Entdecke Veranstaltungen in Regensburg Alle Kultur Oekologie Soziales Kino

Heimatschutz raus, Grundrechte rein

\"Jugend gegen Heimatschutz\" - rund 80 Radler waren dabei. Fotos: Aigner„Die Abgestumpftheit ist es, die wir zu bekämpfen haben. Ihr äußerster Grad ist der Tod.“ Als ein Demonstrant dieses Brecht-Zitat am Samstag auf dem Rathaus-Platz vorliest, schallt aus dem Hofbräuhaus zünftige Blasmusik. Touristen flanieren mit Eis und aufgefaltetem Stadtplan vorbei, manche beäugen die Gruppe von vielleicht 80 – meist jugendlichen – Radfahrern, die vor dem Alten Rathaus steht und applaudiert, einige sind aber auch stehen geblieben, um zuzuhören. „Heimatschutz raus aus der Regierung“ – unter diesem Motto hat der „Jugendaktionsausschuss gegen den Notstand der Republik“ zur Radl-Demo aufgerufen. Zeitgleich finden in 13 anderen Städten Demonstrationen unter diesem Motto statt. Beteiligte in Regensburg: Gewerkschaftler und viele Jugendliche, vor allem aus dem Umfeld der „Falken“. Nach rund zwei Stunden Rundfahrt durch die Innenstadt ist die Kundgebung schließlich auf dem Rathausplatz angekommen, um das – für viele Bürger sperrige Thema – unters Volk zu bringen. In den USA gibt es seit den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 ein Heimatschutz-Ministerium, das vor allem durch die Einschränkung und den Abbau von Bürgerrechten von sich reden gemacht hat – aber das nur am Rande. Heimatschutz in Deutschland – das bedeutet Bundeswehr-Verbindungskommandos in allen Landkreisen, kreisfreien Städten, Bezirken und Bundesländern. Rund 470 sind es insgesamt. 5.500 Reservisten wurden dafür rekrutiert, um in ständigem Kontakt mit der Regierung und zivilen Hilfsorganisationen zu stehen. „Ziel ist die permanente Einbindung des Vertreters der Bundeswehr“, so das Innenministerium. Für die Organisatoren der Demo ist diese flächendeckende Stationierung Zeichen einer zunehmenden Militarisierung der Gesellschaft, bedeutet den Zugriff der Bundeswehr auf sämtliche zivilen Einrichtungen, ist Vorbereitung auf den regelmäßigen Einsatz der Armee im Inneren. Dass die Bundeswehr bereits im Inneren eingesetzt wird – nicht nur zum Sandsäckeschleppen bei Hochwasser – hat am schlagendsten der Bundeswehreinsatz beim G8-Gipfel gezeigt: Tornados, die Demonstranten abfilmten, Soldaten, die Zivilisten befragten. Rund 1.100 Soldaten waren in Heiligendamm vor Ort. Verfassungswidrig. Folgenlos. Mit Hochwasser-Einsätzen sollten die Menschen an den Anblick der Bundeswehr im Inneren gewöhnt werden, so die Rednerin Lisa Lorenz vom „Jugendaktionsausschuss Notstand der Republik“. „Das kann aber auch das Technische Hilfswerk. Dafür braucht es keine Soldaten in Uniform und mit Waffen.“ Ein \"Offizier\" verlas die neue Sicherheitsstrategie von CDU und CSU.„Gemeinsam mit den Reservisten der Bundeswehr stellen die Wehrpflichtigen ein Potential an qualifizierten Soldatinnen und Soldaten, die insbesondere im Heimatschutz wirken können und zudem ihren Kameradinnen und Kameraden im Auslandseinsatz den Rücken freihalten.“ So steht es im Strategiepapier der CDU/CSU vom 6. Mai, aus dem ein junger Mann in Offiziersuniform am Rathausplatz lautstark zitiert (So glaubwürdig, dass einige Passanten beinahe ehrfurchtsvoll stramm stehen.). In Zusammenhang mit der Tatsache, dass es Übungen der Bundeswehr gegen Demonstranten in Arbeiterkleidung gegeben hat, wirken solche Positionen wenig vertrauenerweckend. „Die Bundeswehr soll gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt werden“, resümmiert Lisa Lorenz. Manfred Hellwig: \"Dann muss die Heimat vor der eigenen Bevölkerung geschützt werden.\"In dieselbe Kerbe schlägt auch Manfred Hellwig, Oberpfalz-Vorsitzender der Gewerkschaft verdi. In Zeiten zunehmenden Sozialabbaus und einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich fürchte man die Gefahr sozialer Unruhen, aber auch den politischen Widerstand. „Dann muss die Heimat vor der eigenen Bevölkerung geschützt werden.“ Allein der Name „Heimatschutz“ sei eine Provokation. Für Hellwig sind die Verbindungskommandos der Bundeswehr eine „Missachtung des Grundgesetzes“. Und darin sieht er, ebenso wie Lisa Lorenz ein Zeichen der Zeit: „Grundrechte werden zunehmend eingeschränkt“. Beispiele? Die Unverletzlichkeit der eigenen Wohnung – für Hartz IV-Empfänger, die sich Hausbesuche von ARGE-Beamte gefallen lassen müssen: aufgehoben. Das Recht auf Bewegungsfreiheit – für Asylbewerber ungültig. Der Datenschutz – durch Maßnahmen wie Vorratsdatenspeicherung oder die sogenannte Anti-Terrordatei: zunehmend Makulatur. Die Versammlungsfreiheit – durch die geplante Gesetzesverschärfung in Bayern zur Lachnummer degradiert: demnach könnten etwa zwei Personen, die sich laut unterhalten bereits als Versammlung gewertet werden, selbst nichtöffentliche Versammlungen (z.B. von Vereinen) müssten – bei entsprechender Auslegung – künftig angemeldet werden. Die Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat seien „anzupassen“, schmettert der Offizier ein Zitat aus dem CDU/CSU-Strategiepapier über den Rathausplatz. Auch das scheint in diese Reihe zu passen: Einschränkung von Grundrechten. „Was ist das Ziel all dieser Maßnahmen?“, fragt Hellwig. demo„Die Demokratie ist immer so stark wie ihre Verteidiger“, beschwört Lisa Lorenz die Anwesenden auf dem Rathausplatz. Auch die 68er seinen „keine Müslifresser und Blumenkinder“ gewesen, sondern „Menschen, die sich gegen die (seinerzeit verabschiedeten) Notstandsgesetze zur Wehr gesetzt haben“. Vor allem die Jugend. In der Demonstration sieht sie „einen der ersten kleinen Schritte“. Den „Offizier“ führen die Demonstranten gegen Ende der Kundgebung demonstrativ in Handschellen ab und kündigen an: „Wir machen weiter.“Als die radelnden Demonstranten den Rathausplatz verlassen, hat die Musik im Hofbräuhaus aufgehört.
Print Friendly, PDF & Email

