„Ein multiples Versagen des Rechtsstaats“

Gehörten zu den ersten Journalisten, die den Fall Mollath aufgegriffen haben: Olaf Przybilla (re.) und Uwe Ritzer. Foto: as
Höchst unterschiedliche Ergebnisse im Untersuchungsausschuss
Er kommt gerade aus dem Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags. Dort war Mollath, der mittlerweile seit sieben Jahren in der geschlossenen Psychiatrie sitzt, erst vor kurzem eingeladen und stand den Abgeordneten über zwei Stunden Rede und Antwort. „Es war das erste Mal, dass eine staatliche Institution ihn wirklich angehört hat“, konstatiert Przybilla. Und die Ergebnisse, zu denen die Fraktionen kommen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Während CSU und FDP der Ansicht sind, dass es in dem Fall kein grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten von Behörden und Justiz gegeben habe, zieht die Opposition auf 136 Seiten ein vernichtendes Fazit: Vertuschung durch das Justizministerium, einseitige Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und haarsträubende Fehler des Landgerichts Nürnberg-Fürth, das Mollaths Unterbringung angeordnet hatte, sind nur einige Punkte. „Der Bericht strotzt vor Substanz“, so Przybilla. Der Fall Mollath solle, so lautet ein Fazit, künftig in die Ausbildung von Richtern und Staatsanwälten einfließen, „damit man weiß wie man es nicht macht“.Lange Zweifel an Mollaths Geschichte
Dabei hatten er und Ritzer selbst lange Zweifel, ob sie sich für die Süddeutsche Zeitung ernsthaft mit dem Fall beschäftigen sollten, als sie zum ersten Mal von dem heute 56jährigen hörten. „Vermutlich glaubt jeder zweite, der in der Forensik einsitzt, dass er dort zu Unrecht sei.“ Und gerade bei Mollath gab es zunächst nichts, was für ihn sprach: Ein rechtskräftiges Urteil gegen einen Mann, der seine Frau geschlagen und Autoreifen zerstochen haben soll. Der als gemeingefährlich und wahnhaft eingestuft wurde. Eine Bestätigung dieses Urteils durch den Bundesgerichtshof. Schwarzgeld-Vorwürfe gegen die Ex-Frau, die abgesehen von Mollaths Aussagen durch nichts zu belegen waren.Wirtschaftsanwalt bestätigt: Es ging um ein bekanntes Schwarzgeld-System
Erst als ein interner Revisionsbericht der Hypovereinsbank auf Ritzers und Przybillas Schreibtisch landete, wurden sie hellhörig und begannen zu recherchieren. Alle nachprüfbaren Behauptungen Mollaths hätten sich als zutreffend erwiesen, heißt es darin unter anderem. Er habe Insider-Wissen. Ein Liechtensteiner Wirtschaftsanwalt, dem Ritzer Dokumente von Mollath vorgelegt hat, bestätigte ihm, dass hier das Muster eines Schwarzgeld-Systems erkennbar sei, wie man es mittlerweile aus den 90ern kenne. Der Revisionsbericht verschwand zunächst. Stillschweigend trennte man sich von den betroffenen Mitarbeitern – darunter Mollaths Ex-Frau. Er fuhr in die Psychiatrie ein – unter anderem wegen seines vermeintlichen Schwarzgeld-Wahns. Mittlerweile sind die Berichte (nicht nur) in der Süddeutschen Zeitung zahllos. In ihrem Buch fassen Ritzer und Przybilla die bisherigen Ergebnisse ihrer Recherchen zusammen. Sachlich. Ohne sich als Eiferer zu gebärden und ohne Verschwörungstheorien zu spinnen. Und – allein das spricht für sich – bislang gab es keinen Versuch, juristisch mit Gegendarstellungen oder Unterlassungen gegen Buch und Berichte vorzugehen. Przybilla spricht von einem „multiplen Versagen des Rechtsstaats“. Mollath sei „auf perfide Weise unter die Räder eines Apparats gekommen, der nicht einmal weiß, dass er ein Apparat ist“.Ein Ärztin urteilt, ohne Mollath überhaupt zu kennen
Am Anfang stand die Stellungnahme einer Erlanger Ärztin, die Mollath – ohne ihn je gesehen zu haben – auf Basis der Schilderungen seiner Ex-Frau für psychisch krank erklärte. Ein eklatanter Verstoß gegen die Richtlinien am Klinikum. Die Frau ist mittlerweile Oberärztin in Erlangen. Es folgte ein Prozess vor dem Nürnberger Landgericht unter dem Vorsitz von Richter Otto Brixner, der nach einhelliger Schilderung mehrerer Zeugen wenig Rechtsstaatliches an sich hatte. Ein brüllender Richter, der die Verteidigungsschrift nicht gelesen hatte. Der der Handball-Trainer des Liebhabers und mittlerweile neuen Mannes von Mollaths Ex-Frau ist, den er beim Prozess sogar mit Handschlag begrüßt haben soll.Ein Urteil mit bizarren Geschichten
