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Demo gegen Nazis spaltet Amberg

„Eine Versammlung lebt davon, dass Meinung und Gegenmeinung friedlich ausgetauscht werden“, sagt Robert Hausmann. Deshalb sah der Leiter der Polizeiinspektion Amberg am 8. September auch keinen Grund, 20 ausgewiesene Neonazis vom Amberger Marktplatz zu verweisen, auf dem die verdi-Jugend zeitgleich eine Mahnwache für Klaus Peter Beer abhielt.

Beer war am 7. September 1995 von zwei einschlägig bekannten Neonazis ermordet worden. Weil er schwul war. Die beiden Skinheads Richard L. und Dieter M. schlugen Beer nach einem Kneipenbesuch nieder, traten mit ihren Springerstiefeln auf ihn ein und warfen ihn anschließend in die Vils, wo Beer ertrank. Der sogenannte „Vilsmord“ machte bundesweit Schlagzeilen, ein sichtbares Gedenken an Beer fehlt in Amberg bis heute.

Unter anderem dagegen richtete sich – 15 Jahre später – die Mahnwache der verdi-Jugend. „Der Mord wird einfach totgeschwiegen“, kritisiert der Vorsitzende Stefan Dietl. Die Neonazi-Gruppe verteilt im Gegenzug Flugblätter, in denen zur Zerschlagung der Gewerkschaften aufgerufen wird und wo von „volksfeindlichem Verhalten“ die Rede ist. Eine „Gegenmeinung“, die man dulden muss? „Diese Leute zu entfernen, hieße, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit mit Füßen zu treten“, argumentiert der Amberger Polizeichef. „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“, hält Dietl dagegen.

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Ob ein derartiger „Austausch von Meinung und Gegenmeinung“ auch am morgigen Samstag stattfindet, bleibt abzuwarten. Für 14 Uhr hat die verdi-Jugend zu einer Demonstration aufgerufen, um an Beer zu erinnern, aber auch, um auf die Naziaktivitäten in und um Amberg hinzuweisen. Angeblich mobilisiert auch die rechte Szene nach Amberg, um ihre „Gegenmeinung“ zu präsentieren. „Wir hoffen, dass wir dieses Mal an Klaus Peter Beer erinnern können, ohne dass sein Andenken in den Schmutz gezogen wird und ohne dass versucht wird, Teilnehmer der Veranstaltung einzuschüchtern“, sagt Dietl.

Oberbürgermeister: verdi soll sich distanzieren

Doch nicht allein die Neonazis, auch das Verhalten der Stadt Amberg steht im Fokus der Demonstration. Stefan Dietl: „Das eigentliche Problem ist, dass man sich nicht eingesteht, dass es eine Naziszene in Amberg gibt.“ Er spricht von einer „Politik des Ignorierens und Verdrängens“. „Kampf gegen Neofaschismus & die Politik der Stadt Amberg“, heißt es entsprechend auf einem Flugblatt.

Das stößt nicht auf ungeteilte Freude. Ambergs Oberbürgermeister Wolfgang Dandorfer (CSU) hat den verdi-Bezirksvorsitzenden Manfred Hellwig aufgefordert, sich von der Demonstration zu distanzieren. Mit dem Flugblatt seien die „Grenzen verleumdungsfreier politischer Auseinandersetzung“ überschritten worden, so Dandorfer. Darüber hinaus sei eine organisierte Neonaziszene in Amberg nicht vorhanden. Ins selbe Horn stößt auch Polizeichef Hausmann, der zwar einräumt, dass es „Personen mit extremen politischen Einstellungen“ gebe, aber keine organisierten Strukturen. „Wenn Herr Dandorfer behauptet, dass es in Amberg keine Naziszene gibt, dann weiß der gute Mann nicht, was in seiner Stadt los ist“, erklärt dagegen Manfred Hellwig. Er steht voll und ganz hinter dem Aufruf.

Keine Neonazi-Szene?

Eine von der verdi-Jugend zusammengestellte Chronik listet eine Reihe von Vorfällen mit rechtsextremem Hintergrund auf – Verteilaktionen an Schulen, Konzerte und Saalveranstaltungen, diverse öffentliche Auftritte der „Nationalen Sozialisten Amberg“. Diese freie Kameradschaft, naturgemäß ein Zusammenschluss, der über keine offiziellen Organisationsstrukturen verfügt, ist mal in Amberg selbst, mal im Städtedreieck im Landkreis Schwandorf aktiv und taucht immer wieder in Zusammenhang mit bayern- und bundesweiten Aktionen in der rechtsextremen Szene auf.

Regelmäßige Konzerte von Neonazi-Bands im Amberger Pilspub 500 findet man in der Chronik ebenso wie in einschlägigen Foren im Internet. Diese trügen maßgeblich zur Finanzierung von Demonstrationen oder Strukturen wie der Nazi-Plattform „Freies Netz Süd“ bei, erklärt Dietl.

