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Urteil

Wolbergs: Straffreiheit aufgehoben, Verurteilung wegen Bestechlichkeit rechtskräftig…


Der BGH hat entschieden. Das erste Urteil gegen Joachim Wolbergs wird weitgehend aufgehoben. Die Verurteilung wegen Bestechlichkeit ist hingegen rechtskräftig. Wir veröffentlichen die Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs. Einen ausführlicher Bericht gibt es hier.


Das Landgericht Regensburg hat den Angeklagten Wo., den früheren Oberbürgermeister der Stadt Regensburg, in einem ersten Verfahren wegen Vorteilsannahme in zwei Fällen verurteilt, insoweit  jedoch  von  Strafen  abgesehen  (§ 60 StGB) und im Übrigen freigesprochen. Die Mitangeklagten T. und Wi., einen Bauunternehmer und dessen früheren Geschäftsführer, hat es wegen Vorteilsgewährung und teils tateinheitlich begangenen Verstößen gegen das Parteiengesetz zu Freiheits- bzw. Geldstrafen verurteilt und im Übrigen – wie den Angeklagten H., den Vorsitzenden der Regensburger Stadtratsfraktion der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), insgesamt – freigesprochen. In einem zweiten Verfahren hat das Landgericht den Angeklagten Wo. wegen Bestechlichkeit verurteilt und die Vollstreckung der einjährigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts warb der Angeklagte Wo. als Kandidat der SPD für das Amt des Oberbürgermeisters in Regensburg bei der bayerischen Kommunalwahl 2014 zur Finanzierung seines Wahlkampfs Spenden ein. Der Angeklagte T. unterstützte den von Wo. geleiteten SPD-Ortsverein dabei von 2011 bis 2016 mit einem mittleren sechsstelligen Betrag, leistete die Zuwendungen aber nicht allesamt selbst, sondern auch über seine Unternehmen, bei diesen beschäftigte Mitarbeiter und Angehörige. Zudem erhielten der Angeklagte Wo. und dessen Angehörige in diesem Zeitraum zusätzliche Vergünstigungen und Rabatte durch die Angeklagten T. und Wi., indem etwa Handwerkerrechnungen teilweise übernommen oder Preisnachlässe bei Wohnungskäufen gewährt wurden. Weil die durch den Angeklagten T. erstrebten Amtshandlungen aber erst nach der Wahl des Angeklagten Wo. zum Oberbürgermeister erbracht werden konnten, seien nach Ansicht des Landgerichts nur das Gewähren und das Annehmen von Spenden nach der Kommunalwahl als Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung strafbar. Die Aufteilung der Spenden auf “Strohmänner” durch die Angeklagten T. und Wi. hat das Landgericht jeweils als Verstoß gegen das Parteiengesetz gewertet.  

In einem zweiten Verfahren hat eine andere Kammer des Landgerichts die Annahme von Spenden eines anderen Bauunternehmers, des Verurteilten D., durch den SPD-Ortsverein wegen einer festgestellten Verbindung mit einer konkreten Amtshandlung des Wo. als Bestechlichkeit gewertet. Vom Vorwurf der strafbaren Annahme weiterer Spenden Ds. und des Bauunternehmers Sch. hat das Landgericht den Angeklagten Wo. freigesprochen.

Der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft das erste Urteil des Landgerichts Regensburg in weiten Teilen aufgehoben. Der rechtliche Ausgangspunkt des Landgerichts, der Angeklagte Wo. habe sich vor seiner Wahl zum Oberbürgermeister noch nicht zu rechtswidrigen Diensthandlungen für die Zeit nach seiner Wahl bereiterklären können, ist nicht tragfähig. Das Landgericht hat insoweit nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Angeklagte Wo.  auch  schon  vor  der  Kommunalwahl  wegen  seiner  Stellung  als  3. Bürgermeister der Stadt Regensburg in einer gehobenen Pflichtenposition stand, die es ihm untersagte, im Zusammenhang mit seinem Amt Vorteile anzunehmen. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Annahme von Wahlkampfspenden das Risiko des Wahlbewerbers, sich wegen Vorteilsannahme strafbar zu machen, mit den Grundsätzen der Wahlgleichheit in einen Ausgleich zu bringen. Die vorliegenden Spendenleistungen gingen nach den rechtsfehlerfreien landgerichtlichen Feststellungen jedoch über die Förderung der allgemeinen politischen Ausrichtung des Angeklagten Wo. hinaus. Aus diesem Grund waren die (Teil-)Freisprüche im Zusammenhang mit den Spenden an den SPD-Ortsverein vor der Kommunalwahl sowie mit den gewährten sonstigen Vergünstigungen aufzuheben. Ebenfalls keinen Bestand konnte der von Strafe absehende Rechtsfolgenausspruch des landgerichtlichen Urteils haben, weil das Tatgericht zu dessen Begründung nicht berücksichtigungsfähige Umstände herangezogen hat.  

