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Politische Realitäten im Studikonvent

witte-martinMartin Witte ist seit diesem Jahr Vorsitzender des studentischen Konvents und war maßgeblich bei der Arbeit an dem Maßnahmenkatalog beteiligt, der auch die Grundlage für die Forderungen der streikenden Studierenden darstellt. In einem Interview nimmt er Stellung zu aufgekommenen Vorwürfen und erklärt, warum er sich von bisherigen Zugeständnissen nicht dazu bringen ließ, seinen Protest zu beenden. Herr Witte, Sie sind Vorsitzender des studentischen Konvents und haben am Sonntag den Maßnahmenkatalog im Plenum vorgestellt. Inwieweit deckt der Maßnahmenkatalog sich mit den Forderungen des Plenums? Inhaltlich deckt sich beides weitgehend. Es geht in meinen Augen nur um Formulierungen. Der Konvent stellt außerdem konkretere Forderungen als das Plenum Am Montag verabschiedete das Plenum die Forderungen nicht, obwohl das im Vorfeld versprochen wurde. Wundert Sie das? Nein, allerdings halte ich es für wichtig, möglichst schnell zu verhandeln. Inhaltlich zu feilen ist schön und gut, ich hatte aber oft den Eindruck, dass es Peanuts waren, wegen derer man sich zerfleischt hat. Im Vorfeld der Abstimmung im Plenum wurde diskutiert, ob der Katalog überhaupt repräsentativ sei. Es wurde bemängelt, dass viele Studenten sich nach anfänglicher Euphorie vom Plenum abgewandt haben. Repräsentiert der Katalog wirklich die Forderungen der Universität Regensburg oder nur den Teil der Studierenden, die gerade genügen Zeit übrig hatten, sich ins Plenum zu setzten? Ich befürchte Letzteres. Deswegen ist es wichtig, den Weg über die offiziellen Instanzen zu gehen. Als studentischer Konvent, der bei den Hochschulwahlen direkt gewählt wurde, haben wir die demokratische Legitimation. Bei den Wahlen haben immerhin knapp 4.000 Studierende ihre Stimme abgegeben.plenum Im Katalog wird unter anderem mehr demokratische Mitbestimmung gefordert. Die Universitätswahlen haben aber gezeigt, dass nur ein sehr kleiner Teil der Studierenden sich wirklich dazu aufraffen kann, seine Freizeit für Politik zu opfern. Um die Wahlbeteiligung zu erhöhen, wurde sogar Eis verschenkt. Glauben Sie nicht, dass es angesichts dieser Tatsache utopisch ist, mehr basisdemokratische Mitbestimmung zu fordern? Basisdemokratische Mitbestimmung funktioniert nicht, wenn die Leute das Gefühl haben, die Abstimmung ändert sowieso nichts. Im Moment werden die studentischen Gremien in vielen Punkten einfach übergangen. Das führt dazu, dass viele Leute einfach nicht mehr zur Hochschulwahl gehen. Sie beklagen die Hochschulpolitik sei zu „ökonomisch“ geworden. Von Befürworten des Bologna-Prozesses wird aber genau das hoch gehalten: kürzere Studienzeit, mehr Flexibilität in der Studienwahl und ein Abschluss, der international vergleichbar ist, würden den Studierenden einen leichteren Einstieg ins Berufsleben ermöglichen. Sind das nicht Vorteile, bei denen Sie sagen: Der Bologna-Prozess hat sich gelohnt? witte-martin1So war der Bologna-Prozess theoretisch geplant. Das mag in Teilen durchaus sinnvoll sein. Aber bei der Umsetzung wollte der Staat vor allem Geld sparen. Das musste zwangsläufig in die Hose gehen. Die Umsetzung zeigt zum Beispiel, dass nur 15 Prozent der Bachelor-Studierenden ins Ausland gehen, während es beim Magister noch 49 Prozent waren. Das ist genau das Gegenteil dessen, was vorgeblich erreicht werden sollte. Ihre Forderungen beinhalten unter anderem mehr Geld für die Mensa oder BAföG. Gleichzeitig sollen die Studiengebühren weg. Wie wollen Sie das ganze Paket eigentlich finanzieren? Wenn Deutschland in Zukunft ein Hochtechnologieland bleiben will, dann braucht es möglichst viele Absolventen. Im Moment sind wir genau auf dem falschen Weg: Es werden immer mehr Bildungsbarrieren aufgebaut. Unsere Forderungen sind nicht überzogen. Am Bruttoinlandsprodukt gemessen, gibt Deutschland viel zu wenig Geld für Bildung aus. Wir fordern nur das, was der ganz normale OECD-Durchschnitt ist. Wenn wir diesen Betrag hätten, dann wird das System auch wieder einwandfrei laufen. Dann erledigen sich auch Themen wie Studienbeiträge. Ihre Forderungen gibt es bereits seit längerer Zeit. Sie wurden bis jetzt immer mit einem Lächeln beiseite geschoben, ohne das daraus Konsequenzen gezogen wurden. Trotzdem bekommen Sie im Moment von allen Seiten Sympathiebekundungen. Fühlen sie sich bestätigt, oder sehen sie dahinter taktisches Kalkül? Forderungskataloge, die nach strengen parlamentarischen Kriterien von Studenten durchdiskutiert und dann vom Landes- oder Bundestag verabschiedet werden sollen: Das klingt doch sehr naiv. Die Politik hat erkannt, dass es in der Öffentlichkeit nicht gut ankommt, wenn man Schüler und Studenten beleidigt und zum Beispiel als „Ewiggestrige“ (wie Bundesbildungsministerin Annette Schavan, Anm. d. Red.) bezeichnet. Ich glaube aber nicht, dass das Gros der Politiker wirklich verstanden hat, dass auch Konsequenzen gezogen werden müssen. Zurzeit scheint es einfach „in“ zu sein, zu sagen „Ich verstehe die Studenten total“ und sich taktisch möglichst fein herauszuhalten. Es gab jetzt von ihnen, als Vorsitzender des studentischen Konvents, und anderen Universitäten den Aufruf, schnell einen Katalog mit Forderungen auszuarbeiten, um die Proteste möglichst schnell auf einen Punkt zu bekommen und nicht ins Leere laufen zu lassen. Teilt die Mehrheit im Plenum und unter den Studierenden diese Meinung? In der Studierendenschaft bin ich mir aufgrund der Rückmeldungen, die ich bekomme sicher, dass sich die Mehrheit damit identifiziert. Viele möchten einfach Verbesserungen sehen. Wenn es im Plenum noch den ein oder anderen gibt, der wochenlang diskutieren möchte, dann muss ich ihm leider sagen, dass das mit den politischen Realitäten relativ wenig zu tun hat. Herr Witte wir danken für dieses Gespräch. Informationen über die Forderungen des Plenums können eingesehen werden auf: http://www.regensburg.mindwuehle.de
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Kommentare (8)

