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Bruch bleibt auch beim Neujahrsempfang

Kein Neujahrsgruß von der CSU-Spitze

Beim Neujahrsempfang reihen sich namhafte Vertreter der CSU nicht zum Händeschüttel-Defilee ein. Auch die Rede des Oberbürgermeisters gestaltet sich ungewöhnlich.

Rund 450 Gäste kamen laut städtischer Pressestelle in den Historischen Reichssaal. Foto: Staudinger

Rund 450 Gäste kamen laut städtischer Pressestelle in den Historischen Reichssaal. Foto: Staudinger

Klare Kante oder fehlender Anstand? Die Meinungen über das Verhalten der Regensburger CSU-Spitze gingen beim Neujahrsempfang der Stadt Regensburg deutlich auseinander. Beim traditionellen Defilee im Historischen Reichssaal sparten sich der CSU-Fraktionschef Hermann Vanino, JU-Chef Michael Lehner und der Landtagsabgeordnete Franz Rieger das Einreihen und verweigerten dem Oberbürgermeister den Handschlag, verbunden mit entsprechenden Wünschen zum neuen Jahr.

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Tiefer Riss zwischen Stadtspitze und CSU-Fraktion

Defilierte: Alt-OB Hans Schaidinger. Foto: Staudinger

Defilierte: Alt-OB Hans Schaidinger. Foto: Staudinger

Dieses Signal macht deutlich, wie tief der Riss zwischen Stadtspitze und CSU-Fraktion zwischenzeitlich geworden ist. Darüber können auch die Neujahrswünsche der CSU-Bundestagsabgeordneten Astrid Freudenstein, von CSU-Staatssekretär Albert Füracker und Alt-Oberbürgermeister Hans Schaidinger nicht hinwegtäuschen. Mehrere CSU-Stadträte verabschiedeten sich noch vor Wolbergs’ Rede aus dem Historischen Reichssaal, um sich im gegenüberliegenden Hofbräuhaus zu besprechen. Dieses Verhalten beim Neujahrsempfang, wo politische Meinungsverschiedenheiten in der Regel außen vor bleiben, ist ein Novum.

Zuletzt hatten sich Rieger und Oberbürgermeister Joachim Wolbergs bei der Weihnachtssitzung des Stadtrats gegenseitig auf zweifelhaftem Niveau angeblafft. Während Rieger angesichts der Spendenaffäre von einem „administrativen Aleppo“ gesprochen hatte, unterstellte Wolbergs jenem, in „sehr dubiose Grundstücksgeschäfte“ verwickelt zu sei und kündigte im selben Atemzug an, eben jene Geschäfte durch das städtische Liegenschaftsamt aufrollen zu lassen.

Was wurde aus den “dubiosen Geschäften”?

Gehört hat man diesen „dubiosen Geschäften“ seitdem nichts mehr. Eine Anfrage unserer Redaktion zum Stand der von ihm beauftragten „Ermittlungen“ des Liegenschaftsamtes ließ der Oberbürgermeister bislang unbeantwortet. Rieger erklärte am Rande des Neujahrsempfangs, dass es dabei um einen Grundstückstausch gegangen sei, dessen Rechtmäßigkeit ihm die Regensburger Stadtverwaltung sogar schriftlich bestätigt habe. Er selbst habe seit jener denkwürdigen Auseinandersetzung im Stadtrat nichts mehr von Wolbergs gehört, so Rieger, und er erwarte das auch nicht mehr.

Defilierte: Wolfgang Herzog vom Immobilien Zentrum Regensburg. Foto: Staudinger

Defilierte: Wolfgang Herzog vom Immobilien Zentrum Regensburg. Foto: Staudinger

Es sieht also ganz danach aus, dass der Oberbürgermeister nach Riegers Verbalausfall unter dem (Ein)druck staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen und politischer Angriffe einem – nach derzeitigem Stand – mit einem nicht haltbarem Vorwurf reagiert hat, bei dem es allen Beteiligten recht ist, wenn der Mantel des Schweigens darüber gebettet wird.

Belegbare und gefühlte Wahrheiten

Defilierte: Wochenblatt-Herausgeber Herbert Zelzer. Foto: Staudinger

Defilierte: Wochenblatt-Herausgeber Herbert Zelzer. Foto: Staudinger

Ein Novum auch Wolbergs’ Rede, die sich – entgegen der bisherigen Gepflogenheiten – nicht mit einem allgemeinen Rück- und Ausblick für die Stadt Regensburg beschäftigt, sondern das 50jährige Bestehen der Universität in den Mittelpunkt rückt. In weiten Bereichen deckt sich diese recht emotionslos vorgetragene Rede mit jener von Uni-Präsident Udo Hebel, der – ebenfalls ein Novum beim Neujahrsempfang – im Anschluss an Wolbergs spricht und dabei die Entstehung der Universität und deren besondere Verbindung zur Stadt Regensburg herausstellt.

