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Exponat von Journalisten-Ikone

Bayern-Museum macht auf dicke Lederhose

Zum 94. Geburtstag des wohl dienstältesten deutschen Journalisten hat das Museum der Bayerischen Geschichte dessen Lederhose und sich selbst in Szene gesetzt.

Seit 75 Jahren Journalist: Karl Stankiewitz. Foto: Aigner

Vor vielen Jahren sind sie mal zusammen im Gewerkschaftshaus in München gesessen und haben von ihrer Jugend erzählt. Am Donnerstagvormittag treffen sie sich, nun etwas betagter, im Foyer des Museums der Bayerischen Geschichte in Regensburg wieder. Die Rede ist von Ernst Grube und Karl Stankiewitz.

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Eine Generation, zwei Schicksale

Grube, Vorsitzender der Lagergemeinschaft Dachau und beständiger Mahner für eine aktive Vergangenheits- und Erinnerungskultur, wird im Dezember 90 Jahre alt. Er gehört zu den letzten noch lebenden NS-Verfolgten. Er überlebte als Zwölfjähriger das Ghetto Theresienstadt, engagiert sich seit Jahrzehnten bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und hat schon so manches Gefecht mit dem Bayerischen „Verfassungsschutz“ geführt. Mittlerweile lebt der gebürtige Münchner seit vielen Jahren in Regensburg (Mehr über Ernst Grube).

Stankiewitz wird heute 94 Jahre alt und dürfte der wohl dienstälteste deutsche Journalist sein. Seit 1947 ist er im Einsatz – zu seinen Stationen gehören unter anderem die Süddeutsche Zeitung, Abendzeitung, der Stern, Bayerischer Rundfunk, Deutschlandfunk und Deutsche Welle. Er gilt als wichtiger Chronist von München und Bayern und ist bis heute noch aktiv, auch wenn es – seine Augen werden immer schlechter – zunehmend schwieriger werde.

Freundliche Begrüßung: Ernst Grube und Karl Stankiewitz. Foto: Aigner

Stankiewitz hat Ernst Grube persönlich eingeladen. Er wollte ihn wohl einfach noch einmal treffen. Man begrüßt sich freundlich mit Handschlag. Obwohl der Kontakt eher beruflicher Natur war. Das damalige Gespräch habe ihn aber beeindruckt, erzählt Stankiewitz später. Zwei Männer, dieselbe Generation, dieselben Anlagen. Und doch wäre der eine fast ermordet worden, weil er Jude war. Aber tatsächlich ist das am Donnerstag nur am Rande Thema.

Die Lederhose im Fokus

Der Anlass, warum sich die beiden treffen, ist, um mit dem Geburtstagskind zu sprechen, eher „kurios“. Es geht um die Lederhose, die sich der damals 19-Jährige vom sogenannten „Kopfgeld“ kaufte, 40 D-Mark, die jeder am 20. Juni 1948 im Zuge der Währungsreform erhielt. Die restlichen 40 Mark legte Stankiewitz noch von seinem ersten Volontärsgehalt drauf, das er bei der SZ verdiente. 150 Mark im Monat.

Schön ausgeleuchtet: Stankiewitz’ Lederhose. Foto: Aigner

Einerseits habe er die 80 Mark, damals ein kleines Vermögen, in dem Bekleidungsgeschäft am Münchner Heiliggeisteck schon investiert, um sich als Zugehöriger zur Volksgruppe der Bayern auszuweisen, erzählt er dann, auf einer Bank neben dem Exponat sitzend. Aber im Grunde sei es nicht Bayerntum oder Brauchtum gewesen, was ihn zum Kauf bewogen habe, sondern die Brauchbarkeit und Langlebigkeit einer solchen Lederhose. „Da hat man etwas Wertbeständiges.“

Eigentlich hätte Stankiewitz’ Sohn Thomas, 65, die Kniebundhose aus ungarischem Pferdeleder bekommen sollen. Aber damals, so vor 20 oder 30 Jahren, habe er daran kein wirkliches Interesse gehabt. Heute sei das anders, erzählt er. Aber dafür ist es zu spät.

