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Bayerisches Gesundheitsministerium

Millionenauftrag für Corona-Schnelltests: Einmischung durch die „Hausspitze“

Im Rechtsstreit um einen Millionenauftrag über die Lieferung von Corona-Schnelltests kann das bayerische Gesundheitsministerium vor dem Obersten Landesgericht einen Etappensieg für sich verbuchen. Fragen bleiben trotzdem. Bei der Auswahl der Unternehmen, die für den Auftrag in Frage kamen, hat sich nämlich die „Hausspitze“ des Ministeriums eingemischt.

Klaus Holetschek hat am 8. Januar das Amt als bayerischer Gesundheitsminister übernommen. Bei der Auswahl der Unternehmen, die aufgefordert wurden, Angebote einen Millionenauftrag abzugeben, soll er sich eingemischt haben. Foto: pm

Noch hat Oberste Landesgericht in München kein Urteil gefällt, doch das drängendsten Problem für das bayerische Gesundheitsministerium scheint vom Tisch zu sein: Die Auftragsvergabe über die Lieferung von 5,3 Millionen Laien-Schnelltests durch die Siemens Healthcare GmbH im Februar dieses Jahres ist nun doch nicht unwirksam. Damit dürften auch keine Schadenersatzansprüche in Zusammenhang mit dem Millionenauftrag entstehen. Das hat der Vergabesenat bereits vorab festgehalten. Ob es ungeachtet dessen andere Fehler bei der Auftragsvergabe gegeben hat, wird erst zu erfahren sein, wenn das Gericht am 20. Januar seine Entscheidung verkündet – sofern es nicht doch noch zu einem Vergleich kommt. Einen solchen hat der Senat eindringlich angeregt.

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Wie mehrfach berichtet (hier und hier) hatte die Vergabekammer Südbayern die Auftragsvergabe an die Siemens-Tochter – geschätztes Volumen: 25 Millionen Euro – nach der Beschwerde eines Mitbewerbers regelrecht in der Luft zerrissen. Von Ungleichbehandlung war die Rede, von Verstößen gegen das Transparenzgebot, von Ermessensfehlern und von fehlendem Wettbewerb. Die Vergabe sei „von Anfang an unwirksam“ gewesen, heißt es in dem Beschluss. Ein wesentlicher Kritikpunkt dabei: Die Vergabestelle des Gesundheitsministeriums hatte lediglich drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert.

Senat: Vergabe wirksam, Schadenersatz unwahrscheinlich

Das sieht der Vergabesenat am Obersten Landesgericht, wo das Gesundheitsministerium mit einer Beschwerde gegen den Beschluss vorgegangen war, in wesentlichen Teilen anders. Sowohl das gewählte Verfahren, wie auch die Begrenzung auf lediglich drei Unternehmen seien angesichts der Corona-Situation völlig ausreichend, um den gebotenen Wettbewerb zu garantieren. Die Auftragsvergabe sei also wirksam, ungeachtet anderer vergaberechtlicher Verfehlungen, die es unter Umständen ansonsten gegeben haben könnte.

Dem Mitbewerber, der zunächst gegen die Vergabe vorgegangen war, signalisieren die Richterinnen und Richter, dass er deshalb im Wesentlichen unterliegen werde. Selbst wenn es andere Fehler bei der Vergabe gegeben haben sollte, das schließt der Senat nicht aus, sei die Chance, dass sich daraus in einem späteren Zivilprozess ein Schadenersatzanspruch für den Mitbewerber ergeben könne, „eher fernliegend“.

Wie kam es zur Auswahl der Unternehmen?

Ein Punkt, der in einem Urteil so es denn kommt, moniert werden könnte, ist die Frage, wie es zur Auswahl der drei Unternehmen kam, die Angebote abgeben durften. Ebenso, warum Unternehmen wie das der Beschwerdeführerin, der Löwe Medizintechnk, aber auch die österreichische Technomed dabei nicht in die engere Wahl kamen. Deren Laien-Schnelltests standen damals ebenso wie jene der Siemens Healthcare kurz vor der notwendigen Sonderzulassung durch das BfArm (Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte). Kostenaufstellungen, die unserer Redaktion vorliegen, legen nahe, dass deren Tests auch deutlich günstiger gewesen wären als jene der Siemens Healthcare – um mehr als zwei Euro pro Stück.

Doch während diese beiden Anbieter nicht zur Abgabe eines Angebots aufgefordert wurden, lud das Gesundheitsministerium neben Siemens ein Unternehmen ein, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal eine Sonderzulassung für seine Tests beantragt hatte.

Die Frage, wie es zu dieser Auswahl kommen konnte, beschäftigt das Gericht länger. Die Dokumentation im Ministerium ist lückenhaft. Der Senat kritisiert, dass niemand aus dem Ministerium erschienen sei, der dazu aus erster Hand Auskunft geben könnte. Denn wirkliche Aufklärung können anwesenden Ministerialen, beobachtet von der Leiterin der ministerialen Vergabestelle im Publikum, nicht liefern. Da sei vieles mündlich gelaufen, so der zuständige Referatsleiter.

