29 Mrz2011
Stadt der Wissenschaft: Keine Chance Regensburg!
„Man kann auch mal verlieren. Aber wir haben eine tolle Bewerbung abgeliefert.“ Oberbürgermeister Hans Schaidinger ist leicht geknickt.
Regensburg hat ihn nämlich nicht geholt – den Titel „Stadt der Wissenschaft“!
Satte 250.000 Euro wären das gewesen. Ganz abgesehen vom Renommée, das so ein Preis mit sich gebracht hätte. Aber jetzt geht beides nach Lübeck. Für irgendeine besondere Leistung oder Eigenschaft, die angeblich mit Wissenschaft zu tun haben soll. Wofür genau, das weiß man nicht.
Aber vermutlich hat Lübeck-Werbeträger Günther Grass einfach schöner in die Kameras gelächelt als Oberbürgermeister Hans Schaidinger, Unirektor Thomas Strothotte oder IHK-Präsident Peter Esser, um nur einige „unserer“ wissenschaftsträchtigen Sympathieträger zu nennen.
Bitter! So eine Viertelmillion hätte man auch im stetig vor sich hin boomenden Regensburg brauchen können.
Wenn man alle Unkosten abgezogen hätte – den Aufwand für die Bewerbung oder die geplante Stelle eines nicht näher definierten „Wirtschafts-/Wissenschaftskoordinators“ (75.000 Euro pro Jahr) – wäre unterm Strich sicher noch ein schicker Fünfsteller übrig geblieben.
Und auch der imageschädigende Image-Film (siehe unten), der das wissenschaftliche Potential Regensburgs fürwahr beeindruckend wiedergibt („Wow! Dann gibt es ja in Regensburg ganz viele Forscher!“), wäre im Erfolgsfall sicher schnell vergessen oder als Selbstironie zu verkaufen gewesen.
Und jetzt blenden wir Werbung und Lokalpatriotismus mal kurz aus.
Regensburg kann wirklich froh sein, von dieser „Auszeichnung“ verschont geblieben zu sein. Ohnehin hatten sich nur noch Lübeck und Halle um diesen angeblich so wichtigen und angeblich so heiß begehrten Titel beworben, dessen Name an sich schon eine Lüge ist.
Mit „Wissenschaft“ hat die Auszeichnung „Stadt der Wissenschaft“ nämlich ebenso wenig zu tun wie der auslobende „Stifterverband der deutschen Wissenschaft“. In diesem Lobbyverband der deutschen Wirtschaft sitzen so moralisch-wissenschaftliche Größen wie Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann oder E.ON-Vorstand Johannes Teyssen.
Irgendwie drehen sich sämtliche Wettbewerbe und Auslobungen, Zielsetzungen und Thesenpapiere dieses „Stifterverbandes“ um mehr Effizienz und mehr Berufspraxis oder laufen unter dem wohlklingenden Label „Hochschule für alle“ darauf hinaus, Unis zu Fortbildungsanstalten für alle, die es sich leisten können, umzugestalten.
Das ist natürlich nicht verboten. Die Hochschulen können das Geld auch sicher gut gebrauchen, nachdem der Staat seine Investitionen in Bildung – entgegen anderslautender Bekundungen – immer weiter zurückfährt, aber: Wissen sollte man schon, wer da wem welche Preise verleiht und mit welcher Zielsetzung.
Kritisch angemerkt haben das im Stadtrat nur die Linken, aber die sind – das weiß man bzw. CSU-Fraktionschef Christian Schlegl ja – voll von „überbordendem Sozialneid mit Hass auf die Wirtschaft“.
Zum Glück sind aber nicht alle so!
Im Stadtrat der knapp gescheiterten „Stadt der Wissenschaft“ sitzen eben nicht nur Querulanten und es gibt noch genügend Demokraten ohne Sozialneid, die freudig in das allgemeine Hurra-Gebrüll über irgendeinen Titel, irgendein Ranking, ein paar Euros oder zumindest „eine tolle Bewerbung“ mit einstimmen. Da kann man auch mal etwas geknickt sein.
