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Archiv für 2. September 2011

„Rechts um“, brüllt der Soldat in der etwas knapp bemessenen Feldjäger-Uniform. Die drei Jugendlichen gehorchen, marschieren im Stechschritt über den Neupfarrplatz und salutieren pflichtbewusst mit ihren Schultüten. „Das muss zackiger gehen. Wir sind hier bei der Bundeswehr und nicht im Kindergarten“, brüllt der Offizier erneut. Nicht alle Passanten bekommen gleich mit, was da los ist: Der Antikriegstag, Erinnerung an den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939, ist nicht wirklich im Bewusstsein verankert. Der Krieg in Afghanistan ist weit weg und über die Diskussionen um das Für und Wider des Libyen-Einsatzes etwas in den Hintergrund gerückt. Dass es ein Bundeswehr-Oberst (Georg Klein) war, der in Afghanistan vor fast genau zwei Jahren mit wissentlich falschen Angaben das Bombardement von zwei Tanklastzügen befahl, damit 150 Menschen – größtenteils Zivilisten – den Tod brachte und das größte Massaker seit Beginn des ISAF-Einsatzes anrichtete, ist mittlerweile schon wieder vergessen.

Jugendoffiziere und Kriegsspiele für die Kleinen

In Regensburg gibt es am Donnerstag zum ersten Mal seit einigen Jahren mal wieder ein öffentliche Kundgebung anlässlich des Antikriegstags und der zackige Auftritt der Schultüten-Träger weckt doch etwas Aufmerksamkeit. Etwa 50 Menschen sind es, die den Reden von verdi-Jugend und Falken zuhören. Diese wenden sich vor allem gegen die Werbung der Bundeswehr an Schulen und bei Ausbildungsmessen. Rund 27 Millionen gebe die Bundeswehr alljährlich aus, um Jugendlichen eine Karriere bei der Bundeswehr schmackhaft zu machen. Und das Schultüten-Bild liegt auf der Hand: Jugendoffiziere halten Unterrichtsstunden an Schulen ab und propagieren dort die miltärische Sicht der Dinge, ganze Schulklassen werden zu Übungscamps eingeladen, um – wie jüngst bei den Gebirgsjägern in Bad Reichenhall – vor nachgebauten Kulissen Krieg zu spielen. „Die Bundeswehr ist kein normaler Arbeitgeber“, so einer der Redner am Donnerstag. „Wir wollen nicht als Kanonenfutter für die Interessen der Herrschenden herhalten.“ Währenddessen werden Flugblätter verschiedenster Organisationen verteilt. „Klassenkampf statt Weltkrieg“ steht auf dem einen, „Nie wieder Krieg! Nie wieder Faschismus!“ auf dem anderen. Ein Spendenaufruf für acht Jugendliche, die sich wegen einer Protestaktion auf der Hamburger Rüstungswerft Blohm+Voss vor Gericht verantworten müssen, macht die Runde. Drei als Skelette verkleidete Jugendliche umrunden schließlich den Platz und erinnern auf Schildern an die Opfer der beiden Welt- und stellen die Frage nach jenen künftiger Kriege. Das „Rockkabarett Ruam“ reißt die Zuhörer am Ende der Kundgebung aus der zwischenzeitlich eingetretenen Lethargie. „Doud fall ma um“ heißt ihre Hymne gegen den Krieg der Bundeswehr in Afghanistan, die Adaption eines Protestsongs gegen den Vietnamkrieg. Dass der unter deutscher Beteiligung geführte Krieg in Afghanistan nicht die einst verheißenen Segnungen von Freiheit, Demokratie und Wohlstand in das Land gebracht hat, ist mittlerweile bekannt. Prostitution, Drogenhandel und Kriminalität nehmen weiter zu. Ebenso steigt die Zahl toter Zivilisten. Etwa 50 deutsche Soldaten wurden bislang getötet. Der Fortschrittsbericht der Bundesregierung konstatiert für 2010 keine erkennbare Verbesserung der Sicherheitslage. Die Mehrheit der Bevölkerung hat den mittlerweile zehn Jahre währenden Einsatz von Anfang an abgelehnt. Der Bundestag – zuständig für ein Ja oder Nein zum Krieg – hat sich darum bislang nicht geschert.

„Ein Detail der Geschichte“

Die Bodenplatte vor der ehemaligen KZ-Außenstelle Colosseum in Regensburg Stadtamhof sorgt zunehmend für Empörung. Wie jetzt bekannt wurde, war die SPD-Fraktion mit dem Text nicht einverstanden. Ihre Änderungswünsche wurden aber einfach übergangen. Das Bündnis „Kein Platz für Neonazis“ hat mittlerweile eine Kundgebung vor dem Colosseum angekündigt. Der Text der Tafel sei verharmlosend, so ein Sprecher. Oberbürgermeister Schaidinger weist indessen Kritik am Vorgehen der Stadt zurück.

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