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Über 1.000 gegen TTIP und Co.

Am vergangenen Samstag fand ein europaweiter Aktionstag gegen die aktuell verhandelten Freihandelsabkommen CETA, TISA und TTIP, statt. In über 50 Ländern weltweit riefen Organisationen und Bündnisse zu mehr als 700 Aktionen auf. Das Regensburger Stop-TTIP Bündnis konnte mit einem bunten Programm mit Rednern, Musik und einer Demonstration durch die Altstadt über 1.000 Regensburgerinnen und Regensburger mobilisieren.

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„So lange die Bürger nicht im Mittelpunkt stehen lehnen wir TTIP ab.“ Es ist kurz vor 13 Uhr als sich Bürgermeister Jürgen Huber am Neupfarrplatz mit diesen eröffnenden Worten an die ersten paar hundert Demonstranten richtet, die am Samstag gekommen sind. Am Ende werden es über tausend sein, die dem Aufruf des Bündnisses „Stopp TTIP“ gefolgt sind. Weit mehr als erwartet.

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Und auch die Töne werden kritischer. Für Harald Klimenta von attac Regensburg gibt es keine andere Alternative als einen sofortigen Stopp der Verhandlungen und eine strikte Ablehnung des „Freihandelswahns“. Laut Klimenta sind all diese Abkommen einzig darauf ausgelegt, die Profite von Konzernen zu steigern, auf Kosten der Allgemeinheit. Für Irene Salberg von ver.di Regensburg wird mit TTIP unweigerlich massiver Stellenabbau einhergehen. Martin Schulze von der katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) befürchtet als Folge von TTIP „Gentechnik auf den Äckern und Fracking vor der Haustür“. Gerade Chemie- und Saatgutkonzerne wie Monsanto gelten als die treibenden Kräfte hinter TTIP. Gegen den Willen der europäischen Bürger würde gentechnisch verändertes Saatgut so durch die Hintertür doch noch durchgesetzt werden, so Schulze.

Jürgen Huber: „So lange die Bürger nicht im Mittelpunkt stehen lehnen wir TTIP ab.“ Fotos: Karl Bierl

Jürgen Huber: „So lange die Bürger nicht im Mittelpunkt stehen lehnen wir TTIP ab.“ Fotos: Karl Bierl

Begleitet werden die einzelnen Redebeiträge von großem Beifall, Pfeifkonzerten und Sprechchören. „Hopp, hopp, hopp – TTIP stopp!“ ist einer der häufigsten.

Neben Eröffnungsredner Huber melden sich auch einige andere Kommunalpolitiker zu Wort. Linken-Stadtrat Richard Spieß befürchtet, dass Kommunen als Folge von TTIP ihre Ausschreibungen nicht mehr an Sozialstandards koppeln könnten. „TTIP gehört in den Müll“, fordert er. „Über Stadtratsentscheidungen hängt künftig das Damoklesschwert internationaler Klagen“, ergänzt Benedikt Suttner (ödp), der damit unter anderem auf die in CETA bereits enthaltenen und bei TTIP mitverhandelten Schiedsgerichte anspielt. Diese würden es Konzernen, die in anderen Ländern investieren, erlauben, bei veränderten Rahmenbedingungen, wie etwa die Energiewende in Deutschland, und damit verbundenen Gewinneinbußen, diese Länder vor privaten Schiedsgerichten auf Schadensersatz zu verklagen – vorbei an nationalem und internationalem Recht. Für die Kritiker stellt gerade dieser Punkt einen massiven Angriff auf demokratische Entscheidungsprozesse dar.

Harald Klimenta: „Freihandelswahn stoppen.“

Harald Klimenta: „Freihandelswahn stoppen.“

Umfassende Auswirkungen auf die kulturelle Landschaft befürchtet Judith Werner, Kreisvorsitzende der Grünen. Das in TTIP geplante Subventionsverbot könne das Aus für Häuser wie das das Regensburger Stadttheater bedeuten, so Werner. Darüber hinaus werde die Buchpreisbindung fallen und die hiesigen Verlage und Buchläden hätten dem Konkurrenzdruck mit Großkonzernen wie Amazon nichts mehr entgegenzusetzen. Auch Rundfunk und die europäische Filmindustrie sind stark auf Subventionen angewiesen und könnten von TTIP in seiner aktuell prognostizierten Form stark betroffen sein.

