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Corona-Stilblüten

Deckel drauf!

Wann ist ein Getränk „mitnahmefähig“? Dieser Begriff aus der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung treibt in Regensburg bizarre Blüten. Nach mehreren Berichten und Kritik aus der SPD hat die Oberbürgermeisterin nun reagiert.

Links: legaler mitnahmefähiger Kaffee, rechts: bis vor kurzem mit Bußgeld bedrohter mitnahmefähiger Kaffee. Foto: as

Als Pressemitteilung im eigentlichen Sinne will Thomas Burger die auf Facebook veröffentlichte „Mitteilung“ seiner Fraktion nicht verstanden wissen, aber als Signal. „Dafür, dass es durchaus erlaubt ist, über Regeln nachzudenken und dass die Politik nicht mit allem einverstanden ist, was uns da von oben vorgegeben wird“, erläutert der SPD-Fraktionschef. „Das wollen wir offen nach außen zeigen – und auch, dass wir die Spielräume, die wir innerhalb dieses Korsetts haben, nutzen sollten.“ Konkret geht es um die Praxis des Regensburger Ordnungsamtes, Gastronomen mit saftigen Geldbußen zu drohen, sollten sie die Becher für ihre ToGo-Getränke nicht mit zusätzlichen Deckeln versehen – insbesondere auch die umweltschonenden Recup-Pfandbecher für Kaffee.

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Bußgeldbewehrte „Auslegungshilfe“

Bereits vor zwei Wochen hatte die Regensburger Rundschau über das Thema berichtet. Mehrere Gastronomen hatten sich unter anderem darüber beklagt, dass das Pfandsystem Recup durch die Deckelpflicht ad absurdum geführt werde. Am vergangenen Samstag zog nun die Mittelbayerische Zeitung nach. In beiden Fällen berief sich die Stadt auf die 12. Infektionsschutzmaßnahmenverordnung des Freistaats, um ihr Vorgehen zu verteidigen.

Dort heißt es unter den Regelungen für Gastronomie unter anderem, dass nur „die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen und Getränken“ zulässig sei. Und dabei sei, so teilt die Stadt Regensburg der MZ mit, der Deckel bzw. die Deckelpflicht eine „Auslegungshilfe für den Rechtsbegriff ‚mitnahmefähig‘ für die Gaststättenbetreiber“. So solle verhindert werden, dass die Getränke vor Ort getrunken werden. Unterstützt werde diese „Auslegungshilfe“ mit Bußgeldandrohungen von bis zu 25.000 Euro, wie Kioskbetreiber Florian Rottke („What the Kiosk“) der MZ erzählte.

Ministerium gibt Schwarzen Peter zurück

Thomas Burger hat nun am Dienstag bei seiner Parteifreundin Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer nachgefragt, ob es diese – in seinen Augen „sinnfreie“ – Verpflichtung tatsächlich gebe, wie sie denn begründet werde – und deren Abschaffung gefordert. „Das hat in der Praxis keinerlei Effekt und außerdem produzieren wir jede Menge Müll.“ Als Kritik an der Oberbürgermeisterin wolle er das nicht verstanden wissen, so Burger. Die müsse sich auch auf das verlassen können, was ihr von den zuständigen Fachleuten in der Verwaltung gesagt werde. Und auch diesen wiederum wolle er keinen Vorwurf machen. „Die müssen ja auch irgendwie mit dem ganzen Regelwust klarkommen.“

An höherer Stelle nachgefragt zu diesem Regelwust hat bereits Anfang März der Regensburger Landtagsabgeordnete Jürgen Mistol (Grüne). Vom Bayerischen Gesundheitsministerium erhielt er damals bereits die Auskunft, dass es bei der Abgabe von ToGo-Getränken „nicht so sehr auf die Art des Behältnisses (Papier, Glas, Plastik, Einweg oder Mehrweg etc.)“ ankomme, „sondern vielmehr auf die Tatsache, dass das Behältnis vom Gast mitgenommen wird“. Recup-Pfandbecher würden „in der Regel diese Voraussetzungen“ erfüllen. „Ein Verzehr vor Ort mit anschließender Rückgabe des Pfandbechers ist jedoch untersagt.“

Regeln, die sich verselbständigen

Freilich, so das Ministerium weiter, seien den örtlich zuständigen Behörden „weiter gehende Anordnungen“ möglich, „soweit es aus infektionsschutzrechtlicher Sicht erforderlich ist“. In Regensburg fordern diese weitergehenden Anordnungen zumindest derzeit noch einen Plastik-Schnabel-Deckel auf dem (Recup-)Kaffeebecher oder – auch das soll es geben – den Plastikdeckel mit integriertem Strohhalm auf dem Gin Tonic. To go natürlich.

