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Ideologie statt Kompetenz

Der „Kampf gegen Drogen“ ist gescheitert

Als destruktiv, teuer und insbesondere erfolglos bewertet unser Gastautor die „harte Linie“ der bayerische Drogenpolitik, ganz besonders sichtbar in Regensburg. Als Alternative stellt er das Modell Portugals zur Diskussion.

Von Rechtsanwalt und Berufsbetreuer Otmar Spirk

Der staatliche sogenannte „Kampf gegen Drogen“ ist gescheitert. Ich erlebe ihn von Berufs wegen hauptsächlich als einen Kampf gegen die Drogensüchtigen. Er ging und geht einher mit einer Riesenverschwendung der Ressourcen von Polizei und Justiz sowie unserer Steuern.

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Die Verfolgung Süchtiger ist schwarze Pädagogik

Der Grundgedanke der strafrechtlichen Verfolgung Drogensüchtiger ist schwarze Pädagogik: Wenn der Staat nur lange und oft genug auf den Drogensüchtigen einschlägt, fürchtet der irgendwann die staatliche Verfolgung mehr als ihm die Droge wert ist. Diese „schwarze Pädagogik“ ist gescheitert. Regensburg ist ein Musterbeispiel dafür.

Die Zahlen:

Im Jahr 2018 betrug die Zahl der Fälle von „Rauschgiftkriminalität“ 1.241, besagt die polizeiliche Statistik für Regensburg. Das waren 43,43 Prozent mehr als im Jahr 2017, da verzeichnete die Polizeistatistik 886 Fälle von „Rauschgiftkriminalität“. 2010 waren es noch nicht ganz 400 „Fälle“. Bei über der Hälfte der Delikte 2018 ging es um Cannabis, gefolgt von gut 100 Heroin-Delikten.

Leider konnte ich keine Regensburger Polizeistatistik finden, bei wie vielen dieser mutmaßlichen Straftäter die Straftat einzig im Besitz einer kleinen Menge „harter“ oder „weicher“ Drogen bestand. Bei Übertragung bundesweiter Schätzungen haben sich 80 Prozent, also vier von fünf der Regensburger „Täter“ und „Täterinnen“ nur des Eigenkonsums strafbar gemacht. Das heißt: Faktisch besteht hier der Tatvorwurf in einer beabsichtigten Selbstschädigung durch einen Drogenrausch.

Oberpfalzweit zählt die Polizeistatistik für 2018 insgesamt 4.500 Fälle, das ist eine Steigerung von nur 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Die Zahl der Drogentoten steigt

Gab es 2010 noch neun Drogentote in Regensburg, waren es 2017 bereits 13 und dann 2018 18 Tote. Während in Regensburg 2017 umgerechnet 8,1 Drogenabhängige auf 100.000 Einwohner am Konsum verstarben, waren es zum Beispiel in München nur drei.

Grob 1.000 Menschen sollen es sein, die derzeit in Regensburg intravenös Heroin konsumieren, sagt Christian Kreuzer, Leiter der Suchtambulanz der Caritas. Vom Alter her waren 2018 laut Polizeistatistik 14 Prozent der „Rauschgifttäter“ unter 18 Jahre alt, 16 Prozent waren Heranwachsende, die anderen 70 Prozent über 21. Eine Jugendrichterin am Amtsgericht Regensburg lässt sich dazu in der Mittelbayerischen Zeitung mit den Worten zitieren:

Das Einstiegsalter sei gering. Bereits zwischen 13 und 15 Jahren finde die erste Drogenerfahrung statt. Eine große Rolle spiele das soziale Umfeld: „Diejenigen, die aus prekären Verhältnissen kommen, die rutschen leichter rein.“ Sie betont, wie wichtig eine früh einsetzende Präventivarbeit sei. Über den Erfolg von Abschreckung und Prävention mache sie sich keine Illusionen: „Man sieht viele wieder.“

Aktuell ist bei den „harten Drogen“ in Regensburg neben Heroin das bereits als verdrängt geglaubte Kokain auf den Markt zurückgekehrt. Insbesondere jugendliche Drogenkonsumenten weichen auf Grund der verstärkten Repression zunehmend auf neue synthetische Drogen aus, deren Gefährlichkeit zum Teil noch nicht erforscht ist, und die zum Teil noch nicht einmal im Kanon des Betäubungsmittelgesetzes erscheinen.