Die Intransparenz der Verhandlungen prangert Katharina Graßler von den Piraten an. Ob sie weiß, dass die Verhandlungspapiere seit geraumer Zeit im Internet abrufbar sind? Joseph Stahl von Pax Christi sieht in dem Abkommen nichts anderes als den Versuch des Westens seine Machtposition gegenüber den aufstrebenden Entwicklungs- und Schwellenländern zu behaupten. „TTIP ist nichts anderes als eine Wirtschafts-Nato.“

Höhepunkt des Rahmenprogramms: Hans-Jürgen Buchner alias Haindling am Flügel.

Höhepunkt des Rahmenprogramms: Hans-Jürgen Buchner alias Haindling am Flügel.

Mehr Infos:

CETA – Comprehensive Economic and Trade Agreement: bereits kurz vor Abschluss stehendes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada. In diesem sind die stark umstrittenen Schiedsgerichte zum Investorenschutz (ISDS) enthalten.

TISA – Trade in Services Agreement: geplantes Abkommen zwischen 50 Staaten, darunter USA und EU, zur Liberalisierung von Dienstleistungen, wie Verkehr, Finanzen, Bildung und Gesundheit. Ebenso wie CETA und TTIP wird auch TISA in Form eines völkerrechtlichen Vertrages verhandelt werden und somit nach der Verabschiedung bindend und unwiderruflich für alle Parteien sein.

TTIP – Transatlantic Trade and Investment Partnership: Aktuell verhandeln die USA und die EU über eines der umfangreichsten Freihandelsabkommen. Sollte es zum Abschluss kommen, würde dadurch die weltweit größte Freihandelszone entstehen: 46% des weltweiten BIP; rund ein Drittel des weltweiten Handelsvolumens

Stop TTIP Regensburg: Das Regensburger Bündnis ist ein Zusammenschluss von attac Regensburg, ver.di Regensburg, Die Linke Regensburg, Die Grünen Regensburg, Grüne Jugend Regensburg, Die Grünen Sinzing, Piraten Regensburg, ÖDP Regensburg, BUND Naturschutz Regensburg, Pax Christi Regensburg, Steuerungsgruppe Fair Trade Town, Weltladen una terra, Soziale Initiativen,GEW Regensburg, Transition Town Regensburg, Büfa Regensburg, Jusos Regensburg, KAB Regensburg. Unterstützt wird das Bündnis von Greenpeace Regensburg, Abgefrackt Bündnis Weiden, Slowfood Regensburg

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Kommentare (10)

  • Robert Waldhans

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    Cooles ding. SO demonstriert man.

  • bernd

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    Hallo “Redaktion”, wer ist eigentlich der Autor des Artikels?

    “Die Intransparenz der Verhandlungen prangert Katharina Graßler von den Piraten an. Ob sie weiß, dass die Verhandlungspapiere seit geraumer Zeit im Internet abrufbar sind?”

    Woher kommt das? Meines Wissen veröffentlichen die im Rahmen irgendeiner Transparenzoffensive halt irgendwas, wahrscheinlich Briefköpfe.

    Wikipedia dazu: “Zwar veröffentlicht die EU-Kommission den allgemeinen Stand der Verhandlungen, die konkreten dabei ausgehandelten Vertragsbedingungen sind aber weiterhin geheim; auch EU-Parlamentarier, nationale Regierungen und Parlamentarier der nationalen Parlamente erhalten keinen Einblick in konkrete Textpassagen.”

    Heise dazu: “Selbst die Parlamentarier erhalten etwa bei TTIP nur begrenzten Einblick in den Stand der Verhandlungen mit den USA.”

    Netzpolitik.org im Oktober: https://netzpolitik.org/2014/eu-kommission-startet-ttip-in-transparenzoffensive/

  • Besserwisser a.D.

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    weiss nicht obs Büfa auch gab , aber falls dem nicht so ist : es gab die Küfa ( Küche für Alle ) die auch mit einem Stand , die Demo verköstigt hat..

  • Stefan Aigner

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    @bernd

    Michael Bothner war bei der Demo dabei und hat die Eindrücke von dort geliefert. Ich habe den Artikel überarbeitet und speziell die monierte Passage stammt von mir.