  • Roland Hornung

    |

    Ein sehr gutes Interview.

    Mit den Ansichten und Meinungen und Forderungen von Herrn Witte stimme ich großteils überein und wünsche ihm viel Erfolg.

    Euer Roland Hornung

  • Neuromancerr

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    >>Ein sehr gutes Interview.<<
    Und wie gut. Zeigt es doch deutlich auf wie unorgansiert und "zerstreut" die Studenten sind. Ha! Von wegen wir sind nicht 68! Aber Basisdemokratie üben. Ihr könntet es auch mal mit verschiedenen Räten probieren. Dazu müsste aber natürlich auch mal der ein oder andere ordentliche Vertreter gewählt werden. Da werden über die Stusi besetzte HP Haushaltsgegenstände gesucht von denen manch andere Besetzer nicht wissen warum oder wer überhaupt diese Sachen wofür braucht. HMMM…
    Achso Räte bedeutet im russischen übrigens Sowjet. Leider hat das 1918 nicht geklappt und da wurden mehr Zähne gezeigt. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

  • Besetzer

    |

    Da hat sich der Herr Witte aber mal wieder so geäußert wie man es von ihm kennt: Aalglatt, durchtrieben und wie die Fahne im Wind schwenkend.

    Aber das überrascht mich recht wenig, dass ein Parteigänger, der mit Sicherheit in diesem Protest seine Aufstiegsmöglichkeit sieht, die Formen dieser Besetzung für unzureichend hält. Es sei darauf hingewiesen, dass Zeitnot in der Tat nicht existiert, es sei darauf hingewiesen, dass der Bolognaprozess seit Jahren an die Wand gefahren wird und dass wir als Student_innen* keine Götter sind, die in 14 Tagen eine komplette Reform für ein jahrelanges Misswirtschaften erstellen können.
    Es sei darauf hingewiesen, dass dieses studentische Plenum keine Fürer, Vertreter, Räte oder sonst etwas braucht. Vielleicht ist es deshalb manchmal recht langwierig, aber dieses System ist entgegengesetzt zu Parteigängertum, Lobbyismus und der “Demokratie” wie sie in Deutschland herrscht. Dass damit viele, die unbedingt einen Vertreter rauchen, weil sie selbst nicht für sich einstehen können, unzufrieden damit sind, ist logisch. Dass Anhänger von möglichst schneller, effizienter Arbeit dieses Vorgehen ebenfalls kritisieren – mögen sie es tun.
    Aber – und hier ist der springende Punkt – wir sehen uns als Menschen und nicht als möglichst schnell und effizient arbeitende Wesen ohne Wille und Ideen, wie sie vom Markt oder von denen gefordert werden, die auch für die Entdemokratisierung nicht nur der Bildung sondern auch des ganzen Landes verantwortlich sind.