Die Verurteilungen der Angeklagten T. und Wi. wegen Verstößen gegen das Parteiengesetz haben auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten T. keinen Bestand, weil dem Landgericht insoweit ein Verfahrensfehler unterlaufen ist.  

Die Revisionen gegen das zweite Urteil des Regensburger Landgerichts blieben hingegen ohne Erfolg.  

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Kommentare (22)

  • Hobbyrichter

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    Die Profis haben gesprochen

  • Bertl

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    Sg, der Fall wurde nach München zurück verwiesen.

  • Justizia

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    @Sg

    Nein zum Glück sind nicht die Gerichte in Regensburg am Zuge, der Fall wurde an das Gericht München 1 verwiesen, dass sich derart skandalöse Urteile nicht wiederholen.

    Ich bin gespannt ob Wolbergs nun endlich zu seinem Wort steht und Regensburg verlässt!
    It’s over Wolli!

  • Sg

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    Stimmt, sorry so much!
    Habe ich vertauscht.

  • Arno Nym

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    Mir ist immer noch schleierhaft wie jemand glauben konnte das der BGH sowas durchgehen lässt.
    Das wäre ein Freifahrschein für Korruption in der Lokalpolitik gewesen.
    Wenn Herr W. Mehr Einsicht gezeigt hätte und zugegeben hätte, das er was falsch gemacht hat, wäre er Vlt nicht 2020‘aber 2026 wieder OB geworden. Genug Regensburger die ihm alles nachsehen scheint es ja zu geben.
    Jetzt muss er mit einer härteren Strafe rechnen und vielleicht mit Verlust seiner Pension?
    Die Brücke muss sich von ihm und seinen Bedingslosen Unterstützern wie Th. M. trennen, wenn sie noch irgendwie glaubwürdig sein wollen.
    Bin gespannt wie die Resktiin ausfällt.
    Eine rechtskräftige Verurteilung wegen Bestechlichkeit sollte aber eigentlich für eine Niederlegung der Ämter und einen Rückzug aus der Politik geboten sein.

  • Mrs. Universa

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    Nach wie vor bin ich überzeugt, dass Wolbergs sich keiner Schuld bewusst war und in gutem Glauben nur getan hat, was ihm sein CSU-Vorgänger und Chef von 2008 bis 2014 – ungestraft!!! – vorgemacht hat. Armer Wolli! Ihn beissen jetzt die Hunde. Aber er verfügt zum Glück über eine schier unglaubliche Resilienz!

  • Fred Altner

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    Durch dieses Urteil wird es vermutlich beim Gericht heißen:
    Richterin Es. is not amused.

  • Madame

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    Der herr w. ist ziemlich naiv , wenn er glaubt das recht auf seiner seite zu haben. Im grunde sind alle kleinen regionalpol. nicht gefeit vor bestechlichkeit. Herr w, soll seinen sold der strafe anerkennen. Die bösen buben der creativen sozialen unützis stehen damit dumm da. Ein solches Kaliber wie f. j strauss ist nicht zu übertreffen.

    .

  • Reiner Wehpunkt

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    Man hat es kaum ertragen können, mit welcher Wehleidigkeit Richterin Elke Escher ihr Urteil gefällt hat. Herr Wo. ist sicherlich kein schwerer Straftäter im herkömmlichen Sinne. Sein Spendenkonstrukt jedoch ist eine erbärmliche Farce, die einem demokratischen Rechtsstaat ins Gesicht speit.

    Eine Wohltat, dass der BGH dieses erbärmliche Urteil aufgehoben hat. Ich bin gespannt auf den morgigen Bericht.

  • Gscheidhaferl

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    Kommt unsere kleine Welt also vielleicht doch wieder etwas mehr in Ordnung. Für all jene, die wenigstens Teilen des Regensburger Urteils verständnislos gegenüber standen, eine gute Nachricht. Schade nur, dass es erst der Revision bedurfte.

