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Sperrbezirk soll ausgeweitet werden

Mit dem Welterbestatus gegen Prostitution

Die Stadt Regensburg will den Sperrbezirk für Prostituierte erweitern. Ob die geplante Verordnung einer Klage standhält, ist indes unsicher. Die Regensburger Sprecherin vom „Berufsverband erotischer und sexueller Dienstleistungen“ sieht Prostituierte durch die Ausweitung des Sperrbezirks kriminalisiert.

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„Wir brauchen Regeln, die uns schützen und keine, die uns schwächen“, sagt Tanja. Die 52jährige ist seit sieben Jahren Sexarbeiterin in Regensburg und sitzt Vorstand des „Berufsverbands erotischer und sexueller Dienstleistungen“. Mit einer Ausweitung des Sperrbezirks werde kein einziger Fall von Menschenhandel oder Gewalt gegen Prostituierte verhindert, sagt sie. „Stattdessen werden wir kriminalisiert.“

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„Bei Regeln für das Metzgerhandwerk fragt man auch den Berufsverband.“

Weil Prostituierte auch in Privatwohnungen oder Hotelzimmern gebucht werden, seien sie gezwungen immer mal auch in den Sperrbezirk zu gehen. „Sonst haben sie ja keine Möglichkeit, Geld zu verdienen.“ Solche Prostitution werde denn auch nach der Erweiterung des Sperrbezirks stattfinden. „Nur bin ich dann rechtlos.“ Etwa dann, wenn ein Freier die Bezahlung verweigert, droht oder gewalttätig wird. Zwar könne die Betroffene dann schon die Polizei einschalten. Allerdings hat sie sich dann selbst eines Vergehens schuldig gemacht, das zunächst als Ordnungswidrigkeit, im Wiederholungsfall als Straftat gewertet wird, die mit bis zu sechs Monaten Haft bestraft werden kann.

„Es wäre schön, wenn man darüber auch mit uns geredet hätte. Es werden ja auch keine Regelungen für das Metzgerhandwerk beschlossen, ohne dass man darüber mit dem zuständigen Berufsverband spricht.“

„Nicht angebrachte Doppelmoral“

Doch weder mit ihr noch mit anderen Prostituierten, Bordellbetreibern oder Vermietern von Modellwohnungen gab es von städtischer Seite Gespräche. „Uns fehlen die Ansprechpartner“, so Rechtsreferent Dr. Wolfgang Schörnig am Donnerstag im Regensburger Stadtrat. In den 80ern war Schörnig Leiter des Ordnungsamtes. Damals habe man noch Ansprechpartner gehabt. Diese seien aber im Zuge der Liberalisierung und des Wegfalls der Meldepflicht für Prostituierte beim Gesundheitsamt weggefallen. „Wir haben keinen Bezugspunkt mehr“, so Schörnig.

Am Donnerstag beschlossen die Stadträte des Verwaltungsausschusses mit großer Mehrheit, eine Erweiterung des Sperrbezirks zu beantragen. Die alte Verordnung läuft nach 20 Jahren aus. Über eine Verlängerung und die nun mehrheitlich gewünschte Erweiterung muss die Regierung der Oberpfalz entscheiden. Lediglich Richard Spieß (Linke) und Margit Kunc (Grüne) stimmten dagegen, eine Ausweitung zu beantragen. Kunc sprach in diesem Zusammenhang von einer „nicht angebrachten Doppelmoral“.

Zum Teil hysterisch war im Vorfeld des Beschlusses die Diskussion über die möglichen Folgen des Ende der alten Verordnung gelaufen. „Gibt es bald einen Straßenstrich neben dem Kinderspielplatz?“, wurde da unter anderem gefragt.

„Ich könnte bändeweise Fotografien vorlegen.“

Noch-CSU-Fraktionschef Christian Schlegl wusste am Donnerstag zudem von „massiven Beschwerden“ zu berichten, die ihn allwöchentlich bei der Bürgersprechstunde erreichen würden. „Ich könnte bändeweise Fotografien von Bürgern vorlegen, die sich in ihrer Privatsphäre gestört fühlen“, so Schlegl. Leider hatte er am Donnerstag weder den Ordner mit den Beschwerden noch die erwähnten Fotobände dabei.

Doch irgendwie scheint Schlegl der einzige zu sein, den diese Beschwerden erreichen. Weder die Ordnungsbehörden der Stadt Regensburg noch die Polizei können diesen Eindruck bestätigen. Konkrete Ermittlungsverfahren zur „Gefährdung des öffentlichen Anstandes/ Jugendschutzes“ seien nicht bekannt, heißt es in einer Stellungnahme der Polizei gegenüber der Stadt. „Im Grundsatz will das Milieu ungestört arbeiten.“ Auch die Kriminalität im Umfeld von Prostitution scheint demnach eine eher marginale Rolle zu spielen. Und insbesondere der Straßenstrich ist in Regensburg so gut wie nicht vorhanden. Der Polizei sind lediglich vier Prostituierte bekannt, die noch in diesem Bereich arbeiten.

Schwerpunkt Wohnungsprostitution

Das bestätigt auch Tanja. „Die Freier mögen es diskret. Sie möchten nicht auf Bekannte oder Kollegen treffen.“ Auch das Geschäft in Bars, Clubs und Bordellen gehe deshalb zurück. Der Schwerpunkt liege bei der Wohnungsprostitution. Hier gebe es etwa 60 bis 80 Wohnungen in Regensburg, in denen meist eine, oft aber auch zwei bis drei Frauen arbeiten würden. Die Polizei spricht von 18 Betreibern solcher Modellwohnungen, die im Schnitt 350 Euro pro Woche von den Prostituierten verlangen würden.

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Probleme mit Anwohnern gebe es erst, wenn diese Wohnungen sichtbar werden, sagt Tanja. So sei das etwa am Hohen Kreuz gewesen, wo CSU-Stadträtin Bernadette Dechant seit einigen Jahren Sturm gegen Wohnungsprostitution läuft. Dort hätten ein paar Damen plötzlich angefangen mit Herzchen und Beleuchtungen im Fenster zu werben. Das sei schlicht dumm, so Tanja. „Die Wohnungen am Hohen Kreuz gab es schon zehn Jahre. Da hat sich nie jemand aufgeregt. Erst als sie sichtbar wurden. Dann gehen die Leute dagegen vor.“

Ebenso sei es problematisch, wenn sich zu viele solche Wohnungen am selben Ort konzentrieren. Dann komme es zum Laufhaus-Effekt. Freier, die herumlaufen und nach der richtigen Wohnung suchen. „Das geht nicht. Ich bin mir aber sicher, dass man hier mit den Betreibern reden könnte.“

Welterbe contra Dienstleistungsfreiheit?

Entsprechende Gespräche gab es aber, wie schon erwähnt, nicht. Dafür liegt mit dem Beschluss vom Donnerstag nun der Antrag auf Erweiterung des Sperrbezirks auf dem Tisch. Schon bisher war jede Form von Prostitution – also auch der Besuch einer Prostituierten im Hotelzimmer – im Altstadtbereich verboten. Diese Zone soll nun unter anderem auf Stadtamhof, die Wöhrde und das Bahnhofsgebiet erweitert werden.

Die wichtigste Frage bei der Ausarbeitung der neuen Verordnung für Rechtsreferent Schörnig war, ob diese auch Klagen standhalten wird. Da Prostitution seit 2001 als normales Gewerbe gesetzlich geschützt sei, könne es nur Einschränkungen geben, wenn dem wichtige gesetzliche Güter und Gründe des öffentlichen Wohls – etwa der Jugendschutz – entgegenstünden.

Prostitution in Regensburg und die geplante Erweiterung des Sperrbezirks. Karte: Stadt Regensburg (zum Vergrößern klicken)

Prostitution in Regensburg und die geplante Erweiterung des Sperrbezirks. Rot markiert sind die geplanten Erweiterungsflächen. In der engeren Sperrzone ist keinerlei Prostitution erlaubt. Außerhalb davon nur in geschlossenen Räumen. Die Markierung “Ausnahme von der weiteren Sperrzone” bezeichnet den Bereich, in dem Straßenprostitution künftig noch erlaubt sein soll. Karte: Stadt Regensburg (zum Vergrößern klicken)

Das Bauordnungsrecht, mit dem es früher noch möglich war, Wohnungsprostitution zu verbieten sei mittlerweile eine „sehr, sehr stumpfe Waffe“. Begründet werden soll die nun gewünschte Ausweitung im Wesentlichen mit dem Status Regensburgs als Weltkulturerbe. Die Verwaltung habe sich – nach Vorgesprächen mit der Regierung – mit dieser Verordnung „so weit vorgetastet als vertretbar“, so Schörnig.

Fraglich ist indes, ob die Verordnung auch europarechtlich standhält. In Sexarbeiterinnen-Foren wird bereits seit längerem darüber debattiert, inwieweit eine Einschränkung der Prostitution durch kommunale Sperrbezirke mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie, Niederlassungs- und Gewerbefreiheit vereinbar ist. Eine entsprechende grundsätzliche Entscheidung gibt es auf EU-Ebene dazu noch nicht, allerdings könnte eine solche – im Erfolgsfall – das generelle Aus für Sperrbezirke bedeuten. Nicht nur in Regensburg.

Hier gibt es laut Polizei etwa 100 Prostituierte. Das seien allenfalls die offiziell sichtbaren Frauen, sagt dagegen Tanja. „Sie brauchen nur ins Internet zu gehen. Da finden Sie hunderte von Anzeigen. Alle diese Frauen werden mit der Ausweitung zusätzlich kriminalisiert.“

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Kommentare (7)

  • bernd

    |

    Gibt es Erläuterungen zur Karte?

    So wirkt das ziemlich willkürlich auf mich.

  • Dominik Dirnberger

    |

    >>Kunc sprach in diesem Zusammenhang von einer „nicht angebrachten Doppelmoral“.<<

    Dem kann ich nur beipflichten.

  • Stefan Aigner

    |

    @Bernd

    Ich habe die Bildunterschrift ergänzt. Wird es so klarer?

  • Veronika

    |

    Empfinde ich auch als Doppelmoral, vor allem weil seit den Erleichterungen durch das Prostitutionsgesetz der Staat ja sehr gut mitverdient.

  • Dubh

    |

    Der Staat hat vorher auch mitverdient.
    Die Steuerpflicht hat rein gar nichts mit dem Prostituionsgesetz zu tun.

  • Wanda Tarnowska

    |

    Was ist denn mit den Vierteln im historischen Quartier, die im Hochmittelalter und in der Frühneuzeit Sexarbeiterinnen-Revier waren? Sowas gab es in JEDER mittelalterlichen Stadt… HIER müsste man dann doch Sexarbeit zulassen- schon allein aus Gründen des Denkmalschutzes….;-)

  • Twix Raider

    |

    Wanda hat ihre Hausaufgaben gemacht, andere Städte machen aus der hausgemachten Sünde eine Tugend:
    http://www.hurentour.de/
    Kriegt zwar kein Welterbe-Siegel, zieht dafür aber mehr Touristen und kostet die Bürger keinen müden Cent. Nicht vergessen, die UNESCO lässt sich ihr überschätztes Zertifikat sündhaft teuer bezahlen und Folgekosten gibt es auch, von den ggf. verschwendeten Bewerbungskosten mal ganz abgesehen…

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drin