03 Juni200917:33
Nicht nur Menschenrechtsorganisationen sind sich einig: Die Situation für Flüchtlinge ist in Griechenland menschenunwürdig, bedeutet meist Obdachlosigkeit, Schutz- und Rechtlosigkeit. 20.000 Asylanträge wurden im vergangenen Jahr in Griechenland gestellt; nur 0,02 Prozent der Bewerber wurden in der ersten Instanz als Flüchtlinge anerkannt. Fälle wie der von Reza – Haft und Misshandlung – sind zu hunderten dokumentiert, unter anderem von der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl.
Vertreter des griechischen Flüchtlingsrats gehen davon aus, dass für 23.000 Menschen etwa 900 Unterkunftsplätze zur Verfügung stehen. Es besteht nur ein eingeschränkter Zugang zu Asylverfahren, meist ohne Dolmetscher. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat die übrigen europäischen Staaten bereits im April 2008 und nochmals im Dezember aufgefordert, Abschiebungen nach Griechenland auszusetzen. Der Menschenrechtskommissar des Europarats Thomas Hammarberg hat Anfang des Jahres auf die schweren Mängel bei der Behandlung von Flüchtlingen hingewiesen. Das Grundrecht auf Asyl sein infrage gestellt, so seine Bewertung. Das Schweizer Bundesamt für Migration hat zeitgleich auf systematische Hindernisse beim Stellen eines Asylantrags in Griechenland hingewiesen.
Zu einem Umdenken bei den deutschen Behörden hat das bislang nicht geführt. Im Gegenteil. Als Reaktion auf ein Dossier von Pro Asyl zur Situation in Griechenland reiste im November 2008 eine Delegation des Bundesamts für Migration nach Griechenland, um sich selbst ein Bild von der Situation vor Ort zu machen. Entstanden ist dabei ein Bericht, der die Lage selektiv und beschönigend darstellt. Asylverfahren seien regelgerecht, Dublin II-Rückkehrer seien nicht von Obdachlosigkeit bedroht, heißt es darin unter anderem. In Stellungnahmen des Bundesinnenministeriums an Verwaltungsgerichte wurden zudem einige kritische Details zur Flüchtlingssituation aus dem ausführlichen Dienstreisebericht schlicht weg gelassen. Zwar wurden mehrere Behauptungen in diesem Bericht zwischenzeitlich widerlegt – die Praxis ist aber gleich geblieben: Nach Griechenland wird weiter abgeschoben.
Hat der 29jährige Reza damit keine Chance? Zunächst wird das Bundesamt für Migration darüber entscheiden. Dann möglicherweise das Verwaltungsgericht. In Würzburg ist in diesem Zusammenhang vor rund zwei Wochen eine bemerkenswerte Entscheidung gefallen. Das dortige Verwaltungsgericht hat eine Abschiebung nach Griechenland für rechtswidrig erklärt. Das Gericht „ist zu der Überzeugung gekommen, dass die gegenwärtige Asylpraxis in Griechenland den Mindeststandards in wesentlichen Punkten nicht entspricht“, heißt es in der Urteilsbegründung.