Am Montag gab die Stadt Entwarnung: Neue Messungen in der derzeit gesperrten Turnhalle des Regensburger Goethe-Gymnasiums (hier alle Berichte) hätten ergeben, dass – bei richtiger Belüftung – der Formaldehyd-Gehalt bei „maximal 20 bis 30 Microgramm pro Kubikmeter“ liege. Damit habe sich bestätigt, was man stets vermutet habe, jubiliert die Stadt in einer entsprechenden Pressemitteilung.
Es werden mehrere Messergebnisse präsentiert. „Bei einem Normalbetrieb der Halle lagen die Werte bei 12 bzw. 25 Microgramm pro Kubikmeter Raumluft“, wird schließlich mitgeteilt. Damit liegt man weit unter dem „Eingreifwert“ von 120. Auch die Lüftung funktioniere mittlerweile problemlos, heißt es.
Der Schönheitsfehler: Trotz der breit geführten Diskussion um die Messtemperaturen findet sich nicht eine einzige Temperaturangabe in der städtischen Pressemitteilung. Erst auf Nachfrage ist zu erfahren, dass die entsprechenden Messungen bei 20,5 Grad durchgeführt wurden. Das entspricht nach wie vor nicht den eigentlich per Norm vorgegebenen Messbedingungen von 23 Grad.
Zwei Tage nach dieser Pressemitteilung, am Mittwoch, teilte die Stadt mit, dass man nun in der ebenfalls neu errichteten Aula erhöhte Formaldehyd-Werte gemessen habe (die entsprechende Pressemitteilung als PDF). Hier kommt man mit einem Wert von 109 Microgramm der Grenze von 120 bedenklich nahe und hat den WHO-Richtwert von 60 deutlich überschritten. Nun rätselt die Stadt erneut: Seien es doch bei Messungen in der Vergangenheit nur 32 Microgramm gewesen. Prompt wurde nun verfügt, dass die Aula vorläufig nur noch so genutzt werden darf, dass sich Personen maximal 30 Minuten dort aufhalten dürfen. Es sind weitere Messungen vorgesehen.
Morgen findet ein Informationsabend für Schulfamilie und Interessierte am Goethe-Gymnasium statt, der entsprechend der neuen Verfügung, nun nicht in der Aula, sondern in der Schulmensa durchgeführt wird.
Ein Diplomingenieur für technische Chemie, Schwerpunkt Umweltschutz, mit dem unsere Redaktion zusammenarbeitet, hat sich mit dem Zusammenhang zwischen der Lüftung und den formaldehydhaltigen Prallschutzwänden beschäftigt.
Sein Fazit:
Anhand der bislang veröffentlichten Informationen bleibt unklar, ob bislang überhaupt Messungen zu vorgeschriebenen Bedingungen durchgeführt wurden.
Gerade die spezielle Art der Belüftung der Goethe-Turnhalle stellt in Verbindung mit den speziell verbauten Prallschutzwänden das ursächliche Problem der Formaldehyd-Belastung dar.
Er kommt zu dem Schluss: „Die Vorgänge um die Auffindung, Beseitigung und Messung und der Formaldehyd-Quellen in der Goethe-Turnhalle bzw. der Nutzungsfreigabe stellen, um mit den Soziologen Ulrich Beck zu sprechen, einen strategisch inszenierten Irrtum dar.“
Wir veröffentlichen seine Analyse im Folgenden komplett im Originalwortlaut.
Betrachtet man die öffentlich kommunizierten Informationen und Vorgänge zur Formaldehyd-Belastung in der Goethe-Turnhalle, sind weitreichende Begriffsverwirrungen, Desinformationen und ein eklatanter Mangel an fundierten Lösungsstrategien auszumachen. Messergebnisse werden, je nach Belieben, für ungültig erklärt, oder aber leichtfertig zur Entwarnung hergenommen, ohne bislang die Emissionsquelle für Formaldehyd sicher benennen zu können. Nachfolgend soll als Beitrag zur Ursachenforschung der Zusammenhang zwischen Formaldehydbelastung aus E1-Baustoffen und Fensterlüftung erörtert werden. In der hierbei zugrunde gelegten Arbeitshypothese wird hilfsweise davon ausgegangen, dass die hauptsächliche Formaldehyd-Emissionsquelle in den Prallschutzwänden besteht. Die anderen potentiellen Emittenten, wie der Fußbodenaufbau oder die Deckenisolierungen, müssen noch überprüft werden.Formaldehyd-Belastung aus E1-Holzbaustoffen in der Goethe-Turnhalle