Christof
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Lübeck? Haben die die medizinische Fakultät jetzt eigentlich abgeschafft?
Kernel
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Hallo RD Team, hätte nix verwerfliches gesehen, wenn! Regensburg die 250.000 Euro “genommen” hätte, selbst von einem Lobbyverband der deutschen Wirtschaft.
Das von Studenten oder Schülern gemachte Video ist doch eine nette Idee (naja, der Sprecher ist etwas unglücklich, aber sonst) und die konnten hier mal was ausprobieren.
Nix für ungut, Kernel
peter sturm
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3.(letzter) platz hinter halle.
ein grund für neuwahlen?
Indianer
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O je! Nix Bundesgartenschau, nix Kulturhauptstadt, nix Stadt der Wissenschaft. Wenn die Bewerbungen immer so dilettantisch aussehen wie dieser schleimige Kinderfilm, kein Wunder.
Wer hat das Drehbuch zu diesem Film geschrieben? Da wird keine neue Lichttechnologie erfunden, sondern eine “ganz” neue. Dergleichen pennälerhafte Fehler liesen sich in dem Skript im Duzend finden. Kein Wunder, dass man da Regensburg als Stadt der Wissenschaft nicht berücksichtigen kann.
Und: Wissenschaft ist nicht gleichzusetzen mit Wirtschaft. Vielleicht ging man davon aus, sich als Stadt der Wirtschaft zu bewerben. Denkmalschutz, Archäologie, gesellschaftswissenschaftliche Disziplinen etc, da gäbe es so viel, was man in die Waagschale werfen könnte. Aber MR, Siemens und Cip-Soft?
Ich gebe offen zu, Schadenfreude zu empfinden! Schlimm, ich weiß, aber diese unerträgliche Provinz-Hybris unserer Stadtoberen verdient nichts anderes.
victor lustig
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ich kann meinem vorschreiber “indianer” nur zustimmen.
ein ums andere mal beweist die stadtspitze eindrucksvoll ihren beängstigend engen horizont:
kein wort über die geistes- und gesellschaftswissenschaften. kein wort über die vielen anderen gebiete, in denen in regensburg geforscht wird.
es geht nur noch um wirtschaftliche verwertbarkeit und peinliche selbstdarstellung, alles andere interessiert nicht.
es ist zum kotzen.
Immanuel K. Anti
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Ja Kind, wenn Du groß bist, dann kannst Du Dir vielleicht die Studiengebühren leisten, damit es Dir gestattet ist, dich durch ein kommerziell höchst verwertbares Studium zu hecheln.
Solltest Du dann – neben dem Auswendiglernen und Kohleranschaffen – mal Zeit für ein Gespräch mit einem älteren Menschen finden, der sich das teure Pflaster noch leisten kann und nicht im Umland versauert, dann hast Du vielleicht Glück und kriegst erzählt, wie das früher mal war. Damals, als der Fürst einen großen Teil der Altstadt besaß, die grau und verfallen war, was billige Mieten bewirkte und eine Sozialstruktur zur Folge hatte, die man sonst aus Fernsehfilmen kennt. Wann und wie das dann alles, auch möglichst viele städtische Immobilien, an private “Investoren” verkauft wurde, was sich dann genau verändert hat und wo überall es Metzgereien und Bäckereien gab. Und wir erzählen Dir auch, wer Dir das Bildungssystem zerstört hat. Wie das an dem Pädagogiklehrstuhl damals war, warum die Studierenden angefangen haben zu streiken, was aber dann genausowenig bewirkt hat wie zehn Jahre später, weshalb jedenfalls Deine Lehrer so grottenschlechte Pädagogen…
Und das mit dem Schulbürgermeister und dem Gastrecht, das auch, weil das hat auch was mit Wissenschaft und Forschung zu tun.
Und dass der Kepler hier nicht als Forscher gelebt hat, sondern nur hier gestorben ist?
Geschenkt, so wie die höhnischen Kommentare Goethes. Oder falsche Gedenktafeln. Geschenkt. Hauptache gut aussehen.
