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Verwaltungsgericht weist mehrere Klagen ab

Corona-Pflegebonus: Politische Versprechen sind nicht entscheidend

Vor dem Verwaltungsgericht sind am Dienstag drei Klagen auf Auszahlung des Corona-Pflegebonus gescheitert. Die Beschäftigten – ein Behindertenbetreuer, eine Krankenschwester und ein Physiotherapeut – bekommen den im April 2020 von der Bayerischen Staatsregierung groß angekündigten Bonus nicht. Dabei gehen Verwaltungspraxis und politischen Verlautbarungen zum Zweck der einmaligen Sonderzahlung auseinander.

Facebook-Post von Ministerpräsident Markus Söder am 20. April 2020 zum Pflegebonus. Doch in der Praxis sind nicht alle damit gemeint.

„Bayern zahlt 500 Euro Pflegebonus an Pflegekräfte in Krankenhäusern, ambulanter Pflege, Alten- und Behinderteneinrichtungen, an Notfallsanitäter und Rettungsassistenten. Damit würdigen wir die enormen Leistungen in der Corona-Krise. Großer Dank!“

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Das verkündete Ministerpräsident Markus Söder am 7. April 2020. Der Bonus wurde damals in einer Sitzung des Ministerrats beschlossen. In der entsprechenden Pressemitteilung heißt es:

„Pflegekräfte in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten und Notfallsanitäter und Rettungsassistenten leisten Enormes bei der Bewältigung der Corona-Pandemie. Sie halten die wichtige Gesundheitsversorgung am Laufen und sind trotz aller Vorkehrungen einem zusätzlichen Infektionsrisiko ausgesetzt. Die Staatsregierung wird ihnen deshalb als Zeichen der Anerkennung für dieses außergewöhnliche Engagement in Bayern eine einmalige Sonderzahlung gewähren.“

Fast 50.000 Anträge abgelehnt

Man wolle diejenigen „an der vordersten Front“ unterstützen, so die damalige bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml. Pflegekräfte im ambulanten und stationären Bereich und in Krankenhäusern müssten ganz nah am Patienten sein und könnten keinen Abstand halten, „deswegen ist es wichtig, dass wir hier Anerkennung geben.“ Wichtig sei auch ein „Signal Richtung Rettungsdienst zu senden“, weil da viel gearbeitet und geleistet werde.

Auch Personal, das in stationären Behinderteneinrichtungen beschäftigt ist und dort „körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung“ arbeitet, wurde ab Mai 2020 begünstigt. Der vom Freistaat gewährte Bonus „soll bisherige überobligatorische Anstrengungen, auf die das Gemeinwesen im Zuge der Corona-Pandemie dringend angewiesen ist, belohnen und zu weiterem entsprechenden Verhalten anspornen.“ So heißt es in den Förderrichtlinien des Bayerischen Gesundheitsministeriums.

Doch wer bekommt diese freiwillige Leistung wirklich und wer geht leer aus? Wo wird bei den Begünstigten die Grenze gezogen? Über 350.000 Anträge wurden bis zum Stichtag am 30. Juni 2020 beim Landesamt für Pflege eingereicht. Fast 50.000 wurden abgelehnt. Einige klagten dagegen. Knapp 900 Verfahren waren bis Ende Oktober 2020 vor der bayerischen Verwaltungsgerichten anhängig.

Kein Bonus für „erhöhten Aufwand im Sowieso-Geschäft“

Was von der Staatsregierung so generös angekündigt wurde, wird vom für die Auszahlung zuständigen Landesamt für Pflege (LfP) und dem Gesundheitsministerium auf eigentümliche Weise interpretiert. Das wird am Dienstag in drei Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Regensburg zum Corona-Pflegebonus deutlich.

Das Gericht wies drei Klagen auf Auszahlung des Bonus ab. Geklagt hatten ein Gruppenleiter im Erziehungsdienst einer Behindertenwerkstätte in Cham, eine Krankenschwester im ambulanten Dialysezentrum in Kelheim, die nach Angaben ihrer Anwältin auch Sonderschichten mit Covid-19-Patienten leistete, und ein Physiotherapeut in einer Passauer Rehaklinik.