Süchtige brauchen ein Hilfsnetz und keine Verfolgung

Der staatliche „Kampf gegen Drogen“ ist nach meiner Berufserfahrung weitgehend ein Kampf nicht gegen den Drogenhandel und die Dealer, sondern gegen die Süchtigen – also gegen schwerkranke Menschen. Kranke brauchen aber ein Hilfsnetz, keine Strafverfolgung. Denn: Harte Drogen zerstören den Drogenabhängigen nicht nur, sie ermöglichen ihm zugleich zu überleben. In einer Welt, die ihm sinnlos erscheint, gibt ihm der Drogenrausch eine vorübergehenden Sinn, weiter zu leben. Wieso sollte ein Gefängnisaufenthalt daran etwas ändern?

Dass es anders und besser geht, zeigt das Modell Portugal. Dort wurde – nach einer Heroin-Epidemie – die Drogenpolitik bereits im Jahr 2001 grundlegend geändert. Besitz von Drogen zum Eigenkonsum wird nicht mehr strafrechtlich verfolgt. Er wird nur noch als Ordnungswidrigkeit eingestuft, so dass niemand mehr deswegen eingesperrt wird. Allen Unkenrufen „harter Drogenbekämpfer“ ist Portugal deshalb nicht zum Drogenparadies verkommen. Das Gegenteil ist passiert.

Jao Goulao, Arzt und Lissabonner Chef des nationalen Anti-Drogen-Programms Sicad dazu:

„Wer Drogen nimmt, ist nicht kriminell, sondern krank.“

Der Grundgedanke dieser Drogenpolitik ist wohl, Drogenkonsumenten als schwer einsichtige Kranke zu behandeln, denen man mit sanftem Druck dabei hilft, sich Hilfe zu holen. 

Beratung und Hilfe statt Strafe

Wer in Portugal mit dem Besitz von maximal zehn „Portionen“ Drogen – egal ob „weiche“ oder „harte“ – erwischt wird, gilt als Eigenkonsument und begeht daher nur eine Ordnungswidrigkeit. Alles darüber hinaus wird weiterhin strafrechtlich geahndet.

Beim erstmaligen Erwischtwerden gibt es noch kein Bußgeld, aber eine Vorladung zum „Ausschuss zur Bekämpfung der Drogenabhängigkeit“, der aus einem Psychologen, einem Juristen und einem Sozialarbeiter besteht. Dort werden die Gefahren und Hilfsmöglichkeiten besprochen. Bei wiederholter Vorladung werden die verschiedenen Möglichkeiten wie Geldbuße, Sozialarbeitsstunden usw. eingesetzt.

In Portugal sinken die Zahlen

An statistischen Erhebungen der letzten Jahre fand ich folgende Vergleichszahlen zu vor 2001:

Am meisten hat die neue Ausrichtung unter Jugendlichen von zwischen 15 und 24 Jahren gebracht: Der harte Drogen konsumierende Anteil ist stark gesunken, zum Beispiel bei Kokain von fünf Prozent auf gegen null. Beim Cannabis-Konsum soll der Anteil um ein Drittel gesunken sein. Statt mit der Polizei haben die Betroffenen mit Sozialarbeitern zu tun, statt öffentlicher Diskriminierung erfahren sie offenbar Unterstützung.

Der Anteil der Dauerkonsumenten ist von 45 auf 28 Prozent gesunken. Es gibt inzwischen 75 Prozent weniger registrierte Fälle von Drogenkriminalität. Der Anteil wegen Drogenkriminalität – Handel wie auch Beschaffungskriminalität – Eingesperrter ist stark zurückgegangen. Die Menge beschlagnahmter Drogen ist in der Relation höher als in Deutschland, da sich die Polizei nunmehr auf den Drogenhandel konzentriert.