    Die Betonköpfe im Wolbergs-Lager werden jetzt wahrscheinlich (wie Kopien der Trump-Anhänger) wieder beleidigt das Lied von der Verschwörung singen. Und Wolbergs selbst wäre fast zu wünschen, dass er an seiner (vielleicht ja wirklich krankhaften) Uneinsichtigkeit festhalten kann. Denn jetzt ist für ihn wohl wirklich Schicht im Schacht.

    Die Sache hat wirklich das Zeug zum schaurigen kommunalpolitischen Lehrstück: Vom Aufstieg und Fall eines Narzissten. Und von dem fragwürdigen Personen und Strukturen, die solche ‘Karrieren’ befördern und sich jeglicher Einsicht verweigern.

    Nicht nur Wolbergs hätte sich und Regensburg eine Menge einzugestehen. Solche Personen können schließlich nur deswegen so weit kommen, weil unsere (Stadt-)Gesellschaft an viel zu vielen Stellen hinsichtlich des vielbeschworenen Gemeinwohls dysfunktional und kontraproduktiv agiert. Immerhin: Der BGH scheint dem zumindest juristisch Einhalt zu gebieten.

  • Egon Bär

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    Ein richtungsweisendes Urteil, was in der Art auch ein wichtiges Zeichen für die Politik ist. Hoffentlich wird auch an die Vertreter der weiteren Parteien der selbe Maßstab angelegt. Nichtsdestotrotz ist es nach wie vor unverständlich, dass ein Wahlverein, mit einem verurteilten, korrupten Politiker an der Spitze Politik machen will. Das ist ein Schlag ins Gesicht für jeden Wähler. Die Brücke befeuert geradezu Korruption durch die Unterstützung eines Einzelnen. Das Problem ist, dass die weiteren Stadträte der Brücke aufgrund ihrer persönlichen Niebelungentreue zum Vorsitzenden -dem sie ihre politische Karriere verdanken- scheinbar jeden moralischen Kompass vermissen lassen. Ein trauriges Bild für eine Stadt, wenn sich von Korruption nicht deutlich distanziert wird. Ein noch traurigeres Bild, wenn man den persönlichen Vorteil (Stadratsmandat) über der Allgemeinheit steht.

  • Roche-Dirac

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    Jetzt ist es also höchstrichterlich amtlich. Das Urteil des ersten Prozesses unter Leitung der Richterin Elke Escher wird weitgehend aufgehoben. Was ja überwiegend auch so erwartet wurde; genauso wie erwartet wurde, dass der Urteilsspruch im zweiten Verfahren unter Leitung des Vorsitzenden Richters Georg Kimmerl halten wird.

    Was man so hört war die schriftliche Urteilsbegründung im ersten Verfahren mehrere hundert Seiten stark, also mehrere hundert Seiten juristische Schlechtleistung, wie sich jetzt herausstellt. Wobei ich hoffe, dass es nur eine Schlechtleistung war …
    Immerhin, möglicherweise taugt dieses Urteil noch als zukünftiges Lehrbuchbeispiel dafür, was man bei der Urteilsfindung alles falsch machen kann, was man alles nicht machen sollte.

    Die Verteidigungsstrategie der Wolbergsverteidiger Witting und Haizmann war wohl auch nicht die beste, milde ausgedrückt. Aber so ist es eben, wenn Leute mit sehr grossem Ego, die glauben die Weisheit mit Löffeln gegessen bzw. mit der Muttermilch eingesogen zu haben, partout nicht einsehen können, nicht einsehen wollen, dass sie auch mal falsch liegen könnten, dass sie einen Fehler gemacht haben.

    Persönlich fast schon bedrückend finde ich, wie sich manche Leumundszeugen im ersten Prozess positioniert haben. Den Fall Christa Meier habe ich noch klar vor Augen, auch weil ich ihn live erlebt habe. Unsere Ex-OB Meier, geistige Ziehmutter von Wolbergs, hatte doch die Nerven die Anklage und das ganze Verfahren gegen Wolbergs als eine Art Kasperltheater zu bezeichnen. So so, ein Kasperltheater. Aha, gut Frau Meier, dass sie kein Amt mehr bekleiden. Sowas machte und macht mich sprachlos.

    Ich bin neugierig darauf, was sich da alles jetzt auch noch “stadtpolitisch” entwickeln wird.

  • Lieschen Müllerin

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    Schreibt man, leid tun oder leidtun? Mir tut es leid, dass sein Vorgänger und Lehrmeister nicht einer eben solcher Prüfung seines Handels unterzogen wird.