  • Neuromancerr

    |

    Jaja, die Räte.
    Ein wunderbares System effizienter Basisdemokratie. Das nur so am Rande.
    Was ich nicht verstehe, wieso jetzt die Drogenproblematik mit aufs Tapet kommt:
    >>Dass damit viele, die unbedingt einen Vertreter rauchen, weil sie selbst nicht für sich einstehen können, unzufrieden damit sind, ist logisch.<>keine Fürer<<. Ihr schadet euch damit nur selber. Möglicherweise mehr als mit euren Äußerungen oder gar Handlungen.
    Aber seid gewiss. Die Revolution frisst ihre Kinder! das hat schon Georges Danton 1794 zu spüren bekommen.
    Wird dann aus Bologna ein "Prozess"?

  • Hannes Wagner

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    Unverständlich!
    Ein Wort, dass auf dieses Interview einzig und allein zutrifft.

    Der Herr Witte, Parteisoldat durch und durch, hat hier wohl Angst, dass der Zug ohne ihn und die Herren/Damen Jusos abfährt – da mal lieber einen eigenen Forderungskatalog und sich separieren!

    Warum sich StudentInnen gegenseitig an den Karren fahren, anstatt ihn gemeinsam aus dem Dreck zu ziehen, erschließt sich mir auch nicht so ganz. Solidarität scheint mir hier ein zu inflationär gebrauchtes Wort zu sein, hinter dem nichts als Eigennutzen und Größenwahn zu stehen scheint.

    Nur mal so an die NichtstudentInnen: Der Konvent ist und war an der Uni Regensburg ein ganz kleines Licht. Die Herren und Damen, die dieses Gremium “bereichern” , nehmen sich und ihre “Führerpositionen” doch etwas zu ernst. Der RCDS bewies dies jahrelang, nun folgt ihm die Juso-schaft….

    Es bleibt dabei (leider allzu oft): Wer hat uns verraten? Sozialdemkraten!

    Adieu…

  • Fabian Meissner

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    Bin mir grad mal wieder nicht sicher, ob ich lachen oder weinen soll, angesichts der letzten beiden Kommentare…ich glaube ich einige mich mit mir selber auf ein müdes Lächeln!
    Überreaktion! Das wäre meine Wort, dass auf diese Kommentare einzig und alleine zutrifft… Schade auch, dass sich manch einer hier aus der Gemütlichkeit der Anonymität hier äußert.

    Was ich allerdings wirklich ärgerlich finde, ist dass leider von Seiten einiger Besetzer (und zu diesen zähle ich mich auch – noch) oder soll ich sagen SDSler nicht sonderlich viel der gerade geforderterten Solidarität zu spüren ist. Die gewählten Studierendenvertreter haben unseren Forderungskatalog im Plenum vorgestellt – und wer erinnert sich daran? – weder Kritik noch Nachfragen geerntet…
    Die Forderungen waren und sind doch sehr, sehr ähnlich und ich für meinen Teil finde es gut, wenn auf allen Ebenen versucht wird Druck zu machen und – ja- auch zu verhandeln!

    Aber sorry, ich höre lieber auf – bin ja doch auch nur ein größenwahnsinniger, an sich selbst denkender, karrieregeiler Parteisoldat… :-) Ha!

    Fabian

  • Hannes Wagner

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    Lieber Fabian!

    Leider verstehst du die Aussage meines Kommentars absolut gar nicht. Eine Doppelstruktur ist im Falle der Besetzung und der Einigkeit und Gemeinsamkeit der aufgestellten Forderungen, ggü. Hr. Strothotte und Hr. Heubisch, komplette Selbstdemontage.

    Gute Nacht!

  • Fabian

    |

    Lieber Hannes,

    freilich verstehe ich deinen kommentar. Die Diskussion um Doppelstrukturen kann man sicher führen – auch wenn man zu anderen Einschätzungen kommen mag.
    Nur sollte man seine Argumente ohne die von dir angeführte Polemik und und Wortwahl anstrengen und vllt sogar mit den Leuten die du ansprichst direkt reden. Nochmal: Die eine Seite der “doppelstruktur” hat ja Kontakt gesucht…

    LG, Fabian

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