Die Zahl HIV-infizierter Menschen im Kontext Drogen – vor allem aufgrund des Mehrfachgebrauchs von Spritzen – ist auf unter ein Prozent gesunken. Die überwiegende Zahl der Drogenabhängigen ist inzwischen in Drogensubstitutionstherapien.

Starke Ausschläge nach oben gab es während der Wirtschaftskrisen in Portugal mit der Folge von Massenarbeitslosigkeit und Wohnungslosigkeit: Am Drogenkonsum hat offenbar auch ein (fehlender) Sozialstaat seine Mitverantwortung…

Ideologie statt Kompetenz

Warum werden bei uns Süchtige wie Kriminelle verfolgt? Die sogenannte „harte Linie“ des Freistaats ist weder von Nächstenliebe noch von fachlicher Kompetenz geprägt, sondern von Ideologie bestimmt.

Ein typisches Beispiel dafür ist die frühere „Drogenbeauftragte der Bundesregierung“, Marlene Mortler. Sie wurde mit Sätzen wie „Cannabis ist verboten, weil es eine illegale Droge ist“ und „Alkohol gehört zu unserer Kultur, Cannabis nicht“ bekannt. Tatsächlich gibt es in Deutschland aber offiziell (Stand 2018) über 1,8 Millionen Alkoholabhängige, denen 300.000 von „harten“ Drogen Abhängige gegenüberstehen. Daneben gibt es geschätzt 300.000 Gewohnheitskonsumenten von Cannabis, von denen – je nach Studie – zwei bis maximal zehn Prozent psychisch von Cannabis abhängig sind.

Verteufelung „weicher Drogen“, Verharmlosung der „harten Droge“ Alkohol – ist das die CSU-„Kultur“?

Die „Qualifikation“ Frau Mortlers zur „Drogenbeauftragten“ war es, agrarpolitische Sprecherin der CSU im Bundestag zu sein. Die Fachkompetenz der neuen „Drogenbeauftragten“ Daniela Ludwig erschöpft sich darin, dass sie verkehrspolitische Sprecherin der CSU ist.

Kinder wohnen Tür an Tür mit Abhängigen

Wenn ich (ehemals) Drogenabhängige frage, was bei ihnen schief gelaufen ist, sagen sie mir, es sei in jungen Jahren dem Zeitpunkt, da sie ein deutliches Stopp und die Hilfe für einen anderen Lebensweg gebraucht hätten, niemand da gewesen. Was braucht es, damit Kinder und Jugendliche ihren Lebensfreude nicht (mehr) im Drogenrausch finden müssen?

Die Fachleute, die in diesem Bereich arbeiten, sagen mir: Kinder und Jugendliche brauchen ein hilfreiches Umgebungsfeld mit Menschen, die für sie da sind und da sein können. Zerstörerisch wirkt sicher zum Beispiel das Hausen-Müssen von konstant rund 50 Minderjährigen in den Löchern namens „städtischen Notwohnanlagen“ in der Aussiger Straße. Dort wohnen die Kinder und Jugendlichen Tür an Tür mit Drogen- und Alkoholabhängigen. Wie sollen diese Kinder und Jugendlichen das nötige Selbstwertgefühl aufbauen, wo soll da die gesellschaftliche Anerkennung herkommen, die ein junger Mensch für seine Stabilität braucht? Wo bleibt hier die „Prävention“? Erstaunlicherweise – egal, welche Stadtregierung gerade am Ruder ist – ändert sich hier nichts.

