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Zur Max-Wissner-Ausstellung

Geschichtsklitterung in eigener Sache

Über 100 Werke des Malers Max Wissner zeigt der Kunst- und Gewerbeverein in einer aktuellen Ausstellung. Doch die von Kurator Stefan Reichmann organisierte Schau ist an Gefälligkeit kaum zu überbieten, lässt Lücken offen, verschweigt lange bekannte NS-Belastungen Wissners und ignoriert wichtige Vorarbeiten.

Max Wissner mit Zigarette. Quelle: Ausstellungskatalog Museen Stadt Regensburg 1998

Es gibt keinen Regensburger Künstler, der in den letzten 100 Jahren häufiger mit Ausstellungen bedacht wurde, als Max Wissner. Auch keine Künstlerin. Und: keine bildende Künstlerin, kein Künstler hat wohl mehr sehenswerte, aber stets gefällige Stadtansichten von Regensburg hinterlassen als Max Wissner. Fürwahr ein Ausnahmetalent. Der Name Wissner war in Ausstellungstiteln der Jahre 1936, 1948, 1964 und 1998 – hier sogar zwei Mal – zu lesen. Hinzu kommen die Jahresausstellungen des Kunst- und Gewerbevereins, auf denen Wissners Werke seit 1926 bis zu seinen Tod 1959 fast immer zu bestaunen waren. Aktuell zeigt der Kunst- und Gewerbeverein bis zum 16. Juli über hundert seiner Werke.

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Wahr ist aber auch, dass die Art und Weise wie Wissners Kunst aktuell im Kunst- und Gewerbeverein präsentiert wird, an Gefälligkeit nicht zu überbieten ist. Die seit Jahrzehnten bekannten NS-Belastungen des 1959 verstorbenen Künstlers und des Vereins (hierzu genauer) werden nicht thematisiert. Lücken im Lebenslauf Wissners werden offengelassen. Stattdessen werden im medialen Nachgang Anekdoten im Stil verspäteter Persilscheine dargeboten. Verantwortlich dafür ist Stefan Reichmann, der als Kurator und Verfasser des Katalogs der Ausstellung auftritt.

Der Kurator agiert auch in eigener Sache

Reichmann, Jahrgang 1966, arbeitet als städtischer Berufsschullehrer, gilt als Kenner und bedeutsamer Sammler von Wissners Werken (laut einem WOCHE-Bericht besaß er 1998 schon rund zwanzig Wissner-Bilder von hoher Qualität). Wie ehedem Wissner gehört Reichmann seit Jahrzehnten der Schlaraffia an (einem sich als unpolitisch begreifenden Männerbund, in dem er laut Chronik 2004 das Amt des Ceremonienmeisters ausübt) und hat auch an der um 2004 im Druck erschienen Chronik des Männerclubs mitgearbeitet. Bereits 1998 organisierte er in der Weinschenk-Villa zusammen mit seinem Onkel Rudolf Schwarzenbeck eine Wissner-Schau.

Man kann also, und das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt, zumindest sagen, dass Schlaraffe Reichmann auch in eigener Sache agiert, wenn er im Katalog schreibt: Die von Wissner besuchten Kegelabende „der zwar völlig unpolitischen, aber dennoch verbotenen Schlaraffia und besonders das Heim der Familie Wiedamann“ seien „feste Insel in unruhigen und wenig berechenbaren Gewässern der Diktatur“ gewesen.

Kurator Stefan Reichmann bei der Vernissage zur aktuellen Wissner-Schau. Foto: Werner

Mal abgesehen davon, dass nicht nachvollziehbar ist, wie ein völlig unpolitischer Männerclub oder das Haus der Zinngießerfamilie Wiedamann (das für den NS-Rüstungsbetrieb Messerschmitt kriegswichtig produzierte und von einem Hitlergünstling geführt wurde) Insel in einer Diktatur sein könnten, bleibt es völlig rätselhaft, wie dieser unpolitische Männerbund verboten und zugleich besagte Insel gewesen sein soll.

