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Archiv für 9. Dezember 2013

Porno-Anwälte machen wieder Schlagzeilen

„Warum entzieht man U+C nicht die Lizenz?“

Die berühmt-berüchtigte Regensburger Abmahnkanzlei Urmann + Collegen („Porno-Pranger“) hat eine neue Geschäftsidee entdeckt. Sie ist ähnlich dubios wie diverse Abmahnwellen in der Vergangenheit. Ein Zivilgericht hatte das Gebahren der Kanzlei kürzlich als „unmoralisch, unseriös und vorsätzlich sittenwidrig“ klassifiziert. Andere Rechtsanwälte sehen durch U+C den Ruf ihres Berufsstandes beschädigt. Die Regensburger Staatsanwaltschaft indes hat daran nichts auszusetzen. 

gerichtSie machen mal wieder Schlagzeilen. Sie verschicken wieder einmal Abmahnungen im Tausenderpack und wieder einmal wirkt dieses Vorgehen höchst dubios. Die Rede ist von der Regensburger Abmahnkanzlei Urmann + Collegen, berühmt geworden durch das Vorhaben, einen „Porno-Pranger“ einzurichten. Gestoppt wurden diese Idee schließlich durch mehrere Gerichte und die Landesdatenschutzbehörde. Die Ankündigung von U+C, dagegen vorzugehen, blieb ein folgenloses Lippenbekenntnis. Die Kanzlei gab klein bei.

„Vorsätzlich sittenwidrig“

In einem Fall bescheinigte im Juli 2013 das Amtsgericht Regensburg U+C und ihrem Mandaten, einem bekannten Internetabzocker, „vorsätzlich sittenwidrig“ gehandelt zu haben. Über die Berufung ist noch nicht entschieden. Neben diesem Zivilverfahren gab es auch strafrechtliche Ermittlungen. Die Erhebung einer Anklage wollte die Regensburger Staatsanwaltschaft laut Auskunft von Oberstaatsanwalt Dr. Wolfhard Meindl vom Ausgang des Zivilverfahrens abhängig machen. Aber irgendwie scheint es nun schneller gegangen zu sein. Doch dazu später.

Die neuste Geschäftsidee von U+C

Derzeit machen die geschäftstüchtigen Anwälte um Thomas Urmann nämlich mit einer neuen Geschäftsidee Schlagzeilen: Sie mahnen mutmaßliche Nutzer der kommerziellen Porno-Seite Redtube.com ab, die sie sich dort angeblich raubkopierte Pornos angesehen haben sollen. „Es handelt sich offensichtlich um eine veritable Abmahnwelle“, schreibt dazu Lawblogger Udo Vetter. „Unser Kanzleipostfach quillt über mit Rückfragen von Betroffenen.“ Verschiedenen Berichten zufolge soll es sich um über 10.000 Fälle handeln, in denen U+C von den Betroffenen rund 250 Euro sowie eine Unterlassungserklärung verlangt.

Diese neue Abmahnwelle ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert. Und das ganz abseits von der Frage, wie U+C eigentlich an die IP-Adressen der angeblichen Redtube-Nutzer gekommen ist.

Kaum Schaden, dafür hohe Gebühren

Das Betrachten von Videos („Streamen“) im Internet gilt nach derzeitiger Rechtsprechung im Gegensatz zum Filesharing nicht als illegale Vervielfältigung. „Ob das eventuelle Zwischenspeichern auf dem Gerät schon eine Vervielfältigung ist, haben die Gerichte bislang nicht geklärt“, schreibt dazu Udo Vetter. Es ist also juristisch höchst umstritten, ob hier ein illegales Verhalten der Betroffenen vorliegt.

Der zweite Punkt sind die Gebühren. Als Schadenssumme werden lediglich 15,50 Euro in Rechnung gestellt. Der Rest der 250 Euro, die in Rechnung gestellt werden, sind Rechtsanwaltsgebühren (169,50 Euro) und Ermittlungskosten (65 Euro).

Und schließlich: Überwiesen werden soll die gesamte Summe an den Rechteinhaber, einer Schweizer Aktiengesellschaft namens „The Archive AG“. Das ist äußerst erstaunlich, wo doch mindestens die Anwaltsgebühren an U+C gezahlt werden müssten.