  • Mr. T.

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    Ich bin immer noch am Rätseln, wer die größere Schelle bekommen hat – Wolbergs oder Escher

  • xy

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    Mr. T. schreibt: “Ich bin immer noch am Rätseln, wer die größere Schelle bekommen hat – Wolbergs oder Escher”

    Ich weise darauf hin, dass es in § 76 Abs. 1 GVG u. a. heißt: “Die Strafkammern sind mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden und zwei Schöffen (große Strafkammer)… besetzt.” Das heißt, dass es neben “Escher” noch vier weitere Richter, bzw. Richterinnen, gab, die “Escher” überstimmt haben können. Wer wie gestimmt hat, wird wegen des Beratungsgeheimnisses nie bekannt werden. Es ist jedenfalls völlig deplatziert, “Escher” für all das verantwortlich zu machen, was die Kammer entschieden hat und was sie, ggf. sogar gegen ihre Überzeugung, verkünden musste. Sie können also das Gericht oder die Kammer schimpfen, aber nicht “Escher”.

  • Dieter

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    Man kann nur hoffen, dass das Urteil tatsächlich Signalwirkung für die Lokalpolitik hat.

    Gestern musste ich von der “Korruptionshauptstadt Regensburg” lesen. Ob dies zutrifft, kann man dahingestellt lassen. Fakt ist, dass in Regensburg die Immobilien- und Mietpreise in machen Jahren deutschlandweit am höchsten gestiegen sind.
    Dieser Schaden wird in Stadt und Landkreis monatlich von den Bürgern getragen und ist auch nicht mehr gutzumachen.

    Ich bin gespannt, ob man in München Wolbergs emotionale Eskapaden so durchgehen lässt und bei Tretzels Charme kichert wie Escher.
    Das BGH Urteil gibt zumindest eine Richtung vor für weitere Entscheidungen am Landesgericht.

  • Tröster

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    Das ist eben das Pech, wenn man in der Kommunalpolitik unterwegs ist.
    Landes- oder Bundespolitiker müsste man sein, und in der CSU, dann wär’s egal: FJS, Gauweiler, Sauter, Nüßlein, Hohlmeier etc. Oder man heißt Schaidinger…
    Mal schaun, was beim Rieger rauskommt…

  • Mr. B.

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    Hier sieht man, dass es doch immer wieder Politiker gibt, die vorsätzlich zu ihren Vorteil durch ihr Handeln die Demokratie aufs Schärfste mitgefährden!
    Auf der anderen Seite bilden sich dann Gruppen, die an nichts mehr glauben.
    Die Politik trägt m. E. hier zumindest eine große Mitschuld.

    Schön, dass jetzt endlich mal der BGH zum haarsträubenden Urteil des Regensburger Gerichts gesprochen hat!
    Hierzu auch nochmals mein Dank an alle Ermittler!
    Ich glaube, niemand in Regensburg und auch nicht in ganz Bayern, hätte sich vor dem Bekanntwerden des 1. KORRUPTIONSPROZESSES vorstellen können, das sowas aufgrund “schützender Hände” ablaufen/stattfinden könne.
    Ich glaube Herr Witting war es, der Anstand und Moral eines Politikers zu Anfang des ersten Korruptionsprozesses abgeschafft hatte.
    Ich bin froh, dass Gerichte in diesem Land doch noch funktionieren!
    Zeitweise hatte ich ehrlich starke Bedenken!

  • beobachter

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    Was hat die Staatsanwaltschaft und inbesondere die beiden Staatsanwältinnen nich alles an persönlichen Angriffen erdulden müsse, Ich freue mich, dass sie nunmehr vollständig rehabilitiert worden sind.

  • Hthik

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    @xy 5. November 2021 um 12:23 | #

    “Sie können also das Gericht oder die Kammer schimpfen, aber nicht “Escher”.”

    Das ist eine sehr solide rechtliche Position. Nicht nur kann man den Gesetzeswortlaut in Anspruch nehmen, sondern man weiß auch das Bundesverfassungsgericht auf seiner Seite, 2 BvR 610/12 vom 23.05.2012.

