erreicht zu haben. Viele Fragen sind geprägt von Informationsdefiziten. Die Busrampe, die den aktuellen Plänen zufolge von der Eisernen Brücke auf den Donaumarkt führen soll, stößt allen, die sich zu Wort melden, sauer auf. Vielfache Kritik gibt es auch an dem geplanten Fahrstreifen entlang der Donau für Busse und Belieferung der Kreuzfahrtschiffe.
Sieht so der Donaumarkt der Zukunft aus? Aus einem Flyer der Stadt Regensburg bei der Immobilienmesse EXPO Real in München Anfang Oktober.
Die beiden Bürgerinitiativen Altstadtfreunde und Forum Regensburg wiederholen mehrfach ihre Forderung nach einem städtebaulichen Wettbewerb für den Donaumarkt als Gesamtfläche, fragen, warum es einen solchen nicht gibt. Mehrfach windet sich Schaidinger um diese Frage herum, weicht aus und spielt mit Begrifflichkeiten, doch eines steht fest: Einen Wettbewerb für den Donaumarkt als Ganzes wird es nicht geben. Stattdessen werden zwei lukrative Flächen, Ostermeier- und Brüchner-Areal, nun europaweit vermarktet. Sobald sich die Stadt mit einem Investor handels- und gestaltungseinig geworden ist, wird es für diese beiden Flächen einen Architektenwettbewerb geben. Erst dann und am Ergebnis dieses Wettbewerbs orientiert wird ein Bebauungsplan für den gesamten Donaumarkt erstellt.

Stadtplanung nach Investor-Wunsch?

„Wir machen in Regensburg Stadtplanung nach den Wünschen der Investoren“, kritisiert Reiner Schmidt (Forum Regensburg) dieses Vorgehen.
So soll die Bebauung im Wesentlichen am Donaumarkt aussehen. Der Bebauungsplan wird allerdings erst nach dem Investorenwettbewerb genauer ausgearbeitet. Plan: Stadt Regensburg
Was auf Ostermeier- und Brüchner-Areal gebaut wird, ist bereits absehbar: Zwei Vorbescheide, die die Stadt sich selbst (bzw. ihrer 100prozentigen Tochter Stadtbau GmbH) ausgestellt hat, schaffen grundsätzliches Baurecht für einen zwölf Meter hohen, 120 Zimmer großen Hotelkomplex und einen mit 900 Quadratmetern bemerkenswert groß dimensionierten Nahversorger. Kritik an diesem Vorgehen bezeichnet Schaidinger als „unfair“. Es könne auch noch etwas ganz anderes entstehen, die Vorbescheide seien keine Festlegung. „Das Grundstück wird zerteilt wie eine Torte“, kritisiert dagegen SPD-Urgestein Klaus Caspers das momentane Vorgehen. „Ein Wettbewerb, nachdem Sie alles mit dem Investor vorstrukturiert haben, schwächt das Vertrauen der Bürger.“ Später am Abend, nach der Diskussion, geistert bereits wieder das Wort Bürgerbegehren über die Biertische. Ob sich die Gemüter dafür in Regensburg noch einmal bewegen lassen, ist allerdings fraglich.
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Kommentare (6)

  • ExRA

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    Lieber Herr Aigner, könnten Sie mal schnell helfen, bitte? Wer ist das alles auf dem Foto der Podiumsdiskussion? Heimatpfleger Dr. Chrobak und Schaidinger sind klar, aber wer sind
    die anderen? Muss “man” die kennen und welche Funktionen üben sie aus?
    Vielen Dank!

    Erledigt. Grüße, Stefan Aigner

  • ExRA

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    Herzlichen Dank!

