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Archiv für 21. Dezember 2013

Nach unserem Bericht über ein bedrückendes Telefongespräch mit einer Insassin der Forensik in Taufkirchen – im Hintergrund sind immer wieder laute Schreie einer fixierten Frau zu hören – haben wir mit Verena Klein gesprochen. Die Chefärztin ist seit Juli 2013 Leiterin des Maßregelvollzugs in Taufkirchen.

Die Forensik des Isar-Amper-Klinikums in Taufkirchen. Foto: Bezirk Oberbayern

Die Forensik des Isar-Amper-Klinikums in Taufkirchen. Foto: Bezirk Oberbayern

Insgesamt sind dort 160  psychisch kranke Straftäterinnen untergebracht. Vier von ihnen leiden Klein zufolge an einer „fatalen Kombination“ aus Minderbegabung und schweren Persönlichkeitsstörungen. Zum eigenen Schutz, dem des Personals und der übrigen Frauen müssten speziell diese vier Patientinnen häufiger fixiert werden. Die Schreie im Hintergrund des von uns veröffentlichten Telefonats stammen von einer dieser vier Frauen.

Das Telefon neben dem Isolierzimmer

Verhindern oder unterbinden könne man dies nicht. „Es gibt Patientinnen, die schreien vor, während und nach der Fixierung.“ Das Telefon für Patientinnen hänge direkt vor dem „Kriseninterventionszimmer“, in dem die Frauen fixiert werden, so Klein. Das werde man künftig ändern, „weil es für Angehörige und Menschen, die keine Erfahrungen mit der Forensik haben, tatsächlich schockierend klingen kann“.

Fixierungen: 29 Stunden im Durchschnitt, aber…

Erstaunlich: Erst seit dem Jahr 2013 werden Fixierungen systematisch erfasst.

Auf eine Anfrage des bayerischen Sozialministeriums aber hat Klein die Zahlen ab November 2011 erhoben. Demnach wurden vom 1. November 2011 bis 30. Juni 2013 in der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie Taufkircheninsgesamt 18 Patientinnen im Rahmen von 337 Maßnahmen fixiert. Im Durchschnitt dauerte eine Fixierung 29,12 Stunden (insgesamt 9.813 Stunden).

Diese hohe Zahl sei insbesondere auf eine „massiv fremdaggressive Patientin“ zurückzuführen, die alleine „mehr als 1.418 Stunden oft auch einige Tage am Stück fixiert werden musste“, schreibt Klein. Mehr zu dieser Patientin weiter unten.

83 Fixierungen seien „auf freiwilliger Basis auf eigenen Wunsch zum Selbstschutz der Patientin bei inneren Anspannungszuständen“ erfolgt.

„Bei all diesen Maßnahmen gibt es immer eine Sitzwache“, so Klein. Zwei Mal täglich werde durch den zuständigen Arzt und ein Mal durch den Oberarzt geprüft, ob die Maßnahme beendet werden könne.

Klein räumt ein, dass die Zahlen bis 2011 wohl höher gewesen seien. Das habe sich mit dem Umzug in den Klinikneubau verbessert. „Die aktuellen Zahlen sind rückläufig.“

Warum ist die Zahl der Fixierungen so hoch?

Dass die Zahlen zu Fixierungen in Taufkirchen auf den ersten Blick recht hoch erscheinen, hat Klein zufolge mit dem speziellen Zuschnitt der Frauen-Forensik zu tun. Während männliche Patienten, die für sich und andere gefährlich werden können, in die darauf ausgelegte Forensik nach Straubing verlegt werden können, sind in Taufkirchen sowohl Frauen mit leichten wie auch schweren psychischen Störungen untergebracht. „Wir müssen alle behandeln und zum Schutz der anderen dann auch die aggressiveren Patientinnen häufiger fixieren“, sagt Klein.

Zum anderen habe man sich in Taufkirchen dafür entschieden, die Türen der Insassinnen grundsätzlich unverschlossen zu lassen. „Muss eine Patientin dann doch einmal isoliert und ihre Tür verschlossen werden, gilt das als freiheitsentziehende Zwangsmaßnahme.“

Ilona Haslbauer: Keine Entbindung von der Schweigepflicht

Klein weist darüber hinaus darauf hin, dass „Patientenbefragungen“ das Ergebnis erbracht hätten, dass sich die große Mehrheit der Patientinnen in der Forensik Taufkirchen korrekt und „fair“ behandelt fühlen (Die Ergebnisse der Befragung 2013 hier als PDF). „Und das obwohl keine von ihnen freiwillig, sondern durch Gerichtsbeschluss hier untergebracht ist.“

Die Regensburgerin Ilona Haslbauer, die einem Spiegel-Bericht zufolge 25 Stunden fixiert wurde, zählt nicht zu den vier angesprochenen Frauen. Eine solche Fixierung sei die Ausnahme, so Klein. „Wir wären auch jederzeit bereit, dazu ausführlich Stellung zu nehmen. Allerdings verweigert Frau Haslbauer uns die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht.“ Bislang habe man deshalb nur mit einer Pressemitteilung zu den konkret erhobenen Vorwürfen reagieren können.

„Unterstützerkreis Gustl Mollath“ fordert Aufklärung

Nach Informationen unserer Redaktion handelt es sich bei der oben erwähnten „massiv fremdaggressiven Patientin“ mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine Transsexuelle, die zwischenzeitlich in die Forensik nach Straubing verlegt wurde. Einem Bericht der Nürnberger Nachrichten vom heutigen Samstag zufolge fordert der „Unterstützerkreis Gustl Mollath“ wegen der häufigen Fixierung dieser Patientin in Taufkirchen Aufklärung und spricht von bewussten Schikanen. Einmal sei die Patientin 60 Tage am Stück fixiert worden.

Allerdings zeigt sich an diesem Fall auch ein Dilemma: Wie wir bislang in Erfahrung bringen konnten, soll es von Seiten dieser Patientin mindestens 50 Übergriffe auf Personal und Mitpatientinnen gegeben haben.

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