    Wie die feine Ironie der Weltgeschichte hier will, war dieser Beschluss erforderlich aufgrund von Aktivitäten des damaligen Richters und späteren Vorsitzenden, Thomas Fischer, dem unter anderem die richterliche Befassung, insbesondere die praktische Durchführung des Berichterstatter[un]wesens an seinem Gericht nicht gefiel. Dieses Gericht war bekanntlich der BGH. Diese traurige Realität, die rechtlich nicht existieren darf, scheint daher nur zufällig hier und da durch. Neben dem Fall Fischer weise ich auf den BGH Beschluss 4 StR 390/13 vom 18.12.2013 hin. Dort sahen sich aufgrund plötzlicher Krankheit des Vorsitzenden die Kollegen beim Landgericht nicht in der Lage, das Urteil innerhalb der gegebenen Frist abzufassen. Verräterisch ist hier besonders, dass diese als Hinderungsgrund anführten, sie hätten nicht feststellen können, ob der Vorsitzende schon einen Urteilsentwurf erstellt habe. Wie der BGH feststellt, kann das kein Grund sein, Ist es auch nicht. Natürlich hätten sich die Kollegen hinsetzen, den Fall durcharbeiten, das Urteil schreiben und implizit vorgeben können, dieses Durcharbeiten wäre schon vorher mit dem Vorsitzenden passiert und sie hätten nur mehr aufgeschrieben, was vorher ausführlich besprochen wurde. Das wäre aber dann aufgeflogen, wenn doch noch eine Urteilsentwurf in der Akte aufgetaucht wäre, der vielleicht nicht zum Urteil gepasst hätte.

    Dass das so läuft ist natürlich ganz verständlich. Überlastung der Justiz, Sie wissen schon. Pragmatische kollegiale Arbeitsteilung. Ich mach das, Du machst das. Ich unterschreib bei dir und Du bei mir. Nur der Plebs hat leider für pragmatische Rechtsbrüche durch Richter oft kein Verständnis.

    Die Schwierigkeit ist, dass Rechtsprechung wie Rechnen ist. An einer Stelle einen Fehler gemacht und das Ergebnis ist grottenfalsch, auch wenn man den Rest der Rechnung einwandfrei durchgeführt hat. Es ist leider nicht so, dass eine gerichtliche Entscheidung, deren Argumentation zu 99% richtig ist, dann im Ergebnis 99% richtig ist. Physiker nennen das “empfindliche Abhängigkeit von den Anfangsbedingungen”. Es ist offensichtlich, dass so ein System gefährlich ist, weil schon wenn der Richter einen kleinen Teil des Sachverhalts nicht korrekt erfasst hat, er eine kleine Formulierung in den falschen Hals bekommen hat, das dramatische Folgen haben kann. Error singularis facit ius. Da diese Wahrheit des Volk verunsichern könnte, ist es wichtig, die Illusion von Urteilen, die von vielen unabhängigen Richtern in vielen Instanzen immer wieder frisch geprüft werden, aufrecht zu erhalten.

    “So kommt es, dass Entscheidungsbegründungen zu finden sind, die beim ersten Lesen gar nicht so übel klingen, erst beim näheren Hinsehen wird offenbar, dass der Fall nicht zutreffend erfasst wurde.”

    “… Im Zentrum justizpolitischen Denkens steht die schnelle Verfahrenserledigung. Sie wird zum Maß der Dinge und beeinflusst zunehmend die Arbeitsweise der Rechtspfleger, Staatsanwälte und Richter, die schon lange zu Fließbandarbeitern geworden sind. Nur die Erledigung zählt. Auf ihre Qualität und darauf, ob sie endgültig ist, kommt es grundsätzlich nicht an. … Der einfachste Weg, das Problem aus der Welt zu lügen, besteht in der Beschwörung der ‚Charakterfestigkeit‘ des ‚Selbstbewusstseins‘, der ‚Persönlichkeit‘ der Richter, gerade so, als ob Richter andere Menschen als Straßenbahnschaffner, Fabrikanten oder Professoren seien.”

    Elisabeth Dittrich, Vorsitzende Richterin beim OLG Frankfurt am Main

    Ich empfehle dazu den Blog gewaltenteilung.de von Udo Hochschild.

    Noch ein Zitat vom damaligen Regensburger Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl

    “Ein guter Jurist kann alles in jede Richtung schreiben …Sie können Unschuldige hinter Gitter bringen, einen Schuldigen freisprechen.” in DER SPIEGEL 27/2014. Alles auf Anfang

    Jetzt hör ich aber lieber auf, denn was könnte man einer solchen Bankrotterklärung durch die Regensburger Justiz höchstselbst noch hinzufügen?

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drin