Dass das aus Infektionsschutzgründen sinnvoll ist, bezweifelt wohl nicht nur Thomas Burger. Der sagt: „Wir müssen aufpassen, dass sich solche Regeln nicht zunehmend verselbständigen und vom eigentlichen Ziel – dem Vermeiden von Ansteckung – abkoppeln.“

Ab sofort nur noch Deckel-„Empfehlung“

Am Mittwochnachmittag gibt es schließlich ein Einlenken von der Oberbürgermeisterin. Zwar weist sie „in Absprache mit den Fachstellen“ drauf hin, „dass die Gastronomie auf die gesetzlich vorgeschriebene Mitnahmefähigkeit von Getränken zu achten hat“. Zukünftig werde nun aber „lediglich eine Empfehlung ausgesprochen, Behältnisse mit einem Deckel zu versehen“. Nun liege es an den Gastronomen, eine Mitnahmefähigkeit „auch ohne Deckel bei Bechern zu ermöglichen“…

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Kommentare (17)

  • Mr. T.

    |

    Wieder ein perfektes Beispiel für die Urangst der Regensburger Stadtspitze, Entscheidungen zu treffen. Es ist nur eine “Auslegungshilfe”, keine Auslegungsgrenze. Das heißt, ein Getränk mit Deckel ist ganz sicher zum Mitnehmen, eins ohne muss aber nicht zwangsläufig zum Konsum vor Ort sein.
    Mir dünkt, dass jeder Nanometer Entscheidungsspielraum Schweißausbrüche der Stadt zur Folge hat.

  • Joachim Datko

    |

    Die gute Nachricht! Letztes Jahr um diese Zeit sind die täglich gemeldeten Neuinfektionen in Deutschland zusammengebrochen:
    01.04.20 6.156 (Mi)
    02.04.20 6.174
    03.04.20 6.082

    08.04.20 4.974 (Mi)
    09.04.20 5.323
    10.04.20 4.133

    15.04.20 2.866 (Mi)

    Der erste Lockdown trat am 22. März 2020 in Deutschland in Kraft und dauerte bis zum 4. Mai 2020.

    – Wir haben auch zurzeit weitreichende Schutzmaßnahmen.
    – Im Sommer ist die Ansteckungsgefahr wesentlich geringer.
    – Dazu kommen jetzt 13 % Menschen mit zumindest der Erstimpfung.

  • Markus Panzer

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    Es ist doch immer wieder schön, dass die Genossen dann doch die Anregung der Bruecke nach vorhergehender Ablehnung übernehmen und dann gelegentlich sinnvolle Arbeit leisten. Es ist nur die Frage warum die Initiative von Bruecke Stadtrat Florian Rottke durch die Verwaltung erstmal mit fadenscheinigen Argumenten abgelehnt wurde.

  • alphaville

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    @ Markus Panzer

    vielleicht hätte Stadtrat Rottke nicht die Verwaltung fragen sollen sondern den offiziellen Weg zwischen Stadtrat und Verwaltung, d.h. über die Fraktion obenrum wählen sollen.

    Verwaltung neigt dazu übervorsichtig zu sein. Zuumal, wenn die Spielräume von der Staatsregierung so eng gehalten werden wie bei Corona und bei der Regierung d. Opf. sich keiner zu Husten traut ohne vorher das ok von Söder einzuholen.

    Politik kann mit einer wachsweichen Formulierung – wie jetzt geschehen – das erreichen was alle wollen, ohne dass die Regierung gleich wieder reingrätschen kann.

  • Irma

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    Gibt es nicht größere Probs zur Zeit?
    Also wenn’s geht, ganz einfach: Deckel drauf

  • XYZ

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    Es wird allmählich immer lustiger: habe mal im Gassenausschank des Kneitinger gerne ein Dunkles im ererbten Bierkrug nach Hause getragen, Deckel drauf, damits net owischwappt. Da deckelt der VO-Geber ja munter drauf, ergänzend : Trinkröhrchen nicht erlaubt.

  • Hobbyrichter

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    Der Artikel ist etwas missverständlich an einer Stelle. Wenn das Ministerium auf weitergehende Regelungen verweist, dann meint es eine Allgemeinverfügung der Stadt und keine misslungene Auslegung der 12. BayIfSMV. Eine solche Allgemeinverfügung dürfte es aber nicht geben, sondern nur die Äußerung einer Rechtsmeinung, wie die BayIfSMV zu verstehen sei.