Auf mehrere Fragen unserer Redaktion zum Thema Schlaraffia reagiert Stefan Reichmann nicht.

Wissner-Expertin übt deutliche Kritik

Zu den auffälligen Lücken, die Reichmann in Wissner Lebenslauf gelassen hat, haben wir die Kunsthistorikerin Uta Spies um Stellungnahme gebeten. Spies, die 1994 zu Wissner eine Magisterarbeit einreichte und 1998 für das Historische Museum den Ausstellungskatalog „Max Wissner … ein Regensburger Maler“ verfasste, übte gegenüber unserer Redaktion deutliche Kritik:

„Im Vorfeld jeder Ausstellung, die einen Künstler präsentiert, der die Zeit des Nationalsozialismus als Erwachsener durchlebt hat, sollte zumindest versucht werden, dessen Wirken in dieser Zeit zu beleuchten. Die Ausstellung und das Buch von Herrn Reichmann tun das leider nicht. Wie man dann die recherchierten Erkenntnisse interpretiert, steht auf einem anderen Blatt.“

Es sei eine Tatsache, so Spies, „dass Werke von Wissner in der NS-Zeit in vielen Ausstellungen zu sehen waren und dass zwischen 1935 und 1944 für die damals im Aufbau befindlichen Museen der Stadt Regensburg mehrere Gemälde Wissners angekauft wurden.“

Unverständlich ist auch, warum Reichmann nicht auf die äußerst umfangreichen Vorarbeiten von Spies zurückgreift, und sie im Katalog noch nicht einmal erwähnt. „Das ist unprofessionell und auch recht traurig, denn Herr Reichmann war ja einer der wichtigsten Initiatoren und Unterstützer meiner Arbeiten zu Max Wissner“, sagt Spies.

Uta Spies lieferte erste wissenschaftliche Arbeit zu Wissner

Tatsächlich muss man den Katalog von Uta Spies als erste und sehr verdienstvolle wissenschaftliche Arbeit zu Wissner würdigen. Für ihre Magisterarbeit, die sie für den Katalog zur Ausstellung 1998 stark erweitert hat, hat Spies rund 400 Werke von Wissner inventarisiert und fotografiert. Dieses Inventar wird im Historischen Museum verwahrt. Reichmann erwähnt dies nicht einmal.

Stattdessen lässt er in einem Interview mit der Mittelbayerischen Zeitung vom 28 Juni ohne nähere Erläuterungen lediglich wissen, dass die Arbeit von Spies „vielleicht nicht mehr ausreichend“ sei. Eine Arbeit wohlgemerkt, auf die Reichmann in keiner Weise zurückgreift und hinter der sein Ausstellungskatalog in vielfacher Hinsicht meilenweit zurückbleibt.

Spies auf Nachfrage dazu gegenüber unserer Redaktion: „Herr Reichmann und andere haben zwischenzeitlich viele zusätzliche Informationen zu Wissner und seinem Umfeld in Erfahrung gebracht. Wer Wissner wirklich kennen lernen will, kann allerdings den Katalog von 1998 nicht ignorieren.“ Warum Reichmann den Katalog verschweigt, ist für die Kunsthistorikerin „völlig unverständlich und letztlich eine vertane Chance“. Und: Fragen unserer Redaktion zu diesem Thema beantwortet er nicht.

Schlaraffen unter sich

Stefan Reichmann ist in der Bearbeitung von Künstlern und Funktionären aus dem Schlaraffia-Umfeld seit vielen Jahren aktiv. Besonders engagiert war er zuletzt im Weißwaschen der NS-Vergangenheit des Museumdirektors Walter Boll (hierzu ausführlich), der dem Männerbund ebenfalls angehörte und Wissner wiederum stets protegierte. Ein Porträt von Boll, das Wissner 1943, als Boll am Höhepunkt seiner Nazikarriere angekommen war, zeichnete, fehlt in der aktuellen Schau.