In der Verhandlung legten der Vertreter des Gesundheitsministeriums und die Vertreterin des LfP die Verwaltungspraxis des Corona-Pflegebonus dar. So würden gemäß der Förderrichtlinien nur Beschäftigte in vollstationären und nicht in ambulanten oder teilstationären Einrichtungen berücksichtigt. Und eben Rettungsassistenten und Notfallsanitäter.

Der Zweck des Bonus sei nicht die Honorierung eines größeren Einsatzes oder eine Risikozulage. Die Sonderzahlung sei auch keine Entschädigung für „erhöhten Aufwand im Sowieso-Geschäft“. Das entscheidende Kriterium, so der Sitzungsvertreter des Ministeriums, sei die „Substitutionsfunktion“ der Beschäftigten. Das bedeutet konkret: Honoriert wird ausdrücklich der Ersatz menschlicher Kontakte, den Pflegerinnen und Pfleger in der Zeit als Besuchsverbot auf den Stationen herrschte, geleistet haben. So seien die Pflegekräfte (und vergleichbar Tätige) oft die einzigen Kontakte von Alten, Kranken oder Behinderten gewesen. Und das ginge über die eigentliche Arbeit hinaus.

Rettungsdienst wurde politisch „hineinverhandelt“

Von „Substitution“, also der Vermittlung des menschlichen Kontakts war in öffentlichen Verlautbarungen des Ministerpräsidenten und der Ministerin allerdings nie die Rede. Im Gegenteil. Sowohl Söder als auch Huml hatten ausdrücklich einen stärkeren Einsatz der Beschäftigten und ein erhöhtes Infektionsrisiko ins Spiel gebracht, das mit einer einmaligen Sonderzahlung goutiert werden sollte.

Zunächst sollten nur Pflegerinnen und Pfleger den Bonus bekommen, daher auch der Name „Pflegebonus“, heißt es am Dienstag von der Beklagtenseite. Doch der Kreis erweiterte sich. So habe etwa das Innenministerium auch den Rettungsdienst in den Berechtigtenkreis „hineinverhandelt“. Dieser verrichte allerdings offensichtlich auch nicht die vom Ministerium vorm Verwaltungsgericht vorgebrachte „Substitutionsleistung“.

Die drei Klägerinnen und Kläger aus Niederbayern und der Oberpfalz jedenfalls zählen aus Sicht der Ministerialverwaltung nicht zum Kreis der Berechtigten. Und dieser Sichtweise schließt sich das Verwaltungsgericht Regensburg am Dienstag an.

Ministerium prüft Rückforderungen

Zwar berichten die drei Klägerinnen davon, teilweise auch pflegerische Tätigkeiten zu verrichten. In bestimmten Phasen der Pandemie seien sie mitunter die einzigen Ansprechpartner für die Betreuten gewesen oder hätten sehr engen physischen Kontakt mit Patientinnen und Patienten gehabt. Der Beschäftigte aus der Behindertenwerkstätte berichtet zudem, dass Kollegen mit dem gleichen Dienst den Bonus bekommen hätten, er aber nicht.

Ministerium und LfP betonen hingegen, dass es sich um einem „Massenverfahren“ gehandelt habe. Keine fünf Minuten Bearbeitungszeit pro Antrag hatten die Sachbearbeiter. Man wisse, dass einige fehlerhafte Bescheide ergangen sind. Rückforderungen von falsch Begünstigten gebe es bisher nicht, aber man prüfe hier entsprechende Schritte.