Das Museum wollte die Hose unbedingt

Nun steht das gute Stück in einem Schaukasten im Bayern-Museum zu Regensburg, wo man – stetig auf der Suche nach Exponaten aus den Dachböden, Kellern und Schränken der bayerischen Bevölkerung – Stankiewitz vor fünf Jahren gefragt hatte, ob man das lederne Stück Zeitgeschichte denn nicht erwerben könne. Unbedingt hätte man die Hose haben wollen, so Stankiewitz. Und so wurde ein Kaufvertrag aufgesetzt und die Krachlederne wechselte den Eigentümer.

Pünktlich zu Stankiewitz’ 94. Geburtstag wurde die Hose sauber ausgeleuchtet in Szene gesetzt, als Illustration für die Währungsreform und den Umbruch, der damals in Bayern stattfand, gleich neben einem Foto von der Baustelle des heutigen Kolpinghauses und den Plänen für eine Stadtautobahn in Regensburg – ein Umbruch, der in den 60er Jahren viele Familien um ihre Häuser brachte.

Damals, als er bei der SZ anfing, sei seine Tätigkeit bei einer Schülerzeitung noch ausreichender Ausweis gewesen, um dort als Journalist in Betracht zu kommen, erzählt Stankiewitz. Und getreu dem Rat des legendären Kolumnisten Sigi Sommer ging er eben raus, suchte sich die Geschichten, die „auf der Straße lagen“ und schrieb „jeden Tag sein Verserl“ auf. Über 10.000 Berichte, Kolumnen und Reportagen sind es geworden. Dazu 38 Sachbücher, erschienen unter anderem auch im Verlag des Regensburgers Herbert Wittl, der heute ebenfalls da ist.

Bayern abseits der Klischees

Er habe Bayern „mit all seinen Eigenheiten“ darstellen wollen, so Stankiewitz, während man im Hintergrund – es ist grad Sonderausstellung zu den Olympischen Spielen im Bayern-Museum – Willi Brandt zum bereits dritten Mal die Olympiade 1972 in München eröffnen hört. Die größeren Zeitungen außerhalb Bayerns hätten immer gerne Berichte dazu gehabt, wie „exotisch“ es in Bayern wohl zugehen möge. Aber da habe er stets dagegengehalten, um auch den Menschen in Bremen ein realistisches Bild zu zeichnen. Das sei eben mehr als Strauß, Oktoberfest und Schickimicki.

Dass es damals noch andere Zeiten waren bei der Zeitung, das klingt auch durch. Beim Vera-Brüne-Prozess in den 60ern ja, da habe er mit seinen Reportagen gut verdient. Sein Ferienhaus in Tirol habe er sich davon leisten können, heißt es in einem Porträt der AZ über Stankiewitz. Aber das sei, sagt er am Donnerstag in Regensburg, ja nicht so wichtig.

Irgendwann wurde es aber auch Stankiewitz mit Bayern ein wenig zu viel. Jedes Jahr Oktoberfest, Fassanstich, dauernd dem nächsten Skandal hinterherjagen und immer nur Strauß, Strauß, Strauß. Kurzzeitig habe er sogar überlegt, nach Wien auszuwandern. Aber schließlich hat sich Stankiewitz dann mehr aufs Reisen verlegt, auf Reportagen und Berichte aus fast 70 Ländern.

So viel Aufhebens wegen einer „läppischen Lederhose“…

Die Lederhose hatte er da schon länger abgelegt. Tracht war modern geworden auf der Wiesn. Und da wolle er das dann nicht mehr tragen – „aus Protest gegen diese Uniformierung“, die er auch heute wahrnehme. Doch der mexikanische Schwager sei immer ganz froh gewesen, wenn er sich die Hose mit dem breiten Latz und dem Pseudo-Wappen aus Elfenbein ausleihen durfte, um das Oktoberfest zu besuchen.