Max Wissners Gemälde des Obmanns der NS-Kulturgemeinde Walter Boll (1943). Quelle: Museen Stadt Regensburg

Der 1928 als städtischer Konservator nach Regensburg kommende Walter Boll integrierte sich bekanntlich schnell in Regensburg. Er wurde zunächst Mitglied in der Bayerischen Volkspartei und in der Schlaraffia Ratisbona. Im Jahr der Machtübernahme der Nazis trat er der SA bei (1935 der NSDAP), stieg anlässlich der Selbst-Gleichschaltung von 1933 im Historischen Verein und im Kunst- und Gewerbeverein in die Vorstandschaft auf und machte sich als NS-Multifunktionär in der nationalsozialistischen Stadtverwaltung unabkömmlich.

Im Januar 1936 holte der Obmann der NS-Kulturgemeinde Boll die Ausstellung „Entartete Kunst“ nach Regensburg, Max Wissner und sein Freund Jo Lindinger hängten die verfemten Bilder in den Räumen des Kunst- und Gewerbevereins. Kurz darauf durfte Wissner in der Ludwigstraße, quasi als Kontrastprogramm zu den verfemten Bildern, seine eigenen Werke auf der eingangs erwähnten Gruppenschau (Drei Künstler der Bayerischen Ostmark – Maria Lerch, Franz Spann, Max Wisser, im Rahmen der NS-Kulturwoche) zeigen und verkaufen. Für den Nazibürgermeister Hans Herrmann und Walter Boll gehörte beides zusammen. Anlässlich der Eröffnung der Wissner-Schau hetzte Herrmann nochmals gegen die verfemte moderne Kunst („jüdisch-bolschewistische Kulturverhönung“), hob Werke des “markanten Ostmarkkünstlers Max Wissner” als Gegenpol ausdrücklich hervor und lobte den NS-Obmann Boll für seinen Beitrag zur „Wiederaufrichtung einer reinen und echten“ deutschen Volkskultur (hier genauer zum NS-Kultur-Obmann Boll).

Unter Führung des Nazifunktionärs Boll wurden Wissners Werke 1936 auf zwei weiteren Gruppenausstellungen gezeigt und zudem auch auf der Bayreuther Gaukulturwoche, die unter dem Protektorat von Gauleiter Fritz Wächtler stand, zum Verkauf angeboten.

Was hat es mit dem Verbot der Schlaraffia auf sich?

Was hat es mit dem von Reichmann bemühten Verbot der Schlaraffia Ratisbona auf sich? Eine Archivrecherche ergibt ein klares Bild. Als ein nationalsozialistisches Verbot des Männerclubs Schlaraffia sich auch in Regensburg andeutete, beschloss die Vereinsführung Ende 1933 sich selbst aufzulösen und quasi gleichgeschaltet neu zu formieren.

Mit Zinngeschirr des Schlaraffen Eugen Wiedamann geschmückter Reichssaal zum Besuch Hitler im Oktober 1933, Quelle: Museen der Stadt Regensburg.

Für einen Neustart trat der damalige Chef des Regensburger Schlaraffia, der Zinnfabrikant Eugen Wiedamann, mit deutschem Gruß an seinen Schlaraffia-Kameraden, den Konservator Walter Boll heran, um das Vereinsvermögen in der Höhe von 6.000 Reichsmark der Stadt zu stiften. Stiftungszweck war die Förderung des NS-Ostmarkmuseums, das von Boll aufgebaut werden sollte. Die Stiftung war mit dem Wunsch verbunden, „es möchte sich mit neuen Freunden der Kunst ein neuer Kreis bilden zur Pflege und Förderung unseres Heimatmuseums, des Ostmarkmuseums Regensburg…“

Man hoffte also, gewisse Räume im neuen Museum mit eigenem Inventar nutzen zu dürfen. Walter Boll reicht die Bitte am 20.Dezember 1933 ordnungsgemäß an seinen Amtsvorstand, den SS-General Schottenheim weiter. Mit Erfolg. Anfang 1934 bedanke sich Schottenheim bei Eugen Wiedamann bestens, entsprach dem Wunsch der Stifter gerne und lud „den neuen Kreis von Freunden der Kunst“ ins Ostmarkmuseums ein. Wo und wie sich die „neuen Freunde der Kunst“ im Ostmarkmuseum getroffen haben ist nicht überliefert. Die von Stefan Reichmann gelegentlich zur Entlastung angeführten ehemaligen jüdischen Mitglieder der aufgelösten Schlaraffia waren sicher nicht mehr dabei.

