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Mordprozess Maria Baumer

Christian F. belog die Verlobte und seine Brüder

Nicht nur über seine Vorlieben für Minderjährige belog Christian F. sein Umfeld, auch über sein Scheitern im Medizinstudium. Trotz zahlreicher Bekannter, die zwischenzeitlich vernommen wurden, bleibt das Bild des Angeklagten im Mordprozess um den Tod von Maria Baumer diffus. Er scheint sich stets im Hintergrund gehalten zu haben.

Nach außen einer, den “alle mochten”, tatsächlich ein übergriffiger Sexualstraftäter und Stalker: Christian F. Foto: om

Ein paar Zentimeter kleiner und fünf Jahre älter als Christian F. war der Beamte, mit dem die Kripo Regensburg mögliche Szenarien zum „Verbringen der Leiche“ von Maria Baumer nachstellte. Als die 26jährige Ende Mai 2012 verschwand wog sie etwa 90 Kilo, bei einer Größe von knapp 1,90 Meter. Ihr damaliger Verlobter, der sich nun wegen des Vorwurfs des Mordes vor dem Landgericht Regensburg verteidigen muss, ist deutlich kleiner und wirkt aktuell fast schon etwas schmächtig. In der Vergangenheit hatte es deshalb Spekulationen gegeben, ob Christian F. alleine überhaupt in der Lage gewesen wäre, den leblosen Körper der jungen Frau von der Wohnung im Hochparterre zunächst ins Auto und anschließend in ein Waldstück bei Bernhardswald zu schaffen und zu verscharren. Im September 2013 wurden Maria Baumers sterbliche Überreste dort, im Kreuther Forst, gefunden.

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Es dauerte keine drei Minuten, sie in den Wald zu schleifen

Dass Christian F. es allein und ohne fremde Hilfe schaffen konnte, den Leichnam so verschwinden zu lassen, daran hat Kriminalhauptkommissar Jürgen E., der am Montag im Zeugenstand, sitzt keinen Zweifel. Der 54jährige war dabei, als man das mögliche Szenario nachgestellt und auf Film gebannt hat.

Eine Rettungspuppe der Berufsfeuerwehr, deren Gewicht und Größe der von Maria Baumer entsprach, habe sein Kollegen in „nicht einmal zwei Minuten“ aus der Wohnung in den Kofferraum des Autos geschafft. Ohne größere Probleme. Etwas anstrengender sei es zwar gewesen, diese Puppe später in den Wald zu der späteren Grabstelle zu schleifen. Doch auch dafür habe der Beamte am Ende keine drei Minuten gebraucht. Man dürfe auch nicht vergessen, dass jemand nach so einer Tat große Mengen Adrenalin im Blut habe. „Das setzt zusätzliche Kräfte frei“, so Jürgen E.

Geklaute Medikamente und Lügen

Der Kriminalhauptkommissar hatte verschiedene Ermittlungen zum „Nachtatverhalten“ von Christian F. angestellt. Unter anderem habe sich dabei ergeben, dass das bei ihm sichergestellte Lorazepam (Tavor expidet) „definitiv“ aus Klinikbeständen stammte. Die Anklage geht davon aus, dass der 35jährige sich als Krankenpfleger im Medikamentenschrank des Bezirksklinikums bediente und so den Wirkstoff besorgte, mit dem er seine damalige Verlobte vergiftet haben soll.

Auch ertappte Jürgen E. den Angeklagten mehrfach bei Lügen zu seinem Medizinstudium. In Chatnachrichten und sogar bei einem Fernsehauftritt bei „Aktenzeichen xy ungelöst“ sprach er unter anderem davon, dass er bereits „scheinfrei“ sei oder dass er diese oder jene Klausur „im Sack“ habe. Solche beschönigenden und falschen Schilderungen gab F. nicht nur gegenüber seinen Brüdern, sondern auch seiner Verlobten ab, der sein Erfolg im Medizinstudium wichtig war. Tatsächlich erschien Christian F. zu mehreren Klausurterminen nicht, scheiterte mehrfach deutlich bei Prüfungen und erhielt warnende Schreibe der Studienberatung. Bei ihm sei eine „manifeste Chemieschwäche“ zu konstatieren gewesen, so eine Studiengangskoordinatorin der Universität Regensburg.

Die Anklage geht davon aus, dass das Verschleiern der wahren Gründe für sein Scheitern im Studium mit ein Motiv dafür war, seine Verlobte zu ermorden und die Geschichte von ihrem Verschwinden zu inszenieren (neben dem Wunsch, eine Beziehung mit Valerie S. einzugehen, eine frühere Patientin, die er stalkte und schließlich mit Lorazepam betäubte, um die Nacht bei ihr verbringen zu können).

„Fixiert“ auf die Familie

Mehrere gemeinsame Bekannte des Paares, die als Zeugen vernommen werden, beschreiben den Angeklagten immer wieder mit denselben Adjektiven: freundlich, höflich zurückhaltend. Gesprächssituationen mit Christian F. oder genauere Beschreibungen seines Charakters gibt es quasi nicht – trotz mehrfacher Nachfragen der psychiatrischen Gutachterin, die den Prozess begleitet. Christian F. selbst hat sich einer Begutachtung bislang verweigert.

Auch für die Eltern Maria Baumers, die am Montag vernommen werden, hört man nichts Greifbares über ihn. Man habe ihn offen in der Familie aufgenommen, schildert es die 69jährige Mutter. Christian F. sei auf ihre und seine Familie „fixiert“ gewesen. Davon, dass er engere Freunde gehabt habe, habe sie nichts gewusst.

Am morgigen Dienstag will die psychiatrische Gutachterin ihren Bericht zu Christian F. abgeben. Dessen Rechtsanwalt Michael Euler erklärte zum Ende des Verhandlungstages zudem, dass dann auch die schon länger über die Medien angekündigte Stellungnahme der Verteidigung erfolgen wird.

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Kommentare (3)

  • XYZ

    |

    Der Angeklagte hat sich eine Scheinwelt aufgebaut: Mediziner und Familie, die ging dann in die Brüche – war wohl geprägt von anderen Kindheitsereignissen, die prädominant waren.

  • XYZ

    |

    Auf das psychiatrische Gutachten warte ich, das wurde 2016 wohl als unwesentlich für den damaligen Prozess erachtet: dabei ist es die Kernfrage – Missbrauch ohne Folgen?

  • donut

    |

    Kommentar gelöscht. Bitte bleiben Sie sachlich.

Kommentare sind deaktiviert

drin