  • Bernhard Segerer

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    Letzte Woche strahlten auf Seite 1 der MZ 3 Tortengrafiken bzgl. einer Umfrage unter Regensburgern zu den Themen Ersatztrasse, Stadthalle und Jahnstadion. Passt jetzt nur bedingt hierher (Donaumarkt war als Stadhallenstandort glaube ich dabei), aber wäre durchaus ebenfalls berichtenswert. Insbesondere da bei Grafiken 1+2 nur die Frage “wohin” und nicht “ob überhaupt” gestellt war (kleingedruckt wurde man darüber auch aufgeklärt). Schön wäre es jetzt mal Torten geliefert zu bekommen, die auch die Totalverweigerer einbeziehen. Eine Aufgabe für Regensburg-Digital, Gegenöffentlichkeitsblog Number One, war mein erster Gedanke… ist ja schnell gemacht mit Äxel oder ähnlichen Produkten anderer Anbieter.

    Zum Donaumarkt jetzt doch noch was – erinnert sich jemand an den türkischen Imbiss im Eckhaus? Der musste vor längerer Zeit raus (zog glaube ich in Richtung Schlachthof – hatte immer leckeren Dürüm). Hat mir der Betreiber damals erzählt, Haus gehört glaube ich der Stadt oder so. In meinem kleinen Kopf tauchte auf einmal ein großes AHA!-Zeichen auf. Der Kampf um die letzten Gebäude, die den großen Visionen im Weg stehen wird anscheinend im Hintergrund heimlich weitergeführt.

  • Veits M.

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    Aarhus-Konvention

    Die Bürgerbeteiligung in Regensburg ist ein
    “Ein-Schritt-nach-vorne und zwei-Schritte-zurück”.

    Die Kräfte in der Verwaltung, die eine ernsthafte Beteiligung, Mitwirkung und inhaltliches Miteinscheiden der Bürgerschaft wirklich wirklich wollen und auch durchzusetzen in der Lage wären, sind nach wie von “in der Minderheit”.

    Wer heute Stadtentwicklung verstehen und gestalten will, muss die Bürgerinnen und Bürger in ihrer Rollenvielfalt wahrnehmen, ernst nehmen und als Kooperanden einbeziehen, von Anfang an, noch ehe ein Entwurf der Verwaltung vorliegt. Grundlage ist nichts Geringeres als das Völkerrecht, die sog. Aarhus-Konvention. Im Übrigen verlangt Bürgerbeteiligung nach dem Dreisatz: Können – Wollen – Dürfen.

    Verlinkt ist eine Einladung nach Aachen
    http://aktionboss.de/respublica-buergerinnen-und-buerger-als-akteure-der-stadtentwicklung

  • Veits M.

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    Korrektur:
    Miteinscheiden= Mitentscheiden

  • Herbert Ninding

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    Intensive Bürgerbeteiligung kann in einer Kommune zu jeder Zeit begonnen werden – auch in Regensburg. Eine gute Gelegenheit ergäbe sich bei der Überplanung des Donaumarktes, die ja in der Vergangenheit schon starkes Interesse der Bürgerschaft auf sich zog, allerdings immer in Bürgerentscheiden, die wohl durch ungenügende Beteiligung provoziert waren.
    Erkläre mir – und ich werde vergessen. Zeige mir – und ich werde mich erinnern. Beteilige mich – und ich werde verstehen. So lautet die Qualitätspyramide einer ehrlich gemeinten und nachhaltig wirkenden Bürgerbeteiligung. Außerdem wäre es bei dieser zukunftsweisenden Planung auch für die Stadtpolitik bzw. –verwaltung in wirtschaftlicher Hinsicht wichtig, das „Klären der Aufgabenstellung“ den Bürgern zu überlassen, natürlich unter Führung einer erfahrenen und neutralen Moderationskraft. Diese am Beginn einer Fachplanung stehende Aufgabenstellung wird in Verträgen für Architekten und Ingenieure nämlich mit 1 bis 3% der geschätzten Ausführungskosten honoriert.
    Könnte diese Tatsache nicht mehr Anreiz sein für die Verantwortlichen in Regensburg, sich elegant Kosten zu sparen und gleichzeitig bessere Akzeptanz in der Bürgerschaft zu erreichen?

    Teilnehmen können – wollen – lassen: http://ninding2.blogspot.com/

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drin