Nach dem Krieg schrieb man sich gegenseitig Persilscheine

Aus der Nachkriegszeit sind Persilscheine zur Entnazifizierung von und für Schlaraffen überliefert. So etwa der kuriose des Eugen Wiedamann, der in seiner Eidesstattlichen Erklärung vom 14. Juli 1946 kontrafaktisch angab, dass das SA- und NSDAP-Mitglied Boll „während der ganzen Zeit des verflossenen Systems jederzeit eine klare, ablehnende Haltung gegenüber der NSDAP, ihrer Weltanschauung und ihrer ‚kulturellen‘ Bestrebungen eingenommen“ habe.

Oder der des Schlaraffen Max Wissner für den Juniorchef Richard Wiedamann (dessen Zinnarbeiten der „Führer“ vergoldete). Darin stellt er Richard Wiedamann als einen unpolitischen Künstler dar, der nur ein Zwischenspiel bei der HJ und für Politik keine Zeit gehabt hätte. Wissner reichlich verschroben über den HJ-Funktionär Wiedamann: „Es braucht wohl nicht besonders betont zu werden, dass damit die Abkehr vom Nationalsozialismus schon vollzogen war, bevor er sich ihm nur richtig zugewandt hatte.“

Fehlt in der aktuellen Schau: Max Wissners Hitlerjunge – präsentiert auf der vom Nazi-Propagandaministerium organisierten „Braunen Ostmarkmesse” in den Räumen des Kunst- und Gewerbevereins 1935. Quelle: Historisches Museum Regensburg

Von alledem weiß Reichmanns Ausstellung nichts zu berichten. Stattdessen druckt der Kurator in seinem Katalog zur Einleitung die Rede des ehemaligen HJ-Funktionärs Richard Wiedamann ab, die dieser 1964 zur ersten Gedächtnisausstellung im Kunst- und Gewerbeverein Regensburg vortrug (unter dem Vereinsvorstand Franz Xaver Gerstl), ohne irgendeine Erklärung oder Bemerkung. Walter Boll, der für sich persönlich und für das Ostmarkmuseum Wissners Werke erwarb, zeichnete für die damalige Ausstellung und den Katalog verantwortlich und präsentierte auch sein Porträt aus Wissners Hand.

Fragen unserer Redaktion zu alledem beantwortet Stefan Reichmann nicht.

Vom lustigen „Russenknaben Wladimir“

Zurück zur aktuellen Schau. Kurator Reichmann legt in seinem Katalog immer wieder einen sehr wohlwollenden Schwerpunkt auf die Zinngießer-Familie Wiedamann und auf Treffen mit Wissner in deren Haus. So schreibt er: „In der Brückstraße vermischten sich an den Abenden die Zugehörigkeit zur Schlaraffia, dem Kunst- und Gewerbeverein und dem losen Künstlerzusammenschluss, der ‚Eule‘ …“

„Russenknabe Wladimir“. In Reichmanns Ausstellungskatalog wird das Bild abgebildet, aber nicht verzeichnet. 1964 wurde es in der von Boll kuratierten Ausstellung präsentiert als Leihgabe von Richard Wiedamann und dem Jahr 1942 zugeordnet. Quelle: Museen der Stadt Regensburg.