Wie beim Porno-Pranger: Die Masse macht’s!

Vertretungsberechtigte der Schweizer AG sind übrigens zwei Deutsche. Aber der Firmensitz in der Schweiz macht es für die Betroffenen schwieriger, ihr Geld und entstandene Anwaltskosten zurückzufordern, sollte sich herausstellen, dass die Abmahnungen nicht gerechtfertigt sind. Und bei mehreren tausend Abgemahnten wird der eine oder andere sicher zahlen – aus Scham etwa. Die Masse macht’s – ähnlich wie bei der „Porno-Pranger“-Drohung.

Ist das Ganze ein cleveres Geschäftsmodell in Kooperation von Anwalt und Mandanten. Zuzutrauen wäre es U+C. Das zeigt der eingangs erwähnte Fall.

U+C und der Abzocker

Im vergangenen Juli unterlag U+C in einem Zivilverfahren vor dem Amtsgericht Regensburg. Betrachtet man den Tenor des Urteils deutet einiges darauf hin, dass U+C zusammen mit dem bekannten Internetabzocker Frank Drescher gemeinsame Sache gemacht hatte, um Gebühren im sechsstelligen Bereich zu kassieren.

Drescher hatte eine Handelsgesellschaft gegründet, über die er zwar so gut wie nichts verkaufte, dafür aber recht rasch begann, die Betreiber anderer Online-Shops wegen fehlerhafter AGBs abzumahnen. Binnen nicht einmal zwei Wochen wurden über 1.000 Abmahnungen verschickt und den Betroffenen jeweils 700 Euro in Rechnung gestellt. Ein Beklagter wehrte sich und bekam recht: Drescher habe die Handelsgesellschaft nur „als Fassade gegründet, um ein Wettbewerbsverhältnis zu fingieren und so die Möglichkeit zu schaffen, andere Online-Händler abzumahnen“, so der damals zuständige Richter.

Amtsgericht: „Mit Minimalaufwand auf Kosten anderer Geld machen“

 

Nach Überzeugung des Gerichts deutet einiges darauf hin, dass U+C und Drescher gemeinsame Sache gemacht haben, um „mit einem Minimalaufwand auf Kosten anderer Geld zu machen.“ Rechtsanwalt Urmann hatte, unter Berufung auf die anwaltliche Schweigepflicht, nichts oder zumindest nichts Erhellendes vor Gericht zu sagen gewusst.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Am 18. März findet die Berufungsverhandlung am Landgericht Regensburg statt.

„Es ist schlimm, zu beobachten, wie U+C dem Ruf der gesamten Anwaltschaft schadet“

Der Rechtsanwalt Dr. Walter Felling hatte dieses Verfahren als „Musterprozess“ für zahlreiche Betroffene angestrengt. Zudem hatte er Strafanzeige sowohl gegen Drescher wie auch gegen U+C gestellt.

Felling sieht durch die „Porno-Pranger“-Anwälte den ganzen Berufsstand am Pranger. ,„Es ist schlimm, zu beobachten, wie U+C dem Ruf der gesamten Anwaltschaft schadet“, sagt er uns am Telefon. „Ich kann nicht ernsthaft nachvollziehen, warum man diesen Anwälten nicht die Lizenz entzieht.“

Die Regensburger Staatsanwaltschaft wird es wohl nicht sein. Diese nahm zwar Ermittlungen gegen Drescher und U+C auf und wollte, das bestätigte Oberstaatsanwalt Dr. Wolfhard Meindl gegenüber unserer Redaktion noch Mitte des Jahres, den weiteren Verlauf der Ermittlungen und die eventuelle Eröffnung eines Verfahrens vom Ausgang des Zivilprozesses abhängig machen.

U+C unterliegt vor Gericht. Staatsanwaltschaft stellt Verfahren ein.

Tatsächlich wurde das Strafverfahren „mangels Tatverdacht“ eingestellt. Erstaunlicherweise, das ergibt eine Nachfrage unserer Redaktion, kurz nach der deutlichen Niederlage von U+C vor dem Amtsgericht. Eine Beschwerde dagegen hat die Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg abgelehnt.

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