Die jeweiligen Begründungen für die Klageabweisungen des Gerichts sind noch nicht öffentlich. Allerdings lässt der Verlauf der mündlichen Verhandlungen darauf schließen, dass die Unterscheidung von stationären Einrichtungen (die begünstigt werden) und ambulanten (die nicht begünstigt werden) eine große Rolle spielt. Ausnahme: ambulante Pflegedienste, die in den Richtlinien des Ministeriums explizit benannt sind. Außerdem gibt es auf die freiwillige Leistung des Freistaats keinen Rechtsanspruch. Die Auszahlung des Corona-Pflegebonus liegt letztlich im Ermessen der Behörde. Ankündigungen der Politik sind dabei offenbar nicht entscheidend.

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Kommentare (22)

  • R.G.

    |

    Drölftes Gebot: Man soll nicht mit gespaltener Zunge sprechen!

    Wenn die Zulagen wegen der Corona-Infektionsgefahr zugesagt waren, dann dürfen sie nicht vorenthalten werden, um statt dessen eine Zulage für menschliche Zuwendung zu erfinden.

    Denken wir logisch. Mit und ohne Corona hat ein guter Teil der Pflegebedürftigen entweder keinen Kontakt mit Angehörigen oder erhält, glaubt man den Klagen, bloß Besuche die ihr Taschengeld abkassieren.
    Das Pflegepersonal ist für sie ohnehin einziger Ansprechpartner (gewesen). Wenn jetzt von der Politik zugegeben wird, dass menschliche Zuwendung im Sinne einer Substitutionsfunktion bisher nicht zum Leistungskatalog gehörte, dann ist das ein schlichtweg ein vertuschter Skandal, es ist das Zugeständnis, welche Lebensumstände man bisher, vor Corona, angeordnet haben will!

    Wie es oben heißt, ” So seien die Pflegekräfte (und vergleichbar Tätige) oft die einzigen Kontakte von Alten, Kranken oder Behinderten gewesen. UND DAS GINGE ÜBER DIE EIGENTLICHE ARBEIT HINAUS!”
    (Großschreibung im Zitat durch mich)

  • auch_ein_regensburger

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    Ein echter Söder eben. Schaumschlägerei ohne jede Substanz.

  • Robert Fischer ÖDP

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    Die Unionsparteien verarschen uns immer nach Strich und Faden und gewinnen trotzdem jede Wahl…

    Bin gespannt, wann ich meine Soforthilfe zurückzahlen muss, um mir das Geld dann von Verwandten leihen zu müssen :-/

  • KW

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    Da kann jetzt der Alleinunterhalter mit Placebo-Landtag wirklich nichts dafür. Frau Huml hat er doch längst rausgeschmissen und durch einen Quotenallgäuer ersetzt.

  • Mr. T.

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    Undankbares Volk! Da wurden sie schon beklatscht und jetzt wollen sie auch noch Geld! Und dann auch noch Politiker beim Wort nehmen …

  • Madame

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    Vielleicht geht der babbelsöder doch nach berlin. Wenn lusche ihn nach berlin einen ministerposten anbietet. Hier in bayern brauchen wir keinen schwätzer. Erst tut er so gross die pflegekräfte werden mit ihrer arbeit unterstützt und dann alles wieder gegenteilig. Die misere und contAkte zu den heimbewohnern hatte vor corona einen tiefen graben. Bravo herr mp.

  • Gscheidhaferl

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    Unwieder stürzt sich die Meute auf den abgenagten Knochen, der ihr zugeworfen wird. Und nimmt gar nicht mehr wahr, wie am festlich gedeckten Tisch, von dem der Knochen stammt, weiter festlich getafelt wird. Das dumme Volk trägt in seiner üblichen Art ganz erheblich zum ‘Amüsement’ seiner Obrigkeit bei.

    Es ist absurd, sich um diesen Pflegebonus zu streiten. Klar, liegen lassen muss man ihn auch nicht. Aber setzen Sie das doch bitte mal ins Verhältnis zueinander!!! Wir reden von einem Arbeitsfeld, dass in den zurückliegenden Jahrzehnten quasi systematisch kaputt gemacht wurde. Und in der Pandemie ging den Verantwortlichen der A**** auf Grundeis. Weil auf einmal wurden diese Parias tatsächlich gebraucht! 1500 Euro vom Bund und 500 vom Land damit diese geringgeschätzte Kaste nicht am Ende noch den Brocken hinwirft. Und dem Stimmvieh bei der Gelegenheit vorgaukeln, es sei etwas getan worden.