Was dabei geflissentlich unerwähnt bleibt, ja verdeckt wird, zeigt sich beispielsweise am Ölgemälde mit dem Titel „Russenknabe Wladimir“. Diese Gemälde wird zwar in der aktuellen Schau gezeigt, im Verzeichnis des Katalogs aber nicht aufgeführt (in der Ausstellung von 1964 wurde es präsentiert als Leihgabe von Richard Wiedamann und dem Jahr 1942 zugeordnet). Im aktuellen Katalogtext (2023) zu Wissners Erdenlaufbahn thematisiert Reichmann das Ölgemälde mit nur einem Satz: „Der im Haus Brückstraße lebende 14-jährige ‚Russenknabe‘ Wladimir Pluschewa aus Ribinks wurde von Wissner porträtiert, nachdem ihm dieser fröhliche Junge öfter begegnet war.“

Welches Haus genau gemeint ist, ob der Russenknabe Wladimir 1942 in der Brückstraße vielleicht Ferien machte, ob er sich auch auf die „feste Insel“ bei den Wiedamanns zurückzuziehen durfte? Einfach gar nichts an Details verrät Reichmanns einziger Satz im Katalog.

Zwangsarbeiter im Hause Wiedamann

Eine Archivrecherche unserer Redaktion ergab, dass Wladimir Pluschewa zusammen mit seiner Mutter (Anna) und zwei Schwestern (Nina und Sonja) in der Brückstraße 4 bei Wiedamann als „Ostarbeiter“ gemeldet war (seit 17.12.1942). Die aus der russischem Stadt Ribinsk (Rybinsk?) stammende Familie war dort rund zwei Jahre beim Einwohnermeldeamt gemeldet und musste Zwangsarbeit leisten, was für die davon profitierende Familie Wiedamann ein großes nationalsozialistisches Privileg war.

Meldung der Firma Wiedamann von 1947 an den ITS (International Tracing Service). Wiedamann meldete sechs Zivilpersonen, die im Haushalt und in der Rüstungswerkstätte Zwangsarbeit leisten mussten. Quelle: Arolsen Archives

Arbeiten mussten die Pluschewas im Haushalt der Wiedamanns bzw. in ihren Metallwerkstätten, bis sie 1944 in das Tonwerk Rittsteig bei Passau verlegt wurden. Über das Arbeitsamt Passau bekam der Haushalt bzw. der kriegswichtige Rüstungsbetrieb Wiedamann Ersatz gestellt (Mutter und Tochter Samuschkina).

Das weitere Schicksal der Pluschewas ist bislang nicht geklärt. In den Nachkriegsakten finden sich nur noch Hinweise auf Wladimirs Schwester Nina, die die Zwangsarbeit für den kriegswichtigen NS-Betrieb Wiedamann und andere Betriebe offenbar überlebte. Wann und wo die übrigen Familienmitglieder verstorben und begraben sind, ist derzeit unbekannt. In die schöne bunte Welt eines Max Wissners passt diese Geschichte nicht. Stefan Reichmann wollte sie den kunstsinnigen Besuchern seiner Schau nicht zumuten und Fragen dazu beantwortet er nicht.

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Kommentare (10)

  • Spartacus

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    Das weglassen von NS- Geschichte hat in Regensburg doch Tradition und gehört quasi zur Identität dieser Stadt.

    Vielen Dank Hr. Werner und RD dass ihr den Finger in die Wunde legt und das zumindest nicht unkommentiert lasst.

  • Dieter

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    Vielen Dank für die Recherche und den informativen Artikel.
    Ein weiteres Mosaiksteinchen wider der Kultur des Wegschauens in Regensburg.

  • Andrea Mink

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    Schade, wieder eine Chance für eine korrekte Aufarbeitung vertan. Viel entwickelt sich in der Stadt zum Besseren, – z.B. die Ernennung des Theaters zum Staatstheater -, aber mit dem richtig erwachsen Recherchieren, hapert’s immer noch. Positiv gesagt, was für ein Potential oder das hat alles noch viel Luft nach Oben! Ich freu’ mich auf jede sachliche Verbesserung und Korrektur. Zwar wird es kein kitschiges Bild mehr von Regensburg geben, aber das muß ja nicht sein. Regensburg ist doch auf alle Fälle beeindruckend genug.
    Jetzt noch keine Märchen mehr erzählen und never more Geschichte oder Geschichten klittern, dann trinke ich genüsslich einen Prosecco im gerade ernannten 5 Sterne Hotel Goliath am Dom, einfach so zum Spaß und atme liberale regensburger Grossstadtluft. Endlich.