Was braucht es, um sich aus der Drogenabhängigkeit heraus zu arbeiten? Die Fachleute, die in diesem Bereich arbeiten, sagen mir:

Statt Kriminalisierung brauchen Drogen konsumierende Menschen

– einen Ausbau der Unterstützung durch sogen. Substitutionstherapien

– einen geschützten Ort, an dem Drogensüchtige eine saubere Spritze bekommen und sich einen „Schuss setzen“ können – ohne Angst vor Verfolgung und ohne Ansteckungsgefahr mit schweren Krankheiten durch verschmutztes „Besteck“. Und in dem sie vielleicht ihren Leidensdruck durch die Anbindung an Sozialarbeiter auflösen können, statt in einem weiteren Drogenrausch. Dieser geschützte Ort fehlt in Regensburg. Es gibt hier nur den absolut unterstützenswerten DrugStop e.V. mit seinem „Kontaktladen“.

Betroffen sind vor allem Obdachlose

Übrigens gehören die zahlreichen – meist unfreiwillig – Obdachlosen unter den Süchtigen zu den überdurchschnittlich viel Drogen Konsumierenden. Die Politik der Stadt, die alleinstehende Obdachlose möglichst nicht in Notwohnanlagen unterbringen will, fördert also zumindest mittelbar den Drogenkonsum.

Um Drogen dauerhaft hinter sich zu lassen zu können, braucht es eine unglaublich starke positive Motivation. Auch das habe ich schon erlebt: Mütter überwinden ihre Abhängigkeit, weil sie ein Kind bekommen, das sie behalten und wachsen sehen wollen. Ein Süchtiger geht in Substitutionstherapie, weil der Drogenpartner stirbt.

Aber auch wer es nicht schafft oder schaffen will, und das sind viele der Konsumenten „harter“ Drogen, hat im Rahmen unserer gesellschaftlichen Möglichkeiten ein Recht auf ein menschenwürdiges Leben – statt von der Polizei als angeblich Krimineller hinter den Büschen am Bahnhof herausgezerrt, öffentlich gedemütigt und eingesperrt zu werden.

Update am 8. Oktober

Am Montag war die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung Daniela Ludwig (CSU) in Regensburg und informierte sich im Verein DrugStop. Sie zeigte sich für den Vorschlag geschützter Konsumräume für Drogensüchtige offen, wie er neuerdings auch von der Münchner CSU-Stadtratsfraktion unterstützt wird. Sie befürwortete die Strafbarkeit des Besitzes auch einer nur geringen Menge von Cannabis für den Eigenkonsum, zeigte sich aber offen für eine Diskussion über das Ausmaß der Strafverfolgung hier. Über das Alternativmodell Portugal war sie informiert.

Hinweis: Ich bin – außer für meine Betreuten – nicht im Bereich Strafrecht tätig.

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Kommentare (20)

  • R.G.

    |

    “Cannabis ist die Einstiegsdroge”, so die Theorie.
    Eine bewusste Lüge! Die Wahrheit, Alkohol ist die Einstiegsdroge schlechthin. Er hat sogar einen Hauptplatz im Museum der Promille und getragenen Hosen.

    “Verbot von “Haschisch”, “Marihuana”, “Cannabis” hilft, dass es vom Markt verschwindet.”
    In Wirklichkeit hat es dazu geführt, dass Cannabispflanzen mit immer höheren rauschwirksamen Stoffen gezüchtet wurden, um sich am Schwarzmarkt mit besserem Stoff konkurrenzfähig zu halten.

    “Die sollten lieber arbeiten gehen, statt rumzuhängen!”
    Bezahlte Arbeit für Menschen mit (noch) niedriger Qualifikation verschwand, manuelle Arbeit verschwindet überhaupt. (In meinem Erstberuf sah ich in eine Produktionshalle voller Bediensteter, großteils Männer. Mit den Zulagen konnte sich jeder verheiratete Arbeiter, dessen Frau bloß mitverdiente, ein Eigenheim bauen. Heute hat es eine Handvoll fix Angestellte, die wenige Riesenmaschinen überwachen. Am überhitzten Wohnungsmarkt ist für sie nicht mal mehr eine mittlere Mietwohnung leistbar zu hoch sind

    “Fixerstuben verführen zu noch mehr Drogenkonsum.”
    Schaut nach Zürich, wo mit “Fixerstüblis” UND Abgabe von Heroin auf Rezept an schwer abhängige nicht mehr Entwöhnbare, die Beschaffungkriminalität wesentlich gemindert werden konnte.

