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Nach Hausdurchsuchung

„Fotzen“-Plakat vor dem Verfassungsgericht

Ein Strafbefehl und eine Hausdurchsuchung hatte ein Plakat der Satire-Partei „Die Partei“ für die Regensburger Direktkandidatin zur Folge. Nun muss sich das Verfassungsgericht mit der Thematik beschäftigen.

Als am 10. November 2021 die Polizei an der Tür klingelte, staunte Romy F. nicht schlecht. In der Hand hielten die Beamte einen Durchsuchungsbeschluss. Gesucht wurden Datenträger, Druckvorlagen und ähnliches. Hintergrund war ein Wahlplakat, das bundesweit im Einsatz war, und das auch die Regensburger Direktkandidatin der Satire-Partei „Die Partei“ aufgehängt hatte. Unter anderem unter den Plakaten ihrer Konkurrentinnen von CSU und SPD. Aufschrift: „Feminismus, ihr Fotzen.“

Der Partei-Vorsitzende und Europaabgeordnete Martin Sonneborn hatte die Durchsuchungen seinerzeit unter dem Hashtag #Fotzengate öffentlich gemacht und bundesweit für Verwunderung, Erheiterung und Empörung (ob der Durchsuchung) gesorgt.

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Staatsanwaltschaft Amberg: Vorstrafe wegen Volksverhetzung

Die Vorgeschichte: Weil die CSU-Kandidatin Anzeige erstattete, ermittelten Kripo und Staatsanwaltschaft Amberg – und waren damit recht erfolgreich. Das Amtsgericht Amberg erließ besagten Durchsuchungsbefehl. Das Amtsgericht Schwandorf erließ auf Antrag der Staatsanwaltschaft später einen Strafbefehl über 7.200 Euro gegen die Regensburgerin – 120 Tagessätze á 60 Euro. Sollte diese Entscheidung rechtskräftig werden, wäre die junge Frau, selbst aktive Feministin, vorbestraft. Sie hat Einspruch gegen die Entscheidung eingelegt.

Eine Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss wies das Landgericht Amberg Mitte Februar ab. Die Kammer ist überzeugt:

„Die angeordnete Maßnahme stand in angemessenem Verhältnis zur Schwere der Tat und zur Stärke des Tatverdachts und war notwendig. Insbesondere auch aufgrund des Verdachts der Beleidigungen in der Öffentlichkeit handelte es sich nicht lediglich um Bagatelltaten.“

Vor allem durch die Bildsprache des Plakats sehen die Richter und Richterin den Tatbestand der Beleidigung erfüllt:

„Das Wahlplakat zeigt ferner auf dunkelrotem Untergrund das weiße Rückholbändchen eines Tampons, welches vom oberen Plakatrand herabführt und somit die Wirkung eines Pfeiles auf das oberhalb befindliche Wahlplakat besitzt.”

Böser Verdacht: Plakat bewusst unter Mitbewerberinnen platziert?

Es bestehe der Verdacht, dass die Plakate bewusst direkt unter jenen der beiden weiblichen Mitbewerberinnen platziert worden seien. Eine andere Bewertung könne aus Sicht der Kammer ausgeschlossen werden. Eine solche wäre „schlicht nicht nachvollziehbar“. Das Argument der Regensburger Kandidatin, demzufolge die Plakate einen Meinungsbeitrag für Feminismus darstellen sollen, insbesondere das Wort „Fotzen“ die „Forderung nach Feminismus in satirischer Form kontrastieren“ solle, überzeugte das Landgericht Amberg nicht.

Nun muss sich das Bundesverfassungsgericht mit der Angelegenheit beschäftigen. Die Betroffene hat dort über den Düsseldorfer Rechtsanwalt Jasper Prigge Verfassungsbeschwerde eingelegt. „Indem das Landgericht davon ausgeht, bei dem Plakat handele es sich um Schmähkritik und auf eine grundrechtliche Abwägung verzichtet, verletzt es unsere Mandantin in ihrer Meinungsfreiheit“, so Prigge. „Eine Abwägung ist schon deshalb geboten, weil in feministischen Kontexten auch für eine Aneignung von Bezeichnungen, mit denen Frauen abgewertet werden, plädiert wird.” Ohnehin sei der Durchsuchungsbeschluss unverhältnismäßig und verletzte das Grundrecht auf die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung.

Immerhin – im Gegensatz zur Staatsanwaltschaft und dem Amtsgericht Schwandorf sah das Landgericht Amberg in den Plakaten keine Volksverhetzung, sondern lediglich eine Beleidigung.

In Sachsen nimmt man’s lockerer

In Sachsen sehen Gerichte das „Fotzen“-Plakat übrigens deutlich gelassener als in der Nordoberpfalz. In einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts Chemnitz heißt es dazu:

„Der plakatierte Slogan stellt zwar eine drastische und das moralische Empfinden eines jedenfalls nicht unerheblichen Teils der Bevölkerung verletzende Formulierung dar. Festzustellen ist aber, dass dieser Begriff auch in Künstler- (‘Die Römischen Votzen’) und in feministischen Kreisen (z.B. ‘De Gfotzerten leisten kreativen, feministischen Widerstand in München’) provokativ verwendet wird. Vor diesem Hintergrund und unter Beachtung der in Rede stehenden Grundrechte der Antragstellerin kann der Slogan unter Rückgriff auf die öffentliche Ordnung nicht sanktioniert werden.“

Die Münchner Stadträtin Marie Burneleit, Erstellerin des Motivs, äußert sich zu den Vorgängen in Amberg und Schwandorf nur knapp mit „Hä?”.

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Kommentare (18)

  • Mr. T.

    |

    Wie war das mit den Plakaten vom III. Irrweg auf denen “Hängt die Grünen” gestanden ist? In Chemienitz durften sie hängen bleiben, in München wurden sie abgehängt – fürs Aufhängen (der Plakate) wurde niemand bestraft.
    Ist das wieder die Beißhemmung der deutschen Strafverfolgungsbehörden gegen alles Rechte? Oder nur der Beißreflex und die blinde Wut gegen alles Linke (oder was man dort verortet)?
    Alleine schon die Hausdruchsuchung ist pure Schikane! Wie damals beim Zoo-Wirt auf Pauli (Pimmelgate!). Die Hausdurchsuchung hatte keinerlei Nutzen für die Aufklärung des klaren Falls und diente nur der Einschüchterung.

  • Daniela

    |

    Ich bediene mich einmal eines Wörterbuches ( Oxford lang.) im Auszug


    Fot·ze
    /Fótze/
    Aussprache lernen
    Substantiv, feminin [die]
    1a.
    VULGÄR
    Vulva
    1b.
    VULGÄR
    Vagina
    2.
    VULGÄR•OFT ALS SCHIMPFWORT
    Frau
    3a.
    BAYRISCH•ÖSTERREICHISCH DERB
    Mund
    3b.
    BAYRISCH•ÖSTERREICHISCH DERB
    Ohrfeige
    ….

    Hä?

  • Eggdrasil

    |

    Bewerbe mich mit “Pferdeschwanz, es Zibfen!”

  • Zwei Flaschen Hans

    |

    “Ochsenschwanzsuppe, ihr Glatzen!”

  • KW

    |

    Ich sage nur zwei Worte : Un Glaublich.

  • Oida Grantler

    |

    Zitat: “Weil die CSU-Kandidatin Anzeige erstattete”.

    War klar, dass eine Martina Englhardt-Kopf damit nicht klarkommt… aber gut, CSU halt… ;-)

  • R.G.

    |

    In einer Zeit dringendst notwendiger Entscheidungen, von einer Partei scheinbar ohne Gegenwartsinteresse ein plakatierter Tabubruch nach Art der frühen Siebziger Jahre, der andere Parteien scheinbar gleich wenigen Inhalts dazu ermuntert, nach dem großen starken Machtapparat zu schreien, der verhindern soll, dass weitere fehlende Inhalte gezeigt werden dürfen.

    Schlaft weiter gut!

  • Die Mutter

    |

    im tiefsten Niederbayern sagt ein Bauernsohn zu seinem Vater: Voda, i will a G`schlechtsumwandlung.
    Vater: hoids Maul, sonst griagst a drumm Votzn-
    Mehr fällt mir dazu nicht ein…

  • Katanga

    |

    AG Amberg, Staatsanwaltschaft Amberg, AG Schwandorf?
    Klar, kennt man, tiefste bayerische Provinz, so progressiv wie eine tote Leiche aus dem Dreißigjähren Krieg.
    Echt peinlich solche Juristen, schämt Euch, das ist keine Rechtsprechung, das ist bauernhafte Willkür !

  • Joe Kerman

    |

    CSU ist so 1 Pimmel…

  • Robert Fischer ÖDP

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    Hört sich für mich nach CSU Spezlwirtschaft an. Ähnlich wie die Durchsuchung des Finanzministeriums kurz vor der Wahl.

    Das ist nicht sehr demokratisch. Wäre das in anderen Ländern passiert, würden wir mit dem Finger draufzeigen. So wird es überwiegend schulternzuckend hingenommen…

    Mit welchen Methoden die Union versucht an der Macht zu bleiben ist schon sehr armselig.

    Ich hoffe, ich handel mir jetzt keine Anzeige ein. Aber bei mir ist wenigstens nichts zu holen :)

  • Daumen hoch

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    Gratulation, zu diesem wunderbaren Konzept – die CSU ist darauf reflexartig aufgesprungen – nun hat sie selbst auch hier die “stets gute Zusammen” mit der lokalen Justiz erneut selbst belegt.

  • Anderer Max

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    Gute PR für die PARTEI. Sie ist sehr gut.
    Mal wieder schön auf den ganzen CXU Filz hingewiesen und öffentlich zur Schau gestellt.

    Der Vergleich mit dem Umgang der “3. Weg” Plakate hier in den Kommentaren passt schon sehr gut.

  • R.G.

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    @Anderer Max
    Der Zweck, die CSU reagieren zu machen, heiligt für sie das Mittel, die Beschimpfung des weiblichen Geschlechtsteils.

  • Bolzkopf

    |

    Da wird es wohl mal Zeit die Hintergründe der bzw. des Richters zu beleuchten.
    Es werden sich sicher Anhaltspunkte für Befangenheit finden – auf die der bzw. die Richter hätten im Vorfeld hinweisen müssen.

  • Schwan68

    |

    @Bolzkopf
    Ich finde sowohl das Plakat, als auch Ihren Aufruf zur Hexenjagd ekelhaft.
    @Mr.T
    Ich habe beim googlen eine Artikel auf ZDF.de vom 14.9.21 gefunden, in dem es um das Plakat vom III.Weg ging. Demnach hat “Die Partei” bereits 2020 mit “Nazis töten” und “Hier könnte ein Nazi hängen” plakatiert.
    Ich lehne beides ab!

  • Mane

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    Unglaubich.
    Da kann man doch nur stolz sein in Bayern zu leben…
    @Schwan68 das “Nazis töten” Plakat kann man als informatives Plakat werten. Hassverbrechen von Nazis bei denen Menschen getötet werden gibt es leider immer noch. Also ist die Aussage “Nazis töten” einfach eine Information.

    Ich bin gespannt wie das Verfassungsgericht das aktuelle Plakat bewertet. Ich hoffe doch sehr, dass dieses lächerliche Urteil nicht bestätigt wird…

  • Daniela

    |

    Herzliche Glückwunsch liebe CSU, habe ich mich bis dato nicht für ‘Die Partei’ interessiert, bzw. diese nie sonderlich auf dem Schirm gehabt, Ihr habt mit Eurem Rechtsstreit dafür gesorgt.

    Ehrlich muss ich Euch sagen, jede kleine Partei sollte Euch künftig Grund zur Klage vor den Wahlen geben…., spätestens dann werden diese bekannt, wie ein bunter Hund….

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drin