
„Wir brauchen den Diskurs weiter, wie wir sozusagen in Afghanistan das hinkriegen, dass auf der einen Seite riesige Aufgaben da sind des zivilen Aufbaus (…), gleichzeitig das Militär aber nicht alles selber machen kann. (…) Ich glaube, dieser Diskurs ist notwendig, um einfach noch einmal in unserer Gesellschaft sich darüber auszutauschen, was eigentlich die Ziele dieses Einsatzes sind. (…) Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern.“Jetzt kann man sich – zu Recht – darüber ereifern, dass Köhler Krieg als Mittel definiert, um deutsche Arbeitsplätze, Handelswege und „Interessen“ zu sichern. Dann wäre die Aufregung aber schon früher angebracht gewesen. Dass Arbeitsplätze und deutsche Wirtschaftsinteressen über alles gehen, sieht man allein daran, wie sehr die politische Klasse vor Rüstungskonzernen katzbuckelt, deren Aufstieg bis in die Nazi-Zeit zurückreicht. Konzernführer, deren Affinität zu Freiheit und Demokratie eher zweifelhaft ist, werden mit Verdienstkreuzen und Orden bedacht. Da wäre durchaus mal die Frage zu stellen, wie viele Leichensäcke ein deutscher Arbeitsplatz wert ist. „Ganz Deutschland“ trauert zwar, mit Stahlhelm auf den Särgen, um gefallene Soldaten. Wie viele Opfer es unter der afghanischen Zivilbevölkerung gegeben hat, wird kaum zur Kenntnis genommen. Auch nicht, wie viele Somalier sterben, weil ihnen europäische Fangflotten die Küsten leer gefischt haben und dort giftiger und radioaktiv verseuchter Müll verklappt wird. Hauptsache die deutsche Marine verteidigt nun deutsche Handelswege gegen böse somalische „Piraten“. Auch Köhler geht es in seinem Interview ausschließlich um deutsche Opfer.
Wir haben ja leider diese traurige Erfahrung gemacht, dass Soldaten gefallen sind, und niemand kann ausschließen, dass wir auch weitere Verluste irgendwann beklagen müssen. (…) Aber es wird wieder Todesfälle geben, nicht nur bei Soldaten, möglicherweise auch (…) bei zivilen Aufbauhelfern. Das ist die Realität unseres Lebens heute, wo wir einfach zur Kenntnis nehmen müssen: Es gibt Konflikte.Fazit: Wo gehobelt wird, fallen Späne. Der Afghane oder Somalier an sich interessiert nicht. Der Einsatz des Militärs als Mittel der Wirtschaftspolitik ist in deutschen und europäischen Strategiepapieren schon längst die wesentliche Zielmarke.