SUPPORT

Ist dir unabhängiger Journalismus etwas wert?

Dann unterstütze unsere Arbeit!
Einmalig oder mit einer regelmäßigen Spende!

Per PayPal:
Per Überweisung oder Dauerauftrag:

 

Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V.
IBAN: DE14 7509 0000 0000 0633 63
BIC: GENODEF1R01

Kommentare (6)

  • niels

    |

    heimatschutz raus?……am besten die feuerwehr auch abschaffen kost ja nur geld…. ich finde es traurig das es sehr viele menschen in deutschland giebt die eine asoziale einstellung haben

  • Berta

    |

    zwischen militär und feuerwehr besteht noch ein unterschied. ich brauche keine soldaten im inneren. schon schlimm genug, dass die in afghanistan krieg führen

  • Sebastian

    |

    “Dafür braucht es keine Soldaten in Uniform und mit Waffen”

    Ich bezweifle doch stark, dass Soldaten im Landesinneren Waffen mit sich führen, wenn ein Sandsackwall aufgebaut wird, da irgendwo mal wieder Hochwasser ist. Ihr habt alle immer leicht zu reden, wieviele THW´ler haben wir denn? Sollte diese Zivile stelle mal am ende sein, weil an zu vielen stellen Wasser aufläuft, wer ist dann als Reserve abgreifbar? Soldatinnen und Soldaten. Oder wollt ihr die restlichen Teile einfach überflutet lassen? Oder gar selbst mit Schaufeln und Sandsäcken dastehen? Ich glaube kaum.
    Aber mal wieder schön zu sehen, der Rückhalt aus der Bevölkerung, wir helfen und werden dafür von der eigenen Bevölkerung unter Kritik genommen.
    Und zum G8 Gipfel: Was ist euch lieber? ein paar Tornados, 1100 Soldaten oder vielleicht ein Selbstmordattentäter der die führenden Menschen aus den jeweiligen Ländern tötet, dabei wahrscheinlich noch ein paar Demonstranten mitreißt? Klar, natürlich die 1100 Soldaten, sind ja sehr viel presänter und deswegen der perfekte Dorn im Auge. Euch würde ich mal gerne hören, sollte wirklich mal was passieren: “Hätte man da nicht mehr Schutz bieten können?”, “Warum war niemand da, der soetwas abwendet?”

    Ja streitet euch drüber… es gibt ja sonst nichts auf unserer Welt das “falsch” läuft..

    “ein junger Mann in Offiziersuniform am Rathausplatz”
    Erstmal gilt zu sagen, dass das keine Offiziersuniform ist, sondern die Heeresuniform.
    Desweiteren sitzt das Barett völlig falsch, die Jacke ist offen, zerknittert. Ja einfach ohne Worte.

  • Tommy

    |

    Hallo Sebastian,

    du hast völlig recht: Die Jacke ist zerknittert und offen.
    Viel schlimmer noch: Die Jacke ist sogar falsch geknüpft.
    Von “sitzen” kann bei diesem Barett schon gar keine Rede sein. Unverschämtheit.

    Ich bin immer wieder sehr froh, festzustellen, dass es noch Staatsbürger wie dich gibt, die sich Gedanken um Kleiderordnung und Dammschutz machen.

    Das ihr “unter Kritik genommen” werdet, ist echt schlimm. Wo ihr doch immer euren Kopf für alle hinhaltet.
    Die paar Tornados werden euch sogar unterstellt… Sauerei, eigentlich. Vor allem wegen den ganzen Selbstmordattentätern, die wo immer alle mit in den Tod reißen.

    Nur weil du presänt bist, wirst du kritisiert. Und das auch noch von Leuten, die wo niemals einen Sandsack schleppen würden, wenn es notwendig wäre.

    Du hast völlig recht: unsere führenden Menschen müssen geschützt werden, weil es ja sonst nichts gibt auf unserer Welt das “falsch” läuft.

    Bussi

  • andras

    |

    sehr gut,
    die linke demonstriert mal wieder. ich bin reservist und ich bin es gerne, da ich damit helfen kann. ich sah beim hochwasser keinen der falken oder der ver.di leute, aber bei einer demo gegen die israelische armee und ihren momentanen einsatz sah und hörte ich ein paar von ihnen wie sie hetzparolen gegen die jüdische bevölkerung skandieren.
    bravo, wirklich sehr gut.

  • andras

    |

    bevor sich wieder jemand aufregt, der letzte satz ist natürlich ironisch gemeint.
    es ist natürlich nicht gut was dort skandiert wurde.

Kommentare sind deaktiviert

drin