  • Harald Klimenta

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    Hallo, Stefan, das mit der Transparenzoffensive: geht man auf die Webseite der EU-Kom findet man vor allem PR-Text, die dort als “Fact Sheet” bezeichnet werden. Bei den Verhandlungspapieren handelt es sich einerseits um alte und andererseits um einige neue, das mag eine Verbesserung zur Vergangenheit sein, der Wesenskern der Verhandlungen bleibt allerdings dunkel: Die Gesprächsdynamik bei einem Kuhhandel ist prinzipiell uneinschätzbar (in den Verhandlungspapieren steht drinnen, was man gern hätte und nicht, was man zur not zu geben bereit wäre! – nicht mal das EU-Mandat hilft da weiter: Wenn von politikerseite ein Abkommen gewünscht wird, dann wird man z.b. die US-Position bezüglich Datenschutz in irgendeiner Weise “respektieren” werden, obwohl darüber gar nicht verhandelt werden “soll”) … Die Papiere der US-Seite fehlen, immer wieder blitzen deren Forderungen oder weigerungen auf, (z.b. in einem geleakten papier stand, dass sie die ILO-Kernarbeitsnormen nichtmal im Zahnlos-Kapitel “arbeit” stehen haben wollen…) … es ist eben ein elitenprojekt, bei dem immer mehr menschen eingelullt werden müssen, weil immer mehr menschen anfangen, darüber nachzudenken (das “go shopping” verfängt nicht mehr so richtig :-)

  • Franz

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    Wo sind eigentlich die Befürworter von TTIP?

    TTIP schafft Wachstum und Arbeitsplätze, sagen die Fürsprecher von TTIP, Hedgefondsmanager und Lobbyisten der Großkonzerne. Und wenn es um Wachstum und Arbeitsplätze geht, dann hat der aufrechte deutsche Untertan in der marktkonformen Demokratie unser geliebten Kanzlerin “Mutti” Merkel keine unanständigen Fragen zu stellen.

    Soziale Standards, Lohndumping, Genfood, Verbraucherschutz, private Schiedsgerichte, Fracking, Ökologie. Papalapap, Mutti Merkel, die Hedgefondsmanager und Großkonzerne wissen, was “gut” für Deutschland ist. Haben die lieben kleinen Kinderlein in Deutschland das immer noch nicht verstanden?

  • Taxifahrer

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    Und während die Gegner kollektive Angst vor lebenslangem Chlorhühnchen-Essen verbreiten und die Befürworter ein Wirtschaftswunder durch das Abkommen erwarten, liegt die Wahrheit wie immer in der Mitte.

  • Harald Klimenta

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    @Taxifahrer: 1945 war Protektionismus. dann kam Bretton Woods und die GATT-Verhandlungsrunden, die Zölle fielen weltweit, 1995 betrat die WTO das Licht der Welt, regionale Markträume (EU, NAFTA, …) schossen wie Pilze aus dem Boden, jetzt haben wir 2015. Eine vernünftige handelspolitische “Mitte” läge vielleicht bei 1980. Alles darüber hinaus scheint mir immer weniger demokratieverträglich, da nur noch Standortwettbewerb-anheizend und vor allem: nicht mehr vernünftig, da sie die Lebenszufriedenheit der Menschen nicht erhöht – in den OECD-Staaten. Freihandel und Entwicklungspolitik ist nochmal ein anderes Thema (google: “EPA Kritik”)

  • Franz

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    “Taxifahrer” führt in seinem Kommentar an, dass die “Wahrheit wie immer in der Mitte” liegen würde zwischen den Befürwortern und den Kritikern bzw. Gegnern von TTIP.

    Da hat er zweifelsohne recht. Allerdings ist das eine sehr oberflächliche und pauschale Vereinfachung, die keine einzige Frage beantwortet. Es gibt in Deutschland inzwischen auf der einen Seite die sogenannten Leistungsträger, die in einem Jahr zweistellige Millionenbeträge kassieren, und auf der anderen Seite Leute, die Monat für Monat ihr Konto überziehen müssen, um ihre Miete und die Stromrechnung zahlen zu können. Das Durchschnittseinkommen, also die “Mitte”, liegt sicherlich irgendwo dazwischen.

    Die Frage lautet daher, wer profitiert von dieser neoliberal-konservativen Politik, die wie vieles andere in den letzten Jahrzehnten unter dem Deckmäntelchen der “Freiheit” verkauft wird, und wer zahlt dabei drauf. Und diese Frage muss man dann beantworten, wenn man eine seriöse Debatte darüber führen will.

  • A. Kröninger

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    Was ich vermisst habe auf der Demo war etwas Rgb. Politprominenz – an so einem Tag heißt es “Farbe bekennen” – hatte der OB Wolbergs oder andere keine Zeit oder darf/soll man daraus schließen daß sie TTIP etwa befürworten?

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