    Nicht zuletzt der Streit um die Bezugsberechtigung des Geldes belegt, dass das abgeschmackte Kalkül wohl tatsächlich weitgehend aufgegangen ist. Substanziell hat sich aber nichts verbessert. Der Tropfen auf dem heissen Stein ist längst verdampft. Und nicht wenigen dient der erbärmliche Bonus als Rechtfertigung, sich nicht weiter mit den mitunter verheerenden Zuständen in der Pflege beschäftigen zu müssen.

    Es wird um Cent gestritten, während sich die üblichen Verdächtigen auch weiterhin ihrer Millionen und Milliarden sicher sein können. Bravo!

  • Skyrider

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    “Was schert mich mein Geschwätz von gestern?” Morgen ist ein neuer Tag, mit neuen Presseterminen, vielen Kameras und Mikrofonen. Und übermorgen erklär ich der Welt, warum ich der weltbeste “Selbstdarsteller” in der Corona-Pandemie bin……

  • Hthik

    |

    @Günther Herzig 10. Juni 2021 um 11:25

    “Wie immer, viel Text dafür oder dagegen, …”

    Thjaaaaaaa … hmmmmm …

    “… Hauptsache dem Ministerpräsidenten Söder kann wegen irgendwas von irgendwem in irgendeiner Weise irgendwie ein Vorwurf gemacht werden.”

    Falsch. Das muss heißen: “… Hauptsache dem Baumteam Tretzel kann wegen irgendwas von irgendwem in irgendeiner Weise irgendwie ein Vorwurf gemacht werden.”

  • Piedro

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    @Günther Herzig
    “Hauptsache dem Ministerpräsidenten Söder kann wegen irgendwas von irgendwem in irgendeiner Weise irgendwie ein Vorwurf gemacht werden.
    Nein. Das Wichtige ist: er bleibt in Bayern!

    “Dass aber das Verwaltungsgericht gegenüber allzu schlichten Vorstellungen offenbar zu einer differenzierten Sicht gekommen ist…”
    … liegt daran, dass die vorherigen Ankündigungen nicht auf eine Rechtsgrundlage gestellt wurden, sondern juristisch auch willkürlich abgelehnt werden können, ohne einem Richter einen Ansatzpunkt zu liefern.
    “Auf die einfachste Lösung kommt er nicht:…”
    Hoffentlich liest er das nicht, der Arme hätte anhaltende Albträume.
    “Wahrscheinlich kommt irgendwann auch noch eine „aus dem Völkerrecht“ dazu.”
    Ach, das gilt auch für den Freistaat? Wusste ich noch nicht, ist aber ein recht interessanter Ansatz. Sind Dobrindt und Scheuer vielleicht schon Fall für die internationale Rechtsprechung?
    “Und vergesst nicht: Söder ist immer schuld!”
    Ja, das ist wirklich schlimm. Haben doch tatsächlich einige Pfleger geglaubt sein Wort wäre was wert, oder sie hätten den gleichen Anspruch wie Kollegen mit gleicher Arbeit (statt gar keinen). Dabei ist er doch nur sehr eingeschränkt schuldfähig, was die eigenen Aussagen angeht. Wer das nicht anerkennt ist eindeutig linksextrem, oder schlimmeres.

    Sein Namensvetter aus Rom hat sehr schön aufgezeigt: Ein jeder ist soviel wert, als die Dinge wert sind, um die es ihm ernst ist.

  • Piedro

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    @Günther Herzig
    Oh je, müssen wir uns Sorgen machen? ;)

    Was König Markus im Kleinen macht hat der kurze Kanzler im Nachbarland dem ganzen Land aufgedrückt. Der eine braucht das Geld für seine Spezies, der andere vermutlich für seinen Bavarian Spaceport. Da soll die Finanzierung der Damenklos noch nicht gesichert sein, und irgendeiner ist der Ansicht die werden gebraucht. Prioritäten sind echt wichtig!