Der Verfassungsschutzbericht 2009 beziffert die Zahl aktiver Neonazis im Raum Amberg/ Weiden auf 30 Personen. Ebenfalls dort erwähnt ist die rechtsextremistische Amberger Band „Noise of Hate“. NPD-Größen wie der Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern, Udo Pastörs, oder Holger Apfel, NPD-Chef in Sachsen, haben Amberg in den letzten Jahren Besuche abgestattet. Bei der Bundestagswahl 2009 fuhr der Direktkandidat Heidrich Klenhardt (links im Bild bei einem Aufmarsch in Regensburg) mit 2,5 Prozent das beste Erststimmen-Ergebnis für die NPD in der Oberpfalz ein. Keine rechtsextreme Szene in Amberg?

Gedenktafel: Bislang kein Thema

„Es wäre vermessen, zu behaupten, dass es so etwas in Amberg gar nicht gibt“, relativiert Bürgermeister Michael Cerny (CSU) die Aussage von OB Dandorfer. „Dass Amberg aber ein Schwerpunkt solcher Aktivitäten ist, können wir aus unserer Erfahrung nicht bestätigen.“ Den Vorwurf, die Stadt sei untätig oder gar ignorant bezeichnet Cerny als „falsch und enttäuschend“. Immerhin gebe es seit Jahren das Aktionsbündnis „Bunt statt Braun“, in dem man sich über Vorfälle und Gegenstrategien austausche oder Zeitzeugengespräche an Schulen organisiere. „Das Anliegen der verdi-Jugend, über Vorfälle in Amberg aufzuklären unterschreibe ich sofort, aber der Angriff gegen die Stadt führt zu einer undienlichen Diskussion, die nur den Braunen nützt.“ Eine Diskussion im Vorfeld der Demonstration scheint indessen in Amberg nicht stattgefunden zu haben. Der Sprecher des Aktionsbündnisses, Pfarrer Rainer Kroninger, erfuhr davon erst durch den Anruf unserer Redaktion.

Eine Gedenktafel für Klaus Peter Beer wurde übrigens bislang weder in dem Bündnis, geschweige denn im Amberger Stadtrat diskutiert.

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Kommentare (9)

  • StuhloderSessel

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    Unglaublich, die (politischen) Zustände in der “Perle der Oberpfalz”. Die vermehrte nationalsozialistische Organisierung ist in diesem Gebiet doch seit Anfang der Neunziger bekannt, nicht erst durch den sog. “Vilsmord” (also die Ermordung eines Menschen durch Neonazis auf Grund seiner sexuellen Orientierung).
    Der Umgang der Amberger Stadtspitze mit der Neonazioffensive weist offensichtlich Parallelen zum Umgang der Regensburger Stadtspitze mit den Naziumtrieben in Regensburg auf.
    Sollte ich mich recht erinnern, waren am 03.Oktober 2009 so allerhand Amberger_innen in Regensburg, um uns bei der erfolgreichen Blockade zu unterstützen.
    Die Aktivitäten der jungen Antifaschist_innen in Amberg verdienen m.E. höchste Anerkennung. Gegen diverse Anfeindungen setzen diese jungen Leute das schonungslose Argument. Auch die klare Aussage des Verdi Vorsitzenden erfreut, genauso wie der wiedereinmal engagiert recherchierte (im Gegensatz zur, mir zugänglichen, bisherigen Berichterstattung anderer Medien) Artikel des Herrn Aigner.

    Hoffentlich sind viele Regensburger_innen morgen in Amberg und lassen die Amberger_innen nicht mit ihren lavierenden Stadtpolitikern alleine!

  • Iris soumer

    |

    Ich möchte hier auch mal festhalten, es gibt auch noch zahlreiche Faschisten unter den ganz “normlen”
    Leuten. Natürlich sieht man es ihnen äußerlich dann nicht an aber dennoch weilen sie unter uns.

    Einfach Menschen die keine andere Weltanschauung dulden und in ihrem Denken und Handeln andere anders denkende unterwerfen. Kein Wunder wenn sich dann die äußerlich sichtbaren zusammentun bei so viel unsichtbarer Unterstützung.
    Oftmals merkt man auch heute noch wie höherwertig und überlegen sich Menschen hier immer noch vorkommen. Am Land ist es noch besonders ausgeprägt. Da braucht keiner Springerstiefel anziehen und trotzdem kriegt man mit was abgeht in den Köpfen von den Leuten.

  • peter sturm

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    @”amberger polizeichef”
    wer die forderung nach der zerschlagung der gewerkschaften für freie meinungsäußerung hält, ist nicht ausreichend von faschistischem gedankengut distanziert.

  • Gregor

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    Hoffentlich erscheinen viele Regensburger in Amberg

  • Isaj Davidowitsch Berg

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    Und wo liegt jetzt das Problem? Deutsche Schweine gegen Metzgerhass, kommt alle zur Demo in den Schlachthof, gell?

  • NPD-„Flagschiff“ säuft in Regensburg ab | Regensburg Digital

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    […] deren Ignoranz gegenüber Rechtsextremen die von Regensburg um ein gehöriges Maß überschreitet. Der dortige OB Dandorfer bestreitet schlicht deren Existenz und hat dabei auch den lokalen Polizeich…. Doch das nur am Rande. Eingekreist: Der NPD-Truck am Bismarckplatz. Foto: […]

  • Die braune Perle der Oberpfalz | Regensburg Digital

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