Lübeck wird "Stadt der Wissenschaft 2012"
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[…] erwägt Kurzarbeit wegen Japan-Krise Emotionen: 83* | 5* In Blogs gefunden: Stadt der Wissenschaft: Keine Chance Regensburg! | Regensburg DigitalMan kann auch mal verlieren. Aber wir haben eine tolle Bewerbung abgeliefert.Aktuelle […]
Lothgaßler
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“Stadt der Wissenschaft”, das wäre zu viel Ehre gewesen, denn die Stadt kann ja noch nicht einmal bis drei zählen.
Eins, zwei, fünf: So zählt die Stadt!
Beispiel aus einer Hochglanzbroschüre der Stadt Regensburg mit dem Titel “Spitze an der Donau: Der Standort für Ihr Unternehmen – Ihre Brücke zum Erfolg”
Seite 3: “Zahlen und Fakten”
…
25 Biergärten
…
19 Parkanlagen
22 Brücken
5 Flüsse
…
Wie die Zahl der Flüsse bestimmt wurde ist mir ein Rätsel, vermutlich genauso wie die Konzentration diverser Schadstoffe ermittelt wird.
Ob die Zahl der Biergärten, Parkanlagen und Brücken richtig ist, das sollte auch überprüft werden.
Der Ichi
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Aha Lothgaßler, dann muss dir also ein völlig anderes Exemplar vorliegen als mir. Anschauen kann man die von dir so verhasste “Hochglanzbroschüre” übrigens hier: http://www.regensburg.de/sixcms/media.php/121/Standortpr%C3%A4sentation_Regensburg_2010_deutsch.pdf
Und da findet man auf deiner Seite 3 gar keine Zahlen. Und deine Aufzählung findet man in der ganzen Broschüre nicht.
Wenn du Fantasieromane schreiben willst, dann mach das an deinem PC im Word oder in deinem eigenen Blog.
peter sturm
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mir ist auch schon ganz schlecht.
ich hab den imagefilm gesehen und hielt ihn erst für eine fälschung von herrn aigner.
aber, er ist echt!
Lothgaßler
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Servus Ichi!
Schöne PDF-Datei, aber leider nicht identisch mit der im Bürgerzentrum ausliegenden Hochglanzbröschüre.
Ich such das gute Stück auch nicht im Internet, aber ich schicke der regensburg-digital Redaktion einen Scan (zumindest der besagten Seite 3), mit der Bitte diese hier zu verlinken. Danke!!!
Ansonsten Ichi, glaub ich fast, Du hast die Broschüre verbockt!
Ich hasse die Broschüre nicht, das arme Ding tut mir wirklich leid ;-))
Weniger Mitleid habe ich mit den Herrschaften, die für sündhaft teures Geld diese Hochglanz-Werbung texten.
Scheinbar mussten irgendwelche Superlativen her, damit die “Zahlen und Fakten”-Seite nicht so leer daherkommt: 22 Brücken (was wurde da alles mitgezählt?), 5 Flüsse (wahrscheinlich nach 25 Biergartenbesuchen gezählt) und die höchste Gastronomiedichte Deutschlands (als Altstadtbewohner kann ich das bestätigen).
Stefan Aigner
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Hier der eingescannte Auszug aus der Broschüre:
Faktor_k : Jakob Maulwurf-Friedl
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[…] FAktor_K ist eines der
“Siegerprojekte” vom Stifterverband für die
Deutsche Wissenschaft, einem Lobbyverband der deutschen
Wirtschaft, der unter anderem “Stadt der
Wissenschaft” Wettbewerbe” ausrichtet. 2013 hat
das Stadtmarketing mit Faktor_K 50 000€ generiert. 2011 hat es
Regensburg schon einmal erfolglos versucht sich um den Titel
“Stadt der Wissenschaft” zu bewerben: Lübeck
bekam 250 000€ fürs Image der Wirtschaft ..äh Wissenschaft: Siehe
Artikel auf Regensburg-Digital mit witzigem Video vom 29.3.2011:
<klick> […]