  • Hthik

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    @Günther Herzig 11. Juni 2021 um 07:53

    “Das wäre ein Unterschied zu Gesetzgebung und Verwaltungshandeln. Dem bin ich ausgesetzt. Dagegen hilft nur wählen zu gehen.”

    Die gerichtliche Überprüfung von Verwaltungshandlungen ist seit Neustem abgeschafft? Das Verwaltungsgericht scheint davon noch nichts zu wissen, denn dann wäre das ein kurzer Artikel: das VG hat die Klagen als offensichtlich unzulässig verworfen.

    Zur “Wählen hilft”, sag ich mal Sachsen-Anhalt. Die drittstärkste Partei (16,2%) hat keinen einzigen Abgeordneten bekommen.

    Den Rest geschenkt, denn es liegt Arbeit an.

    Wir sind uns hoffentlich einig, dass auf freiwillige Leistungen der gerichtlichen Kontrolle unterworfen sind, nur ist diese eingeschränkt dahingehend, dass nur zu prüfen ist, ob das auszuübende Ermessen
    1. dem Zweck entspricht und
    2. gleichmäßig ausgeübt wird.

    Einschlägig ist die “Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern” https://www.verkuendung-bayern.de/files/baymbl/2020/238/baymbl-2020-238.pdf

    Anscheinend hat das LfP und in Folge das VG plötzlich “entdeckt”, dass der einzige Zweck war, die zusätzliche Eigenschaft sozialer Kontakt zu sein gefördert werden sollte. Wo steht das in der Richtlinie? Da steht es soll das “überdurchschnittliche Engagement” gefördert werden. Warum ist die einzige Art überdurchschnittliches Engagement zu zeigen, im Bereich sozialer Kontakte? Das erscheint als völlig willkürliche Einschränkung. Durch welche zulässige Ermessensausübung soll diese Wahl gedeckt sein? Was ist etwa mit denjenigen, die berichten, sie seien am nächsten Morgen vom Tag zuvor fix und fertig, riskierten aber die eigene Gesundheit, weil sie Patienten und Kollegen nicht im Stich lassen wollen? Ist das kein “überdurchschnittliche[s] Engagement”?

    Ich zitiere hierzu aus dem grundlegenden juristischen Kommentar:
    „Die Frage ist doch“, sagte Alice, „ob du den Worten einfach so viele verschiedene Bedeutungen geben kannst“.
    „Die Frage ist“, sagte Humpty Dumpty, „wer die Macht hat – und das ist alles.“

    “Allerdings lässt der Verlauf der mündlichen Verhandlungen darauf schließen, dass die Unterscheidung von stationären Einrichtungen (die begünstigt werden) und ambulanten (die nicht begünstigt werden) eine große Rolle spielt.”

    Dass überhaupt ein vermehrter sozialer Kontakt stattfand, ist schon fragwürdig. Schon zu Normalzeiten ist das, was wegen des Pflegenotstands als Erstes unter die Räder der Dauerüberlastung kommt. Was sollen die auch machen? Stattdessen eine Infusion oder Schleimabsaugen ausfallen lassen? Dazu kam jetzt die Belastung durch Corona. Die Einordnung als Sowiesoleistung, die eben auch bei erhöhtem Aufwand arbeitsrechtlich zu erbringen ist, ändert nicht das Geringste daran, dass materiell eben ein Mehraufwand in der begrenzten Zeit hierfür anfiel. Vielleicht sollten die Ahnungslosen aus Ämtern und Gerichten, mal jemanden fragen, der sich auskennt, mi… Claus Fussek zum Beispiel.