Bemerkenswert dabei scheint insbesondere das erste Drittel der Ansprache des Oberbürgermeisters, in dem er sich mit dem Begriff des „Postfaktischen“, mit „Fake News“ und deren Gefahren beschäftigte.

„Inzwischen prallen vielfach zwei Wahrheiten aufeinander“, so der OB. „Die durch Fakten belegbare Wahrheit – und die durch Emotionen bestimmte gefühlte Wahrheit. Immer mehr Menschen, so scheint es, halten ihre gefühlte Wahrheit für wirklich wahr.“

Defilierte: MZ-Chefredakteur Manfred Sauerer. Foto: Staudinger

Defilierte: MZ-Chefredakteur Manfred Sauerer. Foto: Staudinger

Etablierte Medien nimmt Wolbergs zwar ausdrücklich von diesem Vorwurf aus – hier seien Falschmeldungen auf die grundsätzliche Fehlbarkeit auch von Journalisten zurückzuführen und nicht Bestandteil des Geschäftsmodells. Ebenso bezeichnet der OB den Begriff „Lügenpresse“ als „unsäglich“, allerdings muss man doch erwähnen, dass er selbst im letzten halben Jahr und in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Spendenaffäre regelmäßig scharfe Medienschelte geübt hat. Und dass gerade er es war, der (nicht nur) in diesem Zusammenhang mit der aktuellen Spendenaffäre, sondern schon im Wahlkampf weniger mit Fakten argumentiert hat als mit dem bewussten Wecken und Ausspielen von Emotionen.

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Kommentare (9)

  • eduard fuchs

    |

    Dafür war der Vater des Herrn Michael Lehner in herzlicher Pose mit seinem OB zu sehen. Man weiß ja nicht . Cui bono

  • gustl

    |

    buzzfeed und regensburg-digital

  • Rentnerin

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    Herr Wolbergs zeigt bei dieser Neidkultur eine bewundernswerte Grösse.
    Gut dass wir ihn haben.
    Ich wünsche ihm nur Glück bei seiner weiteren Arbeit als unser Oberbürgermeister.

  • eduard fuchs

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    Das fotographische Verhalten des Herrn Vanino in der ersten (!!) Reihe zum OB ist geradezu widerlich. Dem Bericht zufolge ging er nicht zum EINGUTESNEUESJAHRGRATULIEREN, benötigt aber wahrscheinlich die Aura des Herrn Wolbergs für sich. Früher wurde das Gezerre um die erste Reihe bei dem Empfang immer von Frau Anke gewonnen, die diesmal abseits Platz nehmen durfte.
    Der Dramturg nennt dies “Großes Kino”; nein es war nicht groß—-es war kleinbürgerlich.

  • Brezensalzer

    |

    ja boaaah !

    etz hamm´sis eamm oba zoagt !. da lexd di nieda !

    need zum Hend´schittln affeganga , mei… pfundig !

    kimmts Buaam – etz gemma ribaa zur Renate . lass ma uns a Hoiba kumma, de hamma uns vadient , bei so fui Zivuikurasch !

  • rudy

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    Die CSU trifft sich traditionell nach dem Neujahrsempfang im HB. 1996 hielt im HB der OB-Bewerber der CSU im Kreise seiner Getreuen in der Stadtverwaltung, in der CSU und Einzelner aus der SPD Hof, während die OB ihre Rede hielt. Selbst die damalige Pressesprecherin war im Hinblick auf die erwartete Änderung in der Stadtführung im HB statt im Reichssaal. Bei den Neujahrsempfängen des CSU-OB sollen auch nicht alle das Ende der Rede abgwartet haben, sondern nach einem kurzen Intermezzo sofort ins HB gestrebt sein und dort mit dem Verleger der Stadtzeitung, der nicht zum Neujahrsempfang geladen war, a Holbe oder mehr drunga ham. Also keine Aufregung, der Sachverhalt ist nicht neu, er hat sich nur wiederholt.

  • Mathilde Vietze

    |

    Zu “Rentnerin” Vielen Dank für Ihren fairen Kommentar!
    Zu “Brezensalzer” – Seit wann ist den Unhöflichkeit Zivilcourage?

  • Die Korruptionsaffäre im Jahr 2017 » Regensburg Digital

    |

    […] Drei Tage vor der Verhaftung von Joachim Wolbergs lädt die Stadt zum traditionellen Neujahrsempfang. Dabei wird der Riss zwischen CSU und Stadtspitze überdeutlich: Namhafte CSU-Vertreter reihen sich nicht in das Händeschüttel-Defilee. Wolbergs spricht in seiner Rede über Fake News, gefühlte und tatsächliche Wahrheiten – eine überdeutliche Anspielung auf die Berichterstattung zur Korruptionsaffäre. Diese Medienschelte wird Wolbergs in den kommenden Monaten immer häufiger und deutlicher anbringen. […]

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