  • MZ Lesend

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    In dem erwähnten MZ-Interview mit M. Sperb vom 28.6. darf Reichmann recht naiv und ohne Widerrede darlegen, warum Wissner kein Nazi gewesen sei:
    Er sei doch nie der Partei, nur der Reichskulturkammer beigetreten; die Ausstellung „Entartete Kunst“ habe er nur gehängt und nicht kuratiert; er habe vor 1933 mit jüdischen Schlaraffen an einem Tisch gesessen und seine schlampige Arbeitsweise habe in der Reichskammer nicht gefallen.
    Reichmann ganz intim: „Und ich würde erschauern, wenn ich ihn als Nazi kennen lernen müsste.“
    Mit dieser persönlich befangenen und sozialwissenschaftlich wie historisch uninformierten Denkweise kann Hr. Reichmann freilich nur zu eben diesem Ergebnis kommen.

    Interessant finde ich die im Text leider nur kurz erwähnte Einschätzung von NS-Bürgermeister Herrmann, der den “markanten Ostmarkkünstlers Max Wissner” und seinen Beitrag zur „Wiederaufrichtung einer reinen und echten“ deutschen Volkskultur explizit betont und als Gegenpol zur sog. „entarteten Kunst“ sieht.

    Ja, klar die Regensburger Nazis standen ja auch auf die schönen Stadtansichten Wissners, so wie viele kunstsinnige R-Fans.

    Bemerkenswert finde ich auch, dass der Wikipedia-Eintrag zu Wissner offenbar mehr Informationen und Quellen enthält, als das aktuelle wunderschöne Bilderbuch von Reichmann und er erste MZ-Bericht sich deshalb auf WP beruft.

    Offensichtlich stört der Eintrag aber so manchen Wissner-Fan so sehr, dass in der Diskussion gefordert wird, den Unterpunkt WISSNER im NATIONALSOZIALISMUS zu streichen. Das wäre wohl ganz im Sinne der Weißwäscher und Reichmanner.

  • Werner Frank

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    Unter den Abbildungen in diesem Artikel ist das des “Russenknaben” das bemerkenswerte. Im Jahr 1942 malt Wissner also einen Russen als fröhlichen, sympathischen, schönen Menschen, während gleichzeitig deutsche Einheiten in der Sowjetunion brennen und morden und Millionen Kriegsgefangene in deutscher Gefangenschaft sterben, Untermenschen eben, deren Fratze noch nach dem Krieg auf einem CDU-Wahlplakat zu sehen ist. Diesem rassistischen Zerrbild, von der Nazipropaganda in massivster Weise in die Köpfe gehämmert, hat sich Wissner hier nicht gebeugt. Das steht fest, die Gründe müsste man erforschen. Ein privater Widerstandsakt? Man müsste mehr über die Geschichte diese Bildes wissen – für die weitere Geschichte des jungen Menschen , der dort abgebildet ist, kann Wissner nichts. Dass Wissner Nazipropagandist gewesen wäre, ist an seinen Bildern kaum abzulesen, auch am Bild des Hitlerjungen nicht. (Ich kenne bisher nur die Bilder, die in dem Artikel zu finden sind. Boll kommt nicht so gut weg, er wirkt eher wie der nackte Kaiser.) Dass Wissners schöne Stadtansichten Anklang fanden, kann man sich damit erklären, dass sie so scheinbar unpolitisch waren, ein ästhetisches Refugium, für die Nazis ein vermeintliches Beispiel für “echte” deutsche Kunst. Wissner scheint mir der Fall eines Opportunisten gewesen zu sein – einer unter vielen Millionen und fast allen. Das ist nicht weiter aufregend. Aufregen muss man sich darüber, wie mit diesem historischen Erfahrungen in der Nachkriegszeit umgegangen wurde und immer noch wird. Das ist das eigentliche Thema Robert Werners. Womit er sich ganz zu Recht beschäftigt, ist die Weigerung der Nachkriegs(west)deutschen, sich der Tatsache der mehr oder minder widerwilligen oder aber begeisterten Unterwerfung unter das Nazi-System zu stellen, stattdessen zu beschönigen und zu verschweigen und damit die Gefährlichkeit aktueller Entwicklungen nicht zu erkennen.