    “Beschaffungskriminalität ist Stehlen und Rauben.”
    Zum großen Teil ist es eben auch Prostitution (die von Männern aus der bürgerlichen Mitte erkauft wird, weshalb diese großes Interesse haben, dass alles so bleibt!) oder Drogenweiterverkauf, um sich damit nebenher den eigenen Konsum finanzieren zu können.

    “Jugendliche wollen nur der Welt entfliehen, deshalb fangen sie mit Drogen an.”
    Eine weiter nicht hinterfragte Annahme.
    In einer Welt, in der sie als Jugendliche nirgends außerhalb der Wohnung einen Platz haben, wo sie gratis sinnvoll Freizeit verbringen können, sich bewegen, miteinander sprechen, mal laut lachen und singen dürfen, “helfen” Drogen, sich “unsichtbarer”und zu machen.

    “Die sollten den Ernst des Lebens kennenlernen, dann kämen sie nicht auf dumme Gedanken!”
    Meine Erfahrung mit Betroffenen: Sie haben früh verdammt Ernstes erlebt, sexuellen Missbrauch, Schläge und Haue, Erniedrigung, Mitansehenmüssen von Gewalt, Missbrauch und Mobbing aus der Sicht des Opfers oder erzwungenes Mitmachenmüssen – bevor sie sich mittels Drogen “verschwiegen genug machen” wollten. Meistens denke ich mir, wie haben die bloß so viel Unrecht ertragen können?

    Meinen Respekt an Menschen wie Herrn Spirk, weil sie sich aus Überzeugung für die Symptomträger unserer Gesellschaft einsetzen!

  • Mr. T.

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    Eigentlich alles nix Neues, was Herr Spirk da schreibt. Und trotzdem passiert auf diesem Gebiet seit Jahren nichts als ein ‘Weiter so’.

  • Roche-Dirac

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    Ich kann mich den Aussagen von Herrn Spirk und den bisherigen Kommentatoren nur anschliessen.
    50 Jahre oder mehr “War on Drugs” haben nichts gefruchtet.

    Wie heisst es immer, angeblich ein Zitat von Einstein: Wen einer fünf Mal hintereinander das Gleiche tut und andere oder bessere Resultate erwartet, dann ist das eine Form von Wahnsinn … mehr gibt es dazu nicht mehr zu sagen.

  • bart wakker

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    Man sollte nicht vergessen, dass v.A. Hanf von vielen freiwillig, nicht aus Sucht, genommen wird. Es ist weniger schädlich als Alkohol, sowohl kurzfristig (Überdosis) wie auch Langfristig. Deswegen wird diese Prohibition von den Verfolgten auch niemals akzeptiert werden. Es hat nichts mit Abhängigkeit zu tun, genau so wie die meisten Biertrinker nicht abhängig sind.

    Die Vervolgung wird als reine Kulturimperialismus empfunden, die Mehrheit sagt den Anderen was sie zu mögen und konsumieren haben, und was nicht. Etwas unglaubliches, ausser in einer Diktatur.

  • Nick

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    Ob es sinnvoll ist, das Problem u.a. in die Landshuterstrasse zu verlagern kann bezweifelt werden

