Seit 2006 gibt es unter dem Dach von pax christi das Projekt Medizinische Hilfe für NS-Opfer auf der Krim. In Zusammenarbeit mit Hana Pfalzova, die das Projekt federführend betreut, veröffentlicht unsere Redaktion in loser Folge Porträts ehemaliger NS-Zwangsarbeiterinnen.
Ljudmila lebte mit ihren Eltern in Simferopol, als der Krieg anfing. Ihr Vater wurde zur Armee einbezogen, Mutter und Ljudmila blieben allein – ohne jegliche Nachrichten von ihm.
Im Sommer 1942, als Ljudmila 15 Jahre alt war, kam ein deutscher Soldat in Begleitung eines ukrainischen Polizisten und forderte Ljudmila auf, ihm zu folgen. Obwohl er seine Aufforderung keineswegs begründete oder erklärte, ahnten Ljudmila und ihre Mutter, was das heißt: Ljudmila soll wie bereits wie Jugendliche aus der Nachbarschaft zur Zwangsarbeit nach Deutschland fahren. Ljudmilas Mutter wollte ihr einziges Kind nicht gehen lassen und flehte den ukrainischen Polizisten verzweifelt an, ihre Tochter zu verschonen, doch sie wurde zusammen geschlagen und Ljudmila musste mit den beiden die Wohnung verlassen. Ein paar Stunden später wartete sie mit hunderten jungen Menschen – ohne Proviant und Gepäck – an einer Sammelstelle auf ihren Abtransport.
Nach einem zweiwöchigen Transport im geschlossenen Güterzug kam sie in ein österreichisches Zwangsarbeiterlager. Man setzte die zierliche und von der Reise sichtlich gezeichnete Ljudmila in einem Schacht ein. Die schwere körperliche Arbeit, fehlendes Tageslicht und unzureichende Verpflegung zerhten an Ljudmilas Kräften. Einmal konnte sie vor Müdigkeit nicht mehr stehen und setzte sich hin, um ein wenig zu rasten. Doch das Kind schlief ein. Ein Aufseher zog Ljudmila an ihren Zöpfen hoch, beschimpfte sie „du russisches Schwein“. Ljudmila wehrte sich instinktiv und trat nach ihm.
Dafür, dass sie angeblich diesen Aufseher angegriffen hätte, wurde sie im Lagergefängnis inhaftiert. Zwei Tage verbrachte sie in einer Einzelzelle. Zwei tschechische Zwangsarbeiter warfen ihr durch ein vergittertes Fenster Brot zu und sagten ihr, sie solle gehängt werden. Sie sah, wie ein Galgen gebaut wurde. Die beiden Zwangsarbeiter verhalfen dem Mädchen zur Flucht. Die Befreiungsaktion war gut vorbereitet. Mit hoher Wahrscheinlichkeit haben sich daran erheblich mehr Gefangene beteiligt. „Sie gaben mir Kleidung, Lebensmittelmarken, Geld und eine Fahrkarte nach Graz. Sie haben mir das Leben gerettet“, erzählt sie unter Tränen.
In Graz kam Ljudmila am Anfang nicht zurecht, irrte durch die Stadt. Sie wurde von einem polnischen Zwangsarbeiter angesprochen, der ihr empfahl, in einem russischen Zwangsarbeiterlager nach Unterstützung zu suchen. Ljudmila fand das Lager und klopfte in der Nacht an eine der Holzbaracken. Sie fragte, ob sich dort jemand von der Krim befände. Man schickte sie in die Nachbarbaracke, wo mehrere Frauen von der Krim inhaftiert waren. Diese versteckten Ljudmila tagsüber in der Baracke, während sie selbst arbeiten mussten. Abends teilten sie ihre spärlichen Suppenrationen mit ihr.
In diesem Lager trat Ljudmila einer Untergrundorganisation bei, doch sie wurde sehr bald – zusammen mit vier jungen Russen – verhaftet. Bei den brutalen Verhören wurden ihr Zähne ausgeschlagen, doch sie gab die Namen ihrer vier Kameraden nicht preis. Mehrere Wochen wurde sie in Einzelhaft gefangen gehalten, bis sie eines Tages auf den Hof hinausgeführt wurde. „Es war im Herbst, die Sonne schien, das vergesse ich nie, dieses Licht nach all den Wochen …“, sagt sie heute. Im Hof wurden mehrere Dutzend Frauen versammelt; sie mussten einer Hinrichtung zuschauen. Fünf junge Männer wurden erschossen. „Darunter Sascha, der jüngste unserer Gruppe.“
Zusammen mit anderen Frauen wurde Ljudmila ins Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt, wo sie im Straßenbaukommando eingesetzt wurde. Sie überlebte das KZ. Darüber sprechen kann sie bis heute nicht.
Im Herbst 1945 kehrte die erst 18jährige Ljudmila zu ihrer Mutter zurück; der Vater hatte den Krieg nicht überlebt. Wegen ihrer „deutschen Vergangenheit“ durfte sie keine Ausbildung anfangen und fand monatelang keine Stelle. Schließlich arbeitete sie als Aushilfe in der Landwirtschaft. Sie lernte Pawel, einen ehemaligen Kriegsgefangenen, kennen. „Er verstand mich, er wusste, was ein KZ ist“, sagt sie heute. Mit Pawlik, wie sie ihn liebevoll nannte, verbrachte sie über 50 gemeinsame Jahre. Aus der Ehe gingen eine Tochter und ein Sohn hervor. Pawel ist im April 2009 gestorben.
Ljudmila Zubowskaja engagiert sich im Verein ehemaliger Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge, doch ihre Gesundheit lässt nach, sie ist immer wieder krank und kommt immer häufiger in die Klinik.
Info: „Medizinische Hilfe für NS-Opfer auf der Krim“Das Projekt Medizinische Hilfe wurde im April 2006 von pax christi Regensburg gestartet. Initiiert wurde es 2003 von der „Arbeitsgemeinschaft für ehemalige ZwangsarbeiterInnen im Evangelischen Bildungswerk e.V.“. Mittlerweile besteht eine enge Zusammenarbeit mit dem Opferverband in Simferopol, über den 180 ehemalige Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge unterstützt werden. 108 Personen sind älter als 75 Jahre. Alle drei Monate erhalten sie Pakete mit haltbaren Lebensmitteln. Seit 2003 wurden 22.000 Euro verteilt, vor allem für Medikamente und medizinische Behandlung. Das Geld stammt zum übergroßen Teil aus Spenden (Spendenkonto: pax christi, Liga Bank Regensburg, BLZ 75090300, Kontonummer 101167464, Betreff: Medizinische Hilfe – Krim).
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