    Aber gehen wir davon aus, das wäre so. Warum dann nicht bei ambulanten Einrichtungen. Geht das LfP hier davon aus, dass sich die Pflegerin sagt “Der kommt ja bald wieder heim. Was braucht der sozialen Kontakt?” Nicht nur unterstellt das dem Personal, dass es selbst fragwürdige Pauschalierungen macht, es ignoriert auch, das es in Deutschland tatsächlich alleinstehende Menschen gibt oder Menschen, die aus sonstigen Gründen ihren wichtigsten sozialen Ansprechpartner außerhalb des eigenen Haushalts haben.

    Da verblasst fast, dass die Anlage 2 ausdrücklich Tageskliniken nennt, deren Patienten typisch auch schnell wieder daheim sind, denn das ist der ganze Sinn dieser Einrichtungen.

    “Ministerium und LfP betonen hingegen, dass es sich um einem „Massenverfahren“ gehandelt habe. Keine fünf Minuten Bearbeitungszeit pro Antrag hatten die Sachbearbeiter.”

    Da mach mal einen auf BVerfG-Doppelvorsitz. Zitat aus Nr. 6 der Richtlinie zur Antragsprüfung : “Anträge werden vor Auszahlung vollständig inhaltlich geprüft” Den Zusatz “außer wenn die Zeit nicht reicht.” muss ich überlesen haben. Also haben die weniger als 5 Minuten gereicht, den sonst hätte der angestellte Sachbearbeiter pflichtgemäß seine Überlastung dem Vorgesetzten angezeigt und der Beamte gegen eine Weisung so schnell zu antworten remonstriert.

    Gerade die Gefüsö “Gerechtigkeit für Söder”-Bewegung sollte hier im Forum mal mithelfen, denn es scheint, die Richtlinie hat er gar nicht vergurkt. Auch das Monopolistenekel Bill Gates hat Anspruch, dass man ihm nicht irgendwelchen Blödsinn über Corona anhängt.

    “Die jeweiligen Begründungen für die Klageabweisungen des Gerichts sind noch nicht öffentlich.”

    Das wird der Herr Oswald, hiermit zwangsrekrutriert für die Gefüsö ist, sicher bald nachliefern.

    Einen Link darf ich mir vielleicht noch gönnen https://www.vgh.bayern.de/media/vgregensburg/presse/20a01523g.pdf

    Abweisung der Klage einer Hauswirtschafterin. In der Anlage 1 ist aber Hauswirtschaft genannte.

    “Sie sei seit über 14 Jahren in einem Pflegeheim als leitende Hauswirtschafterin tätig. Zusätzlich habe sie noch eine Ausbildung als Pflegeassistentin. Zu ihren täglichen Aufgaben gehöre es, dass sie neben ihren hauswirtschaftlichen Tätigkeiten für alle Anliegen jedes einzelnen der Bewohner zuständig sei. Ihre Einrichtung werde mit Essen beliefert, sodass ihre Arbeit nichts mit Küche oder Kochen zu tun habe, sondern ausschließlich mit dem Versorgen und Betreuen der Bewohner. Dies umfasse die Eingabe von Essen, das Wechseln verschmutzter Kleidung, das Waschen von Gesicht und Händen, Fahrten mit dem Rollstuhl oder begleitend mit dem Rollator sowie Gespräche und seelische Aufmunterung. Sie sei somit am Bewohner pflegend tätig. Kolleginnen mit der gleichen Berufsbezeichnung hätten den Pflegebonus ohne Probleme ausbezahlt bekommen.”

    Verwaltungsgericht Regensburg R 6 K20.1532 vom 20.01.2021

    Die Frau ist also genau dort eingesetzt, wo sie als sozialer Ersatzkontakt wirkt, also dem nunmehr allein selig machenden Kriterium entspricht. Die Verwaltungsgericht hatten einmal den Ruf, sich der allgemeinen Tendenz zu schlampigen Schnellentscheidung noch zu widersetzen. Anscheinend ist das kleine gallische Dorf gefallen.

  • Piedro

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    @Günther Herzig
    Ah, ein Spätentwickler. ;) Bei mir setzt die anscheinend deutlich früher ein. Herzlichen Glückwünsch nachträglich, und viel Spaß in den nächsten zwei bis drei Jahrzehnten.

    Sagen Sie mal: wenn es keinen Anspruch anhand einer Rechtsgrundlage gibt, ist es dann überhaupt möglich gegen so eine Ablehnung zu klagen?
    Bei den einen Menschen kann ich mir das vorstellen, wo die Kollegen mit gleicher Arbeit den Bonus bekommen haben, das ist ja eine klare Ungleichbehandlung. Aber ansonsten? Gibt es da eine Rechtsgrundlage?

    Ich frage mich wie dumm die “Verantworlichen” in der Regierung und der Verwaltung aus der Schmutzwäsche glotzten, würden diese 50 Personen ihren Job kündigten, weil sie sich in dieser Tätigkeit missachtet fühlen.

  • Hthik

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    @Piedro 11. Juni 2021 um 18:01 | #

    “Sagen Sie mal: wenn es keinen Anspruch anhand einer Rechtsgrundlage gibt, ist es dann überhaupt möglich gegen so eine Ablehnung zu klagen?”

    Siehe den verlinkten Gerichtsbescheid, wobei man sich schon fragen kann, wie ein Gericht denn weiß, was der Zweck einer Richtlinie ist, ohne deren Inhalt im Geringsten, also auch die Zweckangabe zu interpretieren.

  • Mr. B.

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    Das Wort eines MP sollte schon Gewicht haben, wenn er ernst genommen werden will!
    Die Menschen in der Pflege in einer schlimmen Pandemie nur bei “Laune” zu halten geht m. E. gar nicht! Da wird man völlig unglaubwürdig!

    Meinung, Vorschlag und Beispiel: Man nimmt den “Parteikollegen” aus CSU und CDU die unverschämten zig Millionengewinne aus der Maskenaffaire ab und bezahlt damit die versprochenen Bonis?
    Das wäre dann noch anständig und ein wenig auch christlich und sozial und nicht neoliberal, als wenn man in einer Pandemie dem Bürger auch noch viel Geld für Politikvorgaben aus der Tasche zieht!

  • Hthik

    |

    @Günther Herzig 11. Juni 2021 um 18:51

    “Der Begriff der Sowiesokosten findet sich auch im Zivilrecht in Auseinandersetzungen wegen Schadensersatz,”

    Wir sind uns vermutlich einige, dass allein, dass es einen Begriff gibt, nicht gewährleistete, dass er in jedem Zusammenhang Sinn ergibt oder richtig eingesetzt wird.

    “Ich glaube nicht, dass die Urteile mit Aussicht auf Erfolg angegriffen werden können.”

    Ich fürchte, das stimmt, auch wenn ich keine tragfähigen Rechtsgründe dafür sehe. Das schließe ich einfach aus dem Oliver-Kahn-Effekt: Entscheidung der Exekutive sind zu halten, besonders, wenn der gemeine Bürger Geld will. Wir müssen schließlich sparen.

    Wer trotzdem dagegen vorgeht sollte gleichzeitig eine Petition an den Ministerpräsidenten in Betracht ziehen.

  • Hthik

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    @Mr. B. 12. Juni 2021 um 11:52

    “Das Wort eines MP sollte schon Gewicht haben, wenn er ernst genommen werden will!”

    Zuviele der Mühe. Besser wir beschweren und später, dass die Menschen der Politik nicht trauen, nicht mitarbeiten wollen an unserem wunderschönen demokratischen Rechtsstaat und allen möglichen Bauernfängern auf den Leim gehen.

    Auch das obige Beispiel 5%-Klausel. Das ist nichts weiter als das “Nur für Milliardäre”-Schild am noblen Golfclub. Wir haben über 16% Menschen, die gerne am demokratischen Prozess teilnehmen wollen, zur Wahl gehen aber direkt eine Ohrfeige bekommen, weil Ihre Stimme völlig unter den Tisch fällt, als hätte es sie nie gegeben. Da die meisten von denen ja sogar wissen, dass ihre Stimme nichts nützt, sind das eigentlich sogar die besonders engagierten Demokraten, weil sie von vorne herein ahnen, dass außer dem Symbolgehalt dieser Partei die Stimme gegeben und damit eine Überzeugung ausgedrückt zu haben und bestenfalls ein paar Euro Wahlkampfkostenerstattung, nichts dabei rausspringt.

  • Gerald Gabriel

    |

    Da Ich nach über 25 Jahren als überzeugter Nichtwaehler nun zur Wahl gehe und Frau Beerbaum wählen werde und Ich hoffe,
    Das Sie Kanzlerin wird und Unser Land
    Wird bunter und den Altparteien , insbesondere der SPD gehen Die Pfründe aus…und in meinem persöhnlichen Umfeld habe auch schon einige überzeugt, Grün zu wählen…
    Denn eins habe Ich während Corona gelernt..
    Wer wichtig ist und nicht…Pflegekraefte gehören für mich an erster Stelle und überversorgt Politiker
    Mit Sicherheit nicht….

  • xy

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    Oben heißt es: “Das Wort eines MP sollte schon Gewicht haben, wenn er ernst genommen werden will!”
    Diese Forderung können Sie als Wähler an den Politiker richten, aber nicht als Bürger an den Staat. Das eine ist das eine und das andere ist das andere!

    Oben heißt es: “Da Ich nach über 25 Jahren als überzeugter Nichtwaehler nun zur Wahl gehe und Frau Beerbaum wählen werde…”
    Glauben Sie wirklich, dass es jemand, der einfach mal so 25.000 Euro Nebeneinkünfte beim Bundestag anzumelden vergißt und nach und nach seinen hochstaplerisch aufgepimpten Lebenslauf Position um Position abpimpen muss, besser machen wird als Söder etc.?

  • Piedro

    |

    @xy
    “…besser machen wird als Söder etc.?”
    Schlechter geht ja wohl kaum. Was sie von Söder noch lernen könnte wäre vielleicht die anlasslose Selbstdarstellung, hier vor ner Palette Masken ablichten lassen, da nen Baum umarmen, zwischen durch nen Spaceport phantasieren. Von Merkel könnte sie lernen nichts zu tun und nichts zu sagen, wenn es angebracht wäre Haltung zu zeigen und Politik zu machen, aber warum sollte sie? Von Scholz könnte sie die partielle Amnestie lernen. Von Seehofer wie man Menschenverachtung zur Humanität ummünzt, ohne sich vorm Spiegel zu erbrechen. Nur Menschen mit hohem Einsatz für die Allgemeinheit derart verarschen, das würde sie nicht mal hinkriegen wenn sie wollte. Und nach dem, was sich CU-Mandatare und -Günstlinge allein im letzten Jahr geleistet haben stehen die Grünen da wie Engel der Demokratie.

  • Hthik

    |

    @xy 13. Juni 2021 um 16:14

    “Diese Forderung können Sie als Wähler an den Politiker richten, aber nicht als Bürger an den Staat. Das eine ist das eine und das andere ist das andere!”

    Forderungen stellen darf man schon aufgrund der Meinungs- und Redefreiheit. Wie oben angemerkt gibt es zudem eine Petitionsrecht, auch beim Ministerpräsidenten.

  • R.G.

    |

    Zuallererst deutet das sprachliche Herumjonglieren Söders wahrscheinlich auf ein schlecht miteinander kommunizierendes Team im Sinne einer dünnen Personaldecke auf der oberen Parteiebene bzw. einer fehlenden Diskussionskultur.
    Am Beginn stand die Idee, unsere HeldInnen der Corona-Pandemie seien die Pflegekräfte, sie müssten eine steuerfreie Zulage erhalten.
    Das Team rund um den Ministerpräsidenten sollte spätestens ab da Argumente sammeln, welche Pflegekräfte sehr wohl, welche leider nicht bedacht werden können, da der Steuertopf nicht endlos voll ist.
    Erst wenn die Formulierung präzisiert ist, geht man mit der Ankündigung an die Öffentlichkeit.

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