  • Piedro

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    @RG
    Eins haben Sie in Ihrer Auflistung vergessen: die Mär von der kulturfremden Droge. In jeder Apotheker konnten man sich “starken Tobak” kaufen, mit Haschisch versetzter Tabak, sowie Opium, Laudanum, Stechapfelextrakte, Tollkirsche, “Tinktura”, hochwirksames Hanföl. Bürgertum und Adel sprachen dem Angebot gern zu. Der Dichterfürst der deutschen Kultur hat sich bis ins hohe Alter die Birne zu gedröhnt, nicht nur in seiner “Sturm und Drang” Zeit. Da hatte ich mal einen vorzüglichen Streit mit einer Lehrerin, die das empört bestritt. Ein anderer Lehrer hat mir dann zur Quelle verholfen, der Apotheker des Herrn Geheimrats war mit den Erben vor Gericht um die letzte (regelmäßige) Rechnung bezahlt zu bekommen, die Akten sind erhalten, der Betrag war saftig, die Auflistung lässt tief blicken. Auch die Bauern wussten was man wachsen lassen muss. Ein Jugendfreund von mir hatte mal Stress mit den Eltern, die Oma hat ihm darauf die Handkurbelhäckselmaschine des Opas geschenkt. War dereinst alles ganz normal. Erst im Dritten Reich wurde der Hanf verboten, und dann natürlich auf Bestreben der Textilindustrie international, weil Hanffasern eine Konkurrenz für Baumwolle – und später für synthetische Fasern waren.

    Anzumerken sei vielleicht noch der Nachweis von Kokainrückständen im deutschen Bundestag, oder auf überprüften Geldscheinen. Auch recht interessant. Die Stimmungsmache hält seit den 60ern unverändert an, die “konservativen” wissen entweder nicht was sie von sich geben, oder sie agieren gegen besseres Wissen. An den drängenden und wachsenden Problemen hat sich nichts geändert, nichts ist besser geworden. Der Richter Nescovic (später beim Verfassungsgericht) hat vor Jahrzehnten einiges bewegt, es gab dann die Möglichkeit bei geringen Mengen von Strafverfolgung abzusehen. Die Definition war Ländersache, die Bayern taten sich damit eher schwer. Heute wird davon nicht oder kaum noch Gebrauch gemacht. Die Belastung für Justiz und Strafvollzug sind ebenso widersinnig wie erheblich, aber man hält daran fest, warum auch immer. Die Menschen, die auf der Strecke bleiben, sind der “Gesellschaft” eh wurscht. Wer das Thema sachlich diskutieren will muss erst die immer gleichen Teufel von der Wand wischen – so das denn geht. Na denn: prost!

  • joey

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    gibt es keine Hilfsangebote in Bayern? Was passiert bei einem ersten Drogenfund?

  • auch_ein_regensburger

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    @Piedro
    Eine kleine Korrektur: Hanf wurde Mitte der 20er Jahre verboten, unter den Nazis aber stark gefördert, weil der Zugang zu Rohstoffen wie Baumwolle oder Jute versperrt war.

  • Lothgaßler

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    Die “legalisierten” Drogen Nikotin und Alkohol haben einen unschlagbaren Vorteil: Steuereinnahmen, Arbeitsplätze und Befürworter im Parlament! Wir kennen sogar Ausbildungsberufe, die sich mit der Herstellung der drogenbasierten Kulturgüter Bier und Wein befassen. Man stelle sich vor: Drogenkoch in 3 Jahren, Abschlussprüfung an der HWK, Voraussetzung Mittlere Reife und Freude an der Arbeit.
    Davon abgesehen ist auch Cannabis nicht ohne, denn der Konsum in jungen Jahren kann sich stark negativ auswirken auf die Persönlichkeitsentwicklung des Konsumenten.
    Richtig ist in jedem Fall, dass die strafrechtliche Verfolgung der Konsumenten nichts bringt, außer dem Signal “der Staat tut was”. Wer die Drogen einmal oder wiederholt probiert/konsumiert benötigt Aufklärung und Hilfestellung, um diesen Konsum zu beenden oder in den Griff zu bekommen, je früher, desto besser!
    Der staatlich kontrollierte und mit Auflagen begleitete diskriminierungsfreie Zugang zu Drogen ist sicher ein Weg um den Konsumenten zu helfen und der Begleitkriminalität das Wasser abzugraben. Was bleiben wird, das ist der Drogenkonsum aus Neugier, der Einstieg, das Ausprobieren vor der Sucht.

  • Joachim Datko

    |

    Hier die Zahl der Drogentoten in Deutschland für 2017: 1.272

    Zitat: “Während in Regensburg 2017 umgerechnet 8,1 Drogenabhängige auf 100.000 Einwohner am Konsum verstarben, waren es zum Beispiel in München nur drei.”