„Infokanäle, die nicht vertextlicht sind“

Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Schulöffnungen und der damit verbundenen Teststrategie habe man ein Produkt beschaffen sollen, für das es zu diesem Zeitpunkt noch keine Zulassung gab. Da habe es politischen Druck gegeben, man habe nicht erneut – wie am Anfang der ersten Corona-Welle im Fall von Masken und Schutzausrüstung – zu spät dran sein wollen mit der Beschaffung der Laien-Schnelltest und so eine „prognostische Entscheidung“ treffen müssen. Welche Tests erhalten am schnellsten die notwendige Zulassung? Welche Unternehmen sind zur Lieferung der ausreichenden Mengen in der Lage? Und zu welchem Preis?

Zwar habe man im Vorfeld eine Markterkundung zu Schnelltests durchgeführt, bei der auch Löwe angegeben hatte, über solche Tests zur Selbstanwendung zu verfügen und kurz vor der Zulassung zu stehen, doch solche Informationen seien „nur Beifang“ gewesen. Man habe nicht genügend Gelegenheit gehabt, das präziser auszuwerten. Und so habe man auf „Infokanäle“ gesetzt, „die nicht vertextlicht sind“.

Die „Hausspitze“ mischte mit

Konkret habe die „Hausspitze“ des Gesundheitsministeriums diese drei Unternehmen genannt. Und die „Hausspitze“ habe diese Informationen wohl – von den im Gericht anwesenden Ministerialen weiß das niemand aus erster Hand – vom Präsidenten der BfArm im Rahmen einer Telefonkonferenz mit den anderen Gesundheitsministern der Länder erhalten. „Das wurde uns mündlich kolportiert von Autoritäten, deren Aussagen nicht in Zweifel zu ziehen waren“, so der Referatsleiter.

Beschwerdeführer Harald Löwe, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens, hält diese Darstellung zumindest für zweifelhaft. Die Tests seines Unternehmens gehörten zu den ersten, die eine Sonderzulassung erhalten haben. Regelmäßig sei man im Vorfeld mit dem BfArm und dem Paul-Ehrlich-Institut in Kontakt gewesen. Auch Gespräche mit dem Bundesgesundheitsministerium habe es gegeben. „Es war in Fachkreisen allgemein bekannt, dass unsere Zulassung kurz bevor steht.“

Vor diesem Hintergrund könne er sich nicht vorstellen, dass der Präsident des BfArm gegenüber Gesundheitsminister Klaus Holetschek sein Unternehmen nicht benannt habe, dafür aber eines, das noch keine Zulassung beantragt hatte und zudem nur Spucktests im Angebot hatte, die weit weniger sensitiv seien. „Ich fühle mich ungerecht behandelt vom Ministerium“, beklagt der Unternehmer. „Und ich finde es auch nicht richtig, wie hier mit Steuergeldern umgegangen wird.“

Gestritten wird mit harten Bandagen

Das Gericht versucht zu beschwichtigen. Darüber, wie mit Steuergeldern umgegangen worden sei, habe man hier nicht zu befinden, so der Vorsitzende Richter Dr. Hartmut Fischer. Das sei alles „vielleicht nicht so doll gelaufen“, aber aus seiner, Löwes Sicht, sei es möglicherweise sinnvoll, sich hier auf einen Vergleich einzulassen. Da die Vergabe nicht unwirksam sei, werde er hier größtenteils unterliegen. „Was bringt es Ihnen, wenn wir hier feststellen sollten, dass etwas falsch gelaufen ist?“ Wirtschaftlich lohne sich das für Löwe nicht. Und auch nicht im Hinblick auf eine künftige Zusammenarbeit mit dem Ministerium. Abseits davon werde das Gericht dem Ministerium „sicher keinen Persilschein ausstellen“.

Das Verhältnis zwischen Gesundheitsministerium und Löwe scheint tatsächlich arg zerrüttet. Das merkt man auch vor Gericht. Löwe beschwere sich dauernd, gibt ein Ministeriumsvertreter zu Protokoll. Man sei ohnehin mit der Pandemiebekämpfung beschäftigt und dann würden immer wieder die Vergaben torpediert. Immer wieder schwingt der Vorwurf mit, dass das, was Löwe tue unlauter sei. Es sei das gute Recht eines Unternehmers, Vergaben rechtlich überprüfen zu lassen, heißt es dagegen von der Richterbank. „Das muss ein souveränes Ministerium aushalten.“

Gericht dringt auf einen Vergleich

Der Senat dringt auf einen Vergleich. Löwe solle seine Beschwerde zurücknehmen, dafür würden die Kosten gegeneinander aufgehoben. Anderweitige Vorwürfe, die das Gesundheitsministerium in einem Schriftsatz gegen Löwe erhoben hat, die aber nicht näher zur Sprache kommen, solle das Ministerium im Gegenzug zurücknehmen. Das sei sehr dünn und spiele hier ohnehin keine Rolle, so der Senat.

Doch während sich die Vertreter des Gesundheitsministeriums vergleichsbereit zeigen, vorbehaltlich einer Rücksprache mit der Hausspitze, die etwa 14 Tage in Anspruch nehmen werde, lehnt Löwe ab. „Eine solche Einigung kommt nicht in Betracht.“ Offen bleibt die Tür für einen solchen Vergleich trotzdem. Das Gericht gibt ihm eine Woche Zeit, um nochmal darüber nachzudenken. Ansonsten wird es am 20. Januar ein Urteil geben.

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