  • Mr. T.

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    Ja, die Kultur der Aufarbeitung hat in Regensburg noch Luft noch oben. Aber es besteht anscheinend Hoffnung für die Zukunft. An anderer Stelle dieser Publikation habe ich mit Interesse gelesen, dass sich der Presseclub anschickt, das jüngste Kapitel im rechten Regensburg an die Öffentlichkeit zu bringen und dazu seine prominenteste Vertreterin ins Verhör nimmt. Mit dem DrEckl haben sie auf jeden Fall schon den gefürchtesteten Wadlbeißer unter den hiesigen Aufklärern auf sie angesetzt. Ich bin gespannt wie er Roibert Werner Konkurrenz machen wird.

  • Robert Werner

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    @Werner Frank Zu privater Widerstandsakt und kein Nazipropagandist?

    Das Gemälde Russenknabe stammt aus dem Jahr 1942, mir sind dazu nur wenig Details bekannt. Wissner hat es wohl für die Nutznießer der Zwangsarbeit, für die Fam. Wiedamann in der Brückstraße 4 gemalt, wo Wladimir Pluschewa damals auch wohnte und gemeldet war.
    Einen 14jährige Knaben als fröhlichen, sympathischen, schönen Menschen zu malen, obwohl es Nazi-Propaganda gegen Menschen seiner Nationalität gibt, muss kein privater Widerstand gewesen sein. Vermutlich hat Wissner ihn einfach gemocht, oder die Auftraggeber wollten ein Bild von ihm. Soweit bekannt wurde das Gemälde erstmals nach Wissners Tod, 1964 auf der von Boll kuratierten Gedächtnis-Schau öffentlich gezeigt, der damalige Besitzer war der Nutznießer der Zwangsarbeit: Richard Wiedamann.
    Das öffentliche Präsentieren eines Gemäldes eines ehemaligen Zwangsarbeiters war 1964 auch kein Widerstandsakt, eher das Gegenteil.

    Wissners Hitlerjunge hingegen war sicherlich kein Widerstandsakt, er wurde mehrfach auf Naziausstellungen gezeigt und sehr wohl als Nazi-Propaganda verstanden. In der Nazi-Zeitung Bayerische Ostmark hieß es in einer Besprechung:
    „Meisterhaft gelungen ist ihm vor allem das Bildnis des Hitlerjungen. Was in Miene und Haltung alles an jugendhaft-stolzer nordischer Lebensbejahung liegt, läßt sich weder in kurze noch weniger in lange Worte kleiden, mit einem Blick aus diesen lebensblauen Augen springt es einen an.“

  • Werner Frank

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    @Robert Werner
    Vorausschicken möchte ich, dass ich keinerlei Anlass habe, mich für Wissners guten Ruf einzusetzen, dazu ist mir die Person und das Werk überhaupt nicht vertraut. Es geht mir um die Unterschiede. Nach wie vor erkenne ich in dem “Hitlerjungen” keine Nazipropaganda, die sähe anders aus, außer man wertet die Tatsache, dass Wissner das Sujet gewählt hat, als solche. Dass das Naziorgan Bayerische Ostmark das anders sehen würde, war wohl schon damals vorauszusehen; nur ist deren verlogene Interpretation überhaupt nicht maßgebend. Aber Wissner hat sich von den Nazis gebrauchen lassen, er war brauchbar. Das gehört zu seiner Biographie und kann nicht verschwiegen werden. Wie er selbst damit umgegangen ist, das wäre interessant zu wissen.

  • Wolodimir

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    Was is da los, was werd da gspuid? Im ganzen Haus koa Hitlerbuid? – Das dachte ich mir, als ich durch die Max-Wissner-Ausstellung ging. Nun, der Legende nach soll Wissner es abgelehnt haben, ein Hitlerporträt abzuliefern. Aber den Hitlerjungen hat man in der Ausstellung doch schmerzlich vermisst! Wahrlich ein gelungener Scherz seitens der Ausstellungsleitung, stattdessen auf das Bild “Karawane” von 1942 zu verweisen (im großen Saal unten hinten rechts), in dessen rechter vorderer Ecke ein Hitlerjunge zu sehen sein soll – es könnte genauso gut ein Pfadfinder oder ein Zaunpfahl sein!
    Das abwesende Porträt des Hitlerjungen zeigt tatsächlich kein Parteiabzeichen, da hat Stefan Reichmann schon recht. Nur ist es nichtsdestotrotz ein geradezu bilderbuchhaftes Propagandabild. Wer angesichts dieser hellblauen Augen, dieser roten Bäckchen und dieses treudeutschen Blicks etwas anderes behauptet, dem wird unser lb. Führer im Traum erscheinen. Denn der, das steht fest, hätte, wäre er dieses Bildes von einem Hitlerjungen ansichtig geworden, feuchte Augen bekommen. Ach, was sag ich! Nicht nur feuchte Augen!
    Um die Sache abzukürzen: Das Rieseninterview in der MZ vom 29. Juni will den Vorwurf entkräften, Max Wissner sei ein Nazi gewesen. Mir ist niemand bekannt, der solches behauptet hätte. Ein Kampf gegen Windmühlen.
    Nein, Max Wissner war kein Nazi. Er war nur ein begnadeter Opportunist, der sein ganzes Leben lang immer das gemacht hat, was gerade angesagt war. Und 1936 war es eben angesagt, die von den Nazis verfemte Kunst als “entartet” an den Pranger zu stellen, folglich war Wissner zur Stelle, die üble Propaganda-Ausstellung im Kunst- und Gewerbeverein zu hängen. Dass die systematische Hetze gegen die moderne Kunst und ihre Urheber, genauso wie gegen die Insassen der Heil- und Pflegeanstalten (in Regensburg Karthaus) vieltausendfachen Mord nach sich zog – ja mei. Die so überaus glanzvolle Max-Wissner-Ausstellung wird in die Regensburger Lokalgeschichte eingehen als die Ausstellung mit dem nicht gezeigten Hitlerjungen.

  • Such Hiju

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    @Wolodimir, das ist ja unglaublich, dass die Ausstellungsleitung statt dem echten HJ-Bild auf das Bild “Karawane” von 1942 verwiesen haben soll, mit dem Hinweis darauf sei der Hitlerjunge zu sehen!
    Denn eben diese ‚Karawane‘ ziert den Titel von Reichmanns Ausstellungskatalog von 1998, den er zum 125. Geburtstag von Wissner zusammen mit Rudolf Scharzbeck herausgab.

    Laut einem MZ-Artikel von H.E. Wanner (8.7.2023) soll Wissner eben die ‚Karawane‘ 1942 seinem Freund Rudolf Schwarzbeck geschenkt haben, der dann 1945 als Soldat verstorben ist. Wanner weiß auch, dass die ‚Karawane‘ danach an seinen Sohn vererbt wurde, der auch Rudolf heißt, ein früher Wissner-Sammler sei und auch auf der Vernissage der aktuellen Wissner-Schau gewesen sei.
    Meine Freundin hat mir nun erzählt, dass Reichmann auf eben dieser Vernissage gesagt hat, der 1945 verstorbene Rudolf Schwarzbeck (der Freund Wissners) sei sein Großvater gewesen, weshalb er eine gewisse familiäre Verbindung mit Wissner habe.

    Hm, nach Adam Riese ist der noch lebende Rudolf Schwarzbeck, doch dann der Onkel von Reichmann, oder?
    Ich frage mich, warum weder Wanner noch Reichmann die familiären Verbindungen der Wissner-Sammler Reichmann und Schwarzbeck benennen. Echt unglaublich.

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