    Deutschland hatte 2017 ungefähr 82.790.000 Einwohner. Damit erhalten wir auf 100.000 Einwohner 1,54 Drogentote.

    Die Situation in Regensburg scheint mit den aufgeführten Zahlen tragisch zu sein. Da aber die Zahl von München und der Bundesdurchschnitt wesentlich niedriger sind, sollte zuerst geklärt werden, warum Regensburg so viele Drogentote hat, bevor man weitreichende Konsequenzen vorschlägt.

    Im Artikel wird die Drogenpolitik von Portugal positiv erwähnt. Nach dem EU-Drogenbericht gilt:
    “Mittlerweile liegt die Rate an Drogentoten in Portugal wieder auf dem Niveau des restlichen Europas.”
    Siehe: https://www.dw.com/de/eu-drogenbericht-mehr-todesf%C3%A4lle-daf%C3%BCr-weniger-heroinnutzung/a-49081822

  • Stefan Aigner

    |

    @Joachim Datko

    Sie zitieren (möglicherweise unabsichtlich) sinnentstellend aus dem DW-Bericht. Bei dem Zitat geht es darum, dass Portugal zuvor eine kriminalisierende Drogenpolitik wie in den USA angewandt hatte und die Zahl der Drogentoten in diesem Zug gestiegen ist. Die Abkehr davon und die Hinwendung zu einer Politik wie oben beschrieben habe dagegen zu einer positiven Entwicklung geführt.

  • Andreas

    |

    Legalisieren, ab 18 von Marijuana mit Besteuerung kann ich unterstützen.

    Ich habe nur das Gefühl, dass einige der Kommentare oben ähnliches für Drogen wie Heroin, Kokain, Crystal deren Derivate und neue synthetische Drogen fordern. Damit fühle ich mich sehr unwohl wenn diese Drogen in der Gesellschaft toleriert werden. Einige von Euch können den Schwarzmarkt für harte Drogen vielleicht akzeptieren. Für mich ist sowas in einem Rechtsstaat nicht tragbar.

    Wie wäre es als Kompromissvorschlag? Erst legalisieren wir Cannabis. Wer aber nicht von den o.g. harten Drogen loskommen will oder kann, darf sie in einer geschlossenen Einrichtung weiter konsumieren. Der Süchtige/Patient kann sich dann aber nicht mehr frei in der Gesellschaft bewegen, egal ob Obdachloser oder kokainabhängiger Banker. Damit wäre der größte Teil der Nachfrage nach den Drogen, die noch Illegal sind, weg und weniger junge Menschen würden mit Konsumenten und Dealern der harten illegalen Drogen in Kontakt kommen. Ich interessiere mich für Eure Meinung.

  • Joachim Datko

    |

    Ich habe jetzt unter
    http://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/8585/20181816_TDAT18001DEN_PDF.pdf

    eine Tabelle mit den Drogentoten in Europa auf der Seite 90 gefunden.
    Europäischer Drogenbericht 2018
    Einschränkung:
    “Beim Vergleich der Statistiken zu drogenbedingten Todesfällen ist aufgrund von Unterschieden hinsichtlich Kodierung und Abdeckung sowie unzureichender Meldung in einigen Ländern Vorsicht geboten.”

    Drogenbedingte Todesfälle (15–64 Jahre)
    Fälle je 1 Million Einwohner (Anzahl)

    Deutschland 24 (1 274)
    Portugal 4 (26)

    Auffällig ist, dass Portugal mit Bulgarien, der Tschechischen Republik und Ungarn dieselbe Todesrate durch Drogen hat. Besser ist nur Rumänien mit einem Toten pro Million.

  • R.G.

    |

    Persönlich bin ich radikal gegen jede Droge.
    Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass durch alle Schichten konsumiert wird.

    Ich möchte eigentlich nicht, dass irgendeine Droge freigegeben ist. Das ändert nichts an der Notwendigkeit, vernünftig und klug, unter Berücksichtigung der realen Gegebenheiten, für die Allgemeinheit wirklich aushaltbare Gesetze zu wünschen.