Irgendwie obligatorisch im Bayern-Museum: ein Bierkrug als Morgengabe. Foto: Aigner

Heute wundere er sich, dass man so viel Aufhebens mache wegen einer „läppischen Lederhose“, sagt der geistig immer noch hellwache Senior am Donnerstag, als er zusammen mit einer kleinen Entourage aus früheren Wegbegleitern, Familie und Medienleuten vor dem Schaukasten steht. Aber dass Stankiewitz das Arrangement, das sie ihm zu Ehren im Museum veranstalten, auch freut, merkt man dem Jubilar doch an.

Denn das Aufhebens macht man ja nicht wegen der Lederhose, sondern wegen dem Mann der sie getragen und damit zu einem Stück Zeitgeschichte gemacht hat, mit dem sich das an Exponaten nicht eben reiche Museum nun schmücken darf.

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Kommentare (5)

  • Dieter

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    Ein klasse Bericht über interessante Persönlichkeiten. Ausnahmsweise kann man dem Museum und einer Lederhose dankbar sein, dürfte man ihretwegen mehr über Grube und Stankiewitz lesen.

  • R.G.

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    Wenn das Museum oberhalb der Hosenregion Herzlichkeit und Hirn schätzt, wird es – so nehme ich an – obiges Bild, genannt “Freundliche Begrüßung” hinkünftig ausstellen.

  • R.G.

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    Zum Bild von Ernst Grube und Karl Stankiewitz, weshalb es doppelt geschichtsträchtig ist.

    Die schon vor dem Ersten Weltkrieg aus dem Alltagsbild des Salzkammerguts als Arbeitskleidung zunehmend verschwundene Lederhose der Einheimischen, wurde unter anderem in Bad Aussee – das von Herrn Stankiewitz getragene Modell enspricht exakt dem Schnitt aus der Gegend – von den urlaubenden Juden mit Begeisterung gekauft und getragen.

    Unter den Nationalsozialisten erhob man den Anspruch,Dirndl und Lederhose seien die Tracht aller echten Deutschen, der Arier. Den Juden und Jüdinnen wurde 1938 das Tragen dieser Kleidungsstücke verboten.

    Auf Aigners Bild grüßt der ehemalige Träger der zum Regensburger Museumstück gewordenen Lederhose einen Regensburger Juden freundlich, diesem geht das Gesicht vor Herzlichkeit über..

  • R.G.

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  • Paul Casimir Marcinkus

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    Das Museum der Bayerischen Geschichte ist als Sammelstelle für Lederhosen konzipiert. Wenn man nicht wüsste, dass Karl Stankiewitz ein aufrechter Journalist ist, der sich nie von den christsozialen Gschwollschädeln übern Tisch ziehen hat lassen, man würde gar nicht weiterlesen. Wobei einem da was entgehen würde! Allein sein Abscheu vor der seit Jahren grassierenden, geradezu zwanghaften Dirndl- und Lederhosenuniformierung ist ja grundsympathisch.
    Karl Stankiewitz wollte mit der Übergabe seiner alten Bux vermutlich nur sagen: Die Lederhose gehört ins Museum! Wer heute noch mit einer rumrennt, ist ein Kasperl.
    Und spätestens wenn man das Foto sieht, auf dem der Museumsmensch dem alten Reporter das unvermeidlich zünftige Kriagl überreicht, weiß man bescheid. Das Museum der Bayerischen Geschichte ist ein Museum für Japaner und Chinesen. Und für Bayern, die sich gern mit ihrem eigenen Klischee abspeisen lassen:
    https://www.regensburg-digital.de/searching-for-red-lederhosen/29082019/

Kommentare sind deaktiviert

drin