    Es ist ohnehin ein Kunststück aus der Forderung einer mitnahmefähigkeit zu schließen, der Verzehr vor Ort müsste erschwert werden. Die Fähigkeit etwas mitnehmen zu können hat nämlich nicht zur Folge, dass man es nicht vor Ort verzehren kann.

  • R.G.

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    Ich wäre für Zuschrauben.
    Bier und Wein mit dem Schraubenschlüssel öffnen, das hilft.

  • CK

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    Der Aspekt, dass wir in Deutschland einen Becherstapel bis zum Mond produzieren sollte hierbei nicht vergessen werden. Die Müllmenge ist ja das letzte Jahr für ToGo-Produkte gewaltig gestiegen und das wird von Stadtseite immer wieder beklagt. Die Recup-Pfandbecher wären hier ein kleiner, aber sehr sinnvoller Beitrag dies zu verbessern. Durch die Deckelpflicht wurde dies verhindert und ist jetzt erfreulicherweise wieder möglich.
    Leider sind solche sinnvollen Meinungsänderungen der Verwaltung bzw. der Stadt Regensburg immer sehr schwierig herbeizuführen und bedürfen meist größeren medialen Nachdrucks.

  • Madame

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    Jeder Topf braucht seinen Deckel. So wird auch bei diesen kaffeebechern gehandhabt. Wie wäre es, wenn es becher gäbe, die der kunde als Nahrungsmittel verzehren könnte?

  • gretchen

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    Ganz ehrlich: er kauft in der Innenstadt, Stadtamhof ….einen Kaffee to go, um ihn dann zuhause zu konsumieren? Überlegung: ich kaufe einen solchen (mit Deckelchen) gehe dann zu meinem Auto, das im Parkhaus steht, und fahre dann nach Hause , z.B. nach Prüfening. Ehrlich? Man kauft sich einen Kaffee to go oder auch etwas anderes (natürlich Nicht-Alkoholisches ) , um es an Ort und Stelle zu konsumieren, frische Luft zu schnappen, sich mit anderen Leuten – natürlich mit Abstand- zu unterhalten. Die Deckelchen werden alle – genauso wie Kronkorken (den Alkohol kauft man sich schnell beim NETTO …) in einen der städtischen Müllbehälter oder in die Natur geworfen.

  • R.G.

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    Ich hätte mich schon soooo auf eine Waffel-Eistüte mit Deckel gefreut.
    Wieder nichts.
    Verzeihe ich der Brücke nicht.

  • Lauberzehrling

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    Zum Glück ist diese wichtige Frage endlich geklärt. Deckel drauf oder nicht, das ist keine Kleinigkeit im Kampf gegen das Virus. Verständlich, dass die Stadt zunächst kein Risiko eingehen wollte.

  • Mr. T.

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    Lauberzehrling, das ist eben nicht verständlich. Denn was wäre denn das Risiko gewesen? Zu wenig Kunststoffabfall? Der ganze Unsinn hat eh schon viel zu viel lächerliche “Vorschriften” produziert. Wie das versprochene Wegsehen der Stadt beim Verzehr von Speisen, Getränken und Zigaretten in Maskenverbotszonen oder dass man erst ums Eck gehen muss bevor man das erste Mal von der Eiswaffel schlecken darf.
    Die Pflicht zum Deckel war einfach nur eine dumme Auslegung der Auslegungshilfe, dass ein verschlossenes Getränk definitiv zur Mitnahme gedacht ist. Und das heißt eben noch lange nicht, dass ein offenes Getränk zwingend am Ort des Ausschanks verzehrt werden muss.

  • Liber T Parti

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    Wir zerstören mutwillig Recht, Wirtschaft, Gesellschaft, Familie, Leben, einfach alles. Und unsere aufrichtige Sorge dabei gilt einem Plastikdeckel. Das beschreibt den geistigen Zustand unserer Zeit wohl sehr gut.

    PS. Ignorieren sie den Post; sparen Sie sich Ihren empörten Shitstorm. Niemand hat die Absicht, Ihre Oma zu töten.

  • da_Moartl

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    Bei mancherne vo der Stod frogst Di scho, ob´s denne ins Hirn einigschissn ham …

  • Mr. B.

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    Zu: Liber T Parti
    Man kann es nicht besser beschreiben!!!!!

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