    Auf keinen Fall möchte ich neben Tablettenabhängigen wohnen so meine Theorie. Während ich den Satz nur halb gedacht habe, erinnere ich mich schon, wie gut wir mit den Ärzten im Mietshaus, wo wir früher wohnten, auskamen. Sie waren immer auf irgendwas, Weckmittel, Schlafmittel, Beruhigungsmittel etc.
    Ihre Dienstzeiten wären ohne medikamentöse Stütze nicht machbar gewesen.

    Ich sehe überhaupt nicht ein, dass man Alkohol oder Cannabis erzeugen und kaufen darf. Aber ich erinnere mich, ein Verbot zum Erwerb nachgefragter Drogen führt nur zur Erstarkung krimineller Gruppen.

    Von Berufspoltikern muss ich erwarten dürfen, dass sie nach ihren ersten egozentrischen Gedanken, wie sie selbst Drogen bewertet sehen möchten, Grundwissen erwerben wollen, um statt den strikten Verboten, dem friedlichen Zusammenleben besser als bisher dienliche Vorgaben unterstützen zu können.
    ________

    Ein nur noch drei Tage frei abrufbares, berührendes Hörbild eines mit drogensüchtigen Eltern aufgewachsenen Salzburgers:
    https://oe1.orf.at/player/20191005/573620
    “Adrian Goiginger. Eine Kindheit im Salzburger Drogenmilieu”

  • Joachim Datko

    |

    Weltweite Statistik zur Todesursache Drogenkonsum:

    https://ourworldindata.org/drug-use
    Siehe: “Death rates from drug use disorders, 2017”
    Positionieren sie den Cursor auf dem gewünschten Land in der Grafik.

  • Tina

    |

    Vielen Dank für diesen super Artikel, Herr Spirk :)

    Vielleicht haben Sie ja Lust am 02. Mai 2020 eine Rede am Global Marijuana March in Regensburg zu halten? Wir würden uns freuen.

    Es ist an der Zeit, dass dieses unsinnige Verbot endlich gekippt wird!
    Das Verbot schützt niemanden! Es schadet nur! Ihr müsst für eure Rechte kämpfen, sonst passiert gar nichts…

    Wir sagen: Das Verbot ist verfassungswidrig!

    Nutzt die Richtervorlage des Hanfverbands:
    https://hanfverband.de/richtervorlage

  • Brenner

    |

    Der Hanfverband ist ein Einzelunternehmen von Herrn Georg Wurth.

    Für nur 5 € kann man “Fördermitglied” bei diesem Einzelunternehmen werden. Aha…

  • Brenner

    |

    von den 5 € des Fördermitliedes fließen direkt 0.8 € als Umsatzsteuer an das Finanzamt. Da freut es sich sicherlich, das Finanzamt.

  • Piedro

    |

    @Brenner
    Ist das alles, was Sie zu der Diskussion beitragen können? Dass Herr W. Unternehmer ist? Naja.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Wurth

    Die Argumentation des Richters Müller finde ich interessanter. Und sie deckt sich mit der Darstellung von Herrn Spirk.

  • Giesinger

    |

    @Andreas 8. Oktober:
    Ihren Vorschlag empfinde ich als krass, habe ihn aber noch nicht endgültig zu Ende gedacht.

    Ansonsten: Die Freigabe der klassischen Drogen würde halt die Not der Abhängigen hierzulande mildern.

    Aber auch der Brutalität und Gewalt in den Erzeugerländern würde die Grundlage entzogen.
    Kolumbien ist wohl immer noch Erzeugerland Nr. 1 . Mexiko Haupt vertriebsland.
    Ließe man das alles relativ legal laufen, dann gäbe es wohl auch keinen Markt mit diesen synthetischen Drogen.

    Kann ich einen Selbstmörder abhalten, sich in den Tod zu stürzen?